Wer managen will, braucht Transparenz. Das ist im Schadenfall nicht immer einfach, aber es wird immer leichter, da das Feld der Dienstleister und Flottenversicherer, die sich dem Thema Riskmanagement annehmen, immer größer wird - zum Vorteil der Fuhrparks. Wir sprachen mit Ralph Feldbauer (Risk Guard).
Wie lief das Versicherungsjahr 2021?
Ralph Feldbauer: Die Schadenlast war laut den aktuellen Zahlen des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2021 relativ hoch. Insgesamt lagen die Beiträge für die Schaden- und Unfallversicherung bei gut 76 Milliarden Euro. Das ist eine Erhöhung von 2,2 Prozent. Dem stehen gezahlte Leistungen an die Versicherten in Höhe von 62,3 Milliarden Euro gegenüber, was einer Steigerung von 20,3 Prozent entspricht.
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Der Beitragsanteil der Kfz-Versicherung (privat wie gewerblich) bemisst sich auf 29 Milliarden Euro, was einem Wachstum von 0,4 Prozent gleichkommt. Die Schadenseite liegt bei 23,8 Milliarden Euro und stieg um acht Prozent.
Wo liegen die Flotten dabei?
R. Feldbauer: Das Flottengeschäft brachte Beiträge in Höhe von 4,4 Milliarden Euro und wuchs um 4,5 Prozent. Der Schadensaufwand lag bei 3,7 Milliarden und gut zehn Prozent mehr als 2020. Im Flottenbereich war also (noch) ein deutliches Wachstum möglich, auf der anderen Seite sind auch hier die Ausgaben für die Versicherer massiv gestiegen.
Risk-Experte Ralph Feldbauer im Gespräch mit Autoflotte (Video)
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Das heißt, wer unter den Versicherern wachsen will, muss ins Flottengeschäft?
R. Feldbauer: Bislang haben sich wenige Versicherer um die Fuhrparkkunden gekümmert. Das wird sich nun ändern, da hier die verbleibenden Wachstumsimpulse stattfinden. Für die Flottenbetreiber bedeutet dies, dass die Zahl der Anbieter wachsen wird - was gut für den Wettbewerb ist - und diese auch neue Ideen und hohes Kundeninteresse mitbringen werden. Das trifft insbesondere für den Flottenkunden zu, so mein persönlicher Eindruck des Marktgeschehens.
Was raten Sie den Fuhrparkbetreibern?
R. Feldbauer: Da die Flotte wieder in den Blick der Risikoträger gerät, was über einige Jahre nicht der Fall war, ist jetzt gerade eine gute Zeit als Fuhrpark auf seinen Versicherer oder Makler zuzugehen oder die Leistung neu auszuschreiben.
Wie sieht die Verhandlungslage im Moment denn allgemein aus?
R. Feldbauer: Die beiden Vorjahre waren einerseits geprägt von sinkenden Fahrleistungen verbunden mit niedriger Schadenhäufigkeit - aufgrund der Coronaeffekte über der Homeoffice-Thematik während der Pandemie -, was für teils gute Rentabilitäten und damit möglichen Beitragssenkungen sprechen würde. Andererseits steigen aufgrund der Ressourcenknappheit sowie der damit einhergehenden enormen Inflation die Preise für den Versicherer in der Schadensregulierung (siehe auch Autoflotte 7/2022, Seite 20). Deswegen erhöhen sich die Prämien wieder, die kalkulatorisch noch ohne die Sondereffekte Rohstoffknappheit, Lieferproblematik, Ukraine-Krieg und einhergehender Inflation kalkuliert wurden.
Wenn man die gleichen Leistungen teurer einkaufen muss, könnte man stattdessen auch das Leistungspaket überdenken und weniger versichern, um keine allzu große Preissteigerung hinnehmen zu müssen? Was raten Sie hier den Flottenkunden?
R. Feldbauer: Genau diese Betrachtung führt der professionelle Riskmanager im Rahmen eines Riskmanagement-Konzeptes aktuell durch. Er schaut, welche Leistung muss ich einkaufen und welche kann ich kostengünstiger selbst - oder wirtschaftlicher über Dritte - abwickeln. Das Gros der kleinen und mittleren Flotten verfügt über ein Versicherungskonstrukt, das einen standardisierten Kfz-Tarif aus Einzelvertragsbasis oder in einem Gruppenvertrag hat.
