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Für wen sich Erdgas lohnen kann

02.05.2018 06:00 Uhr

Die angedrohten Diesel-Fahrverbote in vielen Städten sorgen für Verunsicherung. Die Lösung könnte ein Erdgas-Transporter sein. Ob sich der Umstieg vom Selbstzünder rentiert, klärt unsere Testfahrt.

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_ Der Diesel ist tot, es leben die Alternativen! Was die Politik und Umweltverbände propagieren, stellt Transportunternehmer zumindest im urbanen Lieferverkehr vor Herausforderungen. Denn welche Alternative wäre überhaupt eine solche? Elektromobilität? Steckt noch in den Kinderschuhen und ist mit hohen Kosten verbunden. Ein Benziner? Zu hoch im Verbrauch.

Bleibt der Erdgasantrieb. Deutlich bessere Schadstoffemissionen und niedrigere CO2-Werte garantieren auf lange Sicht freie Fahrt in jede bestehende oder geplante Umweltzone. Allerdings kommt die Anschaffung eines Erdgas-Transporters teurer und ihre Motoren galten zumindest im Fall des VW Caddy als träge.

Bislang, denn schon im vergangenen Jahr tauschte VW den betagten und trägen Ecofuel-Saugmotor gegen den neuen aufgeladenen TGI-Vierzylinder aus. Der bietet mit 110 PS zwar nur eine Pferdestärke mehr als der Vorgänger und auch das um 40 Newtonmeter höhere Drehmoment ist nicht entscheidend. Wohl aber, dass die 200 Newtonmeter schon bei 1.500 Touren anliegen und damit satte 2.000/min früher.

Gutes Drehmoment

Verglichen mit dem TDI-Diesel mit 102 PS, den der Erdgaser in diesem Test zum Duell herausfordert, zieht der TGI nominell aber dennoch den Kürzeren. Trotz nur 102 PS bringt es der zwei Liter große Selbstzünder auf 250 Newtonmeter Drehmoment, die ab 1.300 Touren zur Verfügung stehen.

Damit müsste der Erdgas-Benziner dem TDI eigentlich klar unterlegen sein? Die Antwort lautet aber: Nein. Der Diesel transportiert die 400 Kilogramm Testballast eine Spur souveräner. Er nimmt auf der Landstraße Steigungen noch locker im höchsten Gang, bei denen der TGI-Fahrer längst zurückstufen musste.

Das genügt aber nicht, um dem TGI davonzufahren. Dafür sind die Fahrleistungen des 1,4 Liter kleinen Turbomotors einfach zu gut. Den Sprint von null auf 100 km/h absolviert er genauso schnell wie der Diesel und liefert auch bei der Elastizitätsmessung vergleichbare Zeiten.

Willig und kultiviert

Der vom TSI-Benziner abgeleitete Gaser zieht ab 1.800/min kräftig durch und pariert selbst 1.300 Touren willig, auch wenn beim Tritt aufs Gaspedal dann nicht mehr viel passiert. Ist Leistung gefragt, sind deshalb höhere Drehzahlen nötig, die der Motor bis 6.000 Touren willig und kultiviert absolviert. Doch natürlich sind solche Drehzahlorgien nicht zielführend für eine wirtschaftliche Fahrweise. Und selbst auf der Autobahn unnötig, auch wenn das Drehzahlniveau im Gaser naturgemäß höher ausfällt als beim Selbstzünder. Beim Reisetempo von 120 liegen im TDI 2.800 Touren an, im Gaser sind es 550/min mehr. Das hat zur Folge, dass sich die Geräuschkulisse in beiden Probanden bei steigendem Tempo immer mehr annähert. Im langsameren Stadtverkehr lässt der Gas-Benziner dafür spürbar weniger von sich hören und ist im Stand fast gar nicht mehr vernehmbar.

Getriebe

Hilfe, das niedrigere Drehmoment des TGI etwas zu kompensieren, leistet das Getriebe. Denn Volkswagen kombiniert den TGI mit einem kurz gestuften Sechsganggetriebe, wohingegen der Diesel noch immer mit lang gespreizten und wenig zeitgemäßen fünf Fahrstufen auskommen muss. Immerhin gefallen die Schaltungen hier wie dort mit präziser Leichtgängigkeit, durch die der Schalthebel sogar nur mit dem kleinen Finger geführt problemlos sein Ziel findet.