Sprich, man hat ein recht fixes Leistungspaket, das man in der Regel nicht aufschnüren kann. Häufig ist der professionelle Versicherer bereit, in einen Individualvertrag zu wechseln, damit wären sowohl die Preis- und insbesondere die Leistungs(-Bausteine) gezielter zu vereinbaren wie auch die Selbstbeteiligungsregularien. Die größeren Flotten ab 50 Einheiten haben indes individuell angepasste Versicherungsverträge, deren Vertragsteile sind natürlich verhandelbar. Genau das sollte man jetzt aktiv angehen.
Welches Risiko kann die Flotte in der Regel besser selbst tragen?
R. Feldbauer: Um diese Frage seriös zu beantworten, ist eine absolute Transparenz zu den Bereichen Schadenhistorie und finanzielle Eigentragungsmentalität über die Finanzstärke des Unternehmens zu schaffen. Bevor ich Beitragserhöhungen akzeptiere, schaue ich mir in jedem Fall die Schadenschwerpunkte an. Ein klassisches Beispiel sind die häufig vorhandenen Glasschäden. Es ist zielführend, diese in die Eigentragung zu nehmen und über eigene Netzwerke abzudecken. Das kann ich natürlich auch für weitere Bausteine der Versicherung tun.
Dazu muss ich aber detailliert meine Schäden, die Kosten und die Häufigkeiten kennen.
R. Feldbauer: Absolut. Das ist die grundsätzliche Aufgabe des Riskmanagers, Schäden transparent zu machen und daraus Handlungsempfehlungen zu machen. Man muss also wissen, welche Schadensarten und Schadenbilder es wo und wann gab und wie hoch die Kosten für die Reparatur, die Ersatzmobilität und den administrativen Aufwand sind. Das betrifft allerdings noch nicht das Risk-Management, denn hier würde ich zunächst von gleichbleibenden Risiken ausgehen.
Wie helfen Versicherer den Fuhrparkleitern, diese Transparenz herzustellen?
R. Feldbauer: Der klassische (Flotten-) Kfz-Erstversicherer bereitet seinem Kunden in der Regel zwischenzeitlich recht detailliert die Schadenaufwendungen und Schadensarten auf. Das muss der Versicherte aber auch einfordern. Hier fehlt allerdings die Übersicht zu den eigenen Schäden. Unter den neuen Wettbewerbern auf dem Markt der Flottenversicherung gibt es einige, die diese Transparenz per se schaffen und auf der anderen Seite vom Kunden verlangen, dass er mit diesen Daten aktiv Risk-Management betreibt, also in die Prävention einsteigt. Auch die Makler betreiben zusehends Risk-Management, um ihren Kunden im eigenen Interesse einen Mehrwert zu geben.
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Der dritte Pfeiler sind die externen Schadenmanagementunternehmen, die für den Kunden die Einzelschäden in der Gesamtheit "wegmanagen". Hier gibt es seitens der professionellen Anbieter eine hohe Motivation, sich als gesamtheitlicher Schadenmanagementdienstleister in Sachen Präventionsunterstützung aufzustellen. Die professionellen Flottenversicherer verstehen, dass dies ihr Kerngeschäft ist und agieren im Sinne der Kundenbindung und ihrer Interessen. In jedem Fall sollte der Flottenbetreiber hohe Transparenz über die Schäden und die flottenindividuellen Maßnahmen des Risk-Managements einfordern, was in immer mehr Ausschreibungen auch so formuliert wird und neben dem Preisthema ein gewichtiges Argument für den Zuschlag ist. Verständlich, da am Ende eben jeder nicht eingetretene Schaden die beste Kosten- und Sicherheitsinvestition ist.
Sie sprachen die Transparenz an. Wo genau braucht es dafür Datentiefe?
R. Feldbauer: Es ist bei der Schadensart extrem wichtig zu wissen, wie der Schaden im Hergang zustande kam. So reicht ein Hinweis 'Kollisionsschaden' nicht aus. Dies detailliert nachzufragen sollte beispielsweise bereits bei der Schadenhotline mittels des geschulten Personals passieren, um diese Tiefe herauszufragen und Angaben zu erhalten, die man selektieren kann. Daneben gibt es eine Mehrzahl anderer Datenerfordernisse.
Sobald ich diese Detailtiefe besitze, werden aufgrund der transparenten Daten plötzlich Schadenmuster deutlich, die der Risk-Manager aufbrechen will. Wie geschieht das genau?