Gar keine Unterschiede ergeben sich bei Straßenlage und Fahrkomfort. Beide Caddy-Testwagen, die als identische und gut ausgestattete Kombi-Varianten über die standardisierte Testrunde rollten, liegen in allen Lebenslagen satt und sicher auf der Straße. Auch der Komfort der Starrachse an der Hinterachse fällt beim Kombi höher aus als beim hinten blechnackten Kastenwagenpendant, wo es mit leerem Frachtabteil schon mal holprig wird.

Lichtfrage

Verarbeitung und Materialauswahl liegen für diese Fahrzeugklasse auf hohem Niveau. Wobei Kastenwagenfahrer wohl meist auf das handschmeichlerische Lederlenkrad und den belederten Schalthebel (im Paket 150 Euro) verzichten müssen, mit denen sich das billige und klebrige Kunststoffvolant umgehen lässt. Die Bedienung gelingt auch im Caddy VW typisch leicht und logisch. Kritik beschränkt sich auf Kleinigkeiten, wie die bei allen VW fehlende Kontrolllampe fürs eingeschaltete Abblendlicht, wodurch sich bei einsetzender Dämmerung nur raten lässt, ob die Lichtautomatik nun ihren Job erledigt hat oder nicht. Unterschiede offenbarten sich bei den serienmäßigen Start-Stopp-Systemen. Während die automatische Motorabschaltung des Diesels vor den eisigen Temperaturen, die am Testtag herrschten, kapitulierte, zeigte sich die Anlage im TGI davon unbeeindruckt und ließ den Vierzylinder, wann immer möglich, verstummen.

Kostenrechnung

Wichtiger ist für den Flottenbetreiber das Thema Kosten: 1.215 Euro kostet der Erdgas-Caddy als Kastenwagen mehr als das vergleichbare Dieselpendant. Diesen Mehrpreis auf der Straße zu kompensieren ist möglich, hängt aber von der Kilometerleistung ab. 5,05 kg/100 Kilometer Erdgas verbrauchte der TGI im Durchschnitt auf unserer Teststrecke. Macht bei dem am Testtag ausgeschriebenen Preis von 1,09 Euro fürs Kilogramm Gas 5,50 Euro Kraftstoffkosten pro 100 Kilometer.

Der Diesel absolvierte die gleiche Strecke mit 5,67 l/100 km (zuzüglich 0,2 l/100 km Adblue) und kommt bei einem Dieselpreis von 1,18 Euro pro Liter auf 6,69 Euro für 100 Kilometer. Womit der Erdgaser 1,19 Euro günstiger unterwegs war, die nach knapp 102.000 gefahrenen Kilometern den Mehrpreis amortisieren. Selbst im reinen Stadteinsatz sollten die über die Haltedauer locker zusammenkommen. Als wir ein paar Tage später abermals an gleicher Tankstelle vorbeikamen, hatten sich Diesel und Erdgas bis auf zwei Cent Preisdifferenz angenähert. Rechnet man mit diesem Preis dauert es plötzlich fast 150.000 Kilometer, um den TGI-Mehrpreis wieder einzufahren.

Immer vernachlässigbar ist die Differenz bei der Kraftfahrzeugsteuer von zwölf Euro zugunsten des TGI, die im 80 Kilogramm niedrigeren Gesamtgewicht des Gasers begründet liegen.

Gewichtsverlust

Die tragen auch zu einem gravierenderen Nachteil des TGI bei. Die vier unterflur montierten Gasflaschen mit insgesamt 26 Kilogramm Fassungsvermögen plus dem 13 Liter großen Benzintank für den Notfall, auf den mancher Transporteur sicher gern verzichten würde, heben das Leergewicht des Testwagens auf happige 1.765 Kilo. Der identisch ausgestattete Diesel-Caddy wiegt 115 Kilogramm weniger und darf für diese Fahrzeugklasse passende 605 Kilogramm einladen. Beim Erdgas-Pendant sind die lediglich 410 Kilogramm Nutzlast dagegen schnell überschritten.

Wartung

Einkalkulieren muss der TGI-Eigner auch die kürzeren Wartungsintervalle von lediglich 15.000 Kilometer, der Diesel darf doppelt so lange Strecke machen, bevor ein Servicestopp nötig wird.

Das alles wird jedoch hinfällig, sollten eingangs erwähnte Sanktionen in Form von Einfahrverboten, die auch Euro-6-Diesel betreffen könnten, Realität werden. Dann ist der Erdgas-Motor bis auf Weiteres die einzige kostengünstige Alternative.

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