R. Feldbauer: Der Hebel dafür liegt in den wiederkehrenden Frequenzschäden, die eindeutig und immer vermeidbar sind. Diese Schäden kann ich über verschiedene Stellschrauben überraschend oft gezielt (herunter-)regulieren. Die Themen dafür sind vorrangig der Dienstwagenfahrer mit seiner Firmenwagenfahrermentalität sowie rein organisatorische, aber auch technische Tools. Bleiben wir beim Kollisionsschaden: Wenn ich weiß, dass dieser beim Spurwechsel stattfand, kann ich dies über die Technik, also einen verpflichtenden Spurhalte-Assistenten abmildern. Wenn es aber an der Blickführung des Fahrers lag, kann der Fuhrparkleiter den Mitarbeiter gezielt darin schulen, die Dimensionen des Fahrzeugs besser einschätzen zu können. Auch die häufigen Park- und Rangierschäden sind extrem gut 'heilbar', wenn verschiedene Ansatzpunkte geprüft werden.
Die Transporterfahrer aus dem KEP-Bereich spüren ständig den Druck und die Arbeitsbelastung. Deren Schadenbilder sehen vermutlich anders aus als jene der User Chooser im selben Unternehmen?
R. Feldbauer: Die konkrete Verwendung der Fahrzeuge, die Wirtschaftsbranche des Unternehmens und die konkrete Wertschöpfung der Fahrzeuge im Fuhrpark definieren deren typische Schadenbilder. Vertriebsfahrzeuge verfügen über andere Schadenbilder und Schadensursachen als Poolfahrzeuge, Geschäftsführungsfahrzeuge oder eben die Transporter. Je größer und diverser eine Flotte aufgestellt ist, desto eher werden diese Unterschiede bei der Datenerhebung bereits eingeplant und entsprechend strukturiert erfasst. Viele professionelle Dienstleister aus der Schadenbranche zeigen sich sehr gesprächsbereit, diese Grundstrukturen für eine nachrangige Bewertung bereits im Vorfeld zu erfassen und damit auch die Basis für das Riskmanagement zu schaffen.
Welche Kennzahlen meiner Flotte brauche ich wirklich und was sagen diese über meinen Fuhrpark aus?
R. Feldbauer: Am häufigsten wird der Fuhrparkleiter mit der Schadenquote konfrontiert. Diese beschreibt aber nur 'eine' betriebswirtschaftliche Komponente und zwar das Verhältnis vom Nettobeitrag zum Schadenaufwand. Das eigentliche Risikokriterium für die Fuhrparkqualität ist die Schadenshäufigkeit - die zeigt, wie oft ein Schadensereignis eintritt. Die wirklich professionellen Risikoträger tendieren in der Risikobewertung und der Kalkulation der Prämie daher verstärkt genau in diese Betrachtung. Der Schadensaufwand steht zusehends geringer im Fokus, eben da er in weiten Teilen absolut zufallsbedingt und nicht beeinflussbar ist. Der Fahrer sucht sich beispielsweise die zweite Schadenpartei bei einem Auffahrschaden eben nicht aus - ob alter Polo oder neuer Porsche -, das Ereignis ist gleich, aber der Schadensaufwand ist deutlich unterschiedlich und immer zufallsbedingt. Der Fokus der Profis zielt daher verstärkt auf die Schadenhäufigkeit, also auf die Frequenz wann, wo, welche Art von Schäden durch wen verursacht werden.
Die Schadenquote sagt also wenig über das Risiko für Schäden in der Flotte aus?
R. Feldbauer: Selbstverständlich ist dies auch ein wesentliches Argument, aber es ist rückwärtig betrachtet und richtet den Fokus lediglich auf die Schadenkostenseite, die sich in der 'Nachvornebetrachtung' extrem schnell ändern kann. Das sehen wir aktuell sehr gut an der technologischen Entwicklung und den entsprechenden Schadenfolgekosten.
Können Sie dafür ein Beispiel aus dem Fuhrpark nennen?
R. Feldbauer: Nehmen Sie als Beispiel zwei Flotten mit jeweils 100 Fahrzeugen. In dem einen Fall gab es 60 (zufallsbedingt) niedrige Bagatellschäden, die über eine hohe Selbstbeteiligung reguliert und gezahlt wurden. Die Schadenquote ist damit niedrig. In der zweiten Flotte wiederum gab es zehn Schäden mit (ebenso zufallsbedingt) hohem Schadensaufwand. Hier steigt die Schadenquote immens, obwohl das individuelle Flottenrisiko für einen Unfall in dieser Flotte deutlich niedriger liegt, da es eben nur zehn statt 60 Schäden gab. Der Fuhrparkmanager sollte sich daher proaktiv mit dem Riskmanagement und damit auch auf die Schadenhäufigkeit konzentrieren und folglich die Gesamtschadenhöhe der Flotte als das sehen, was sie ist - extrem zufallsbedingt. Meiner Erfahrung nach hilft das sowohl für die interne Risikobewertung als auch bei Gesprächen mit Externen enorm weiter.
Herzlichen Dank, Herr Feldbauer, für das Gespräch.
Karl Scheck