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Elektromobilität: Aufbruchstimmung im Musterländle

07.03.2017 10:11 Uhr
Elektromobilität: Aufbruchstimmung im Musterländle
Bis zum Durchbruch benötigt das E-Auto noch ein wenig Anschub.
© Foto: Bosch

Die Autoindustrie in Baden-Württemberg ist die Wiege der individuellen Mobilität mit Verbrennungsmotoren. Firmen wie Bosch, Mahle oder Daimler wollen jetzt aber zeigen, dass sie auch integrierte und vernetzte Elektromobilität können. Doch die Gemeinsamkeit hat auch ihre Grenzen.

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Von Peter Weißenberg/SP-X

Der Schrecken hat einen Namen: Zahnärzte-Straße. So heißt im Jargon der Energieversorger eine der großen Herausforderungen, wenn das Zeitalter der Elektromobilität so richtig anbricht. Dann nämlich werden sich wohlhabende Privatleute mit sündteuren Hochleistungs-Sportwagen und SUV von Porsche, Tesla oder Mercedes eindecken - und den passenden Schnelllade-Stationen in der Triple-Garage der heimischen Villa. "Wenn die alle in einem Wohngebiet zeitgleich ihre Elf-Kilowatt-Wallboxen anwerfen, gehen die Lichter aus", beschreibt Timo Sillober den Horroreffekt.

Sillober ist Leiter Produkt- und Angebotsmanagement und Digitalisierung beim baden-württembergischen Energieriesen EnBW - und dort mit dem kommenden Elektro-Boom befasst. Aber natürlich haben seine schwäbischen Strom-Tüftler schon eine Lösung für das Problem mit den Elektro-Pionieren: "Wir brauchen eine intelligente Steuerung der Ladegeräte, damit wir dann mit dem Laden beginnen, wenn Strom weniger nachgefragt ist."

Nicht nur EnBW arbeitet an, wie jetzt auf einem Expertentreffen in Stuttgart deutlich wurde. Denn auch Zulieferern wie Bosch und Mahle, der Landesregierung und den örtlichen Herstellern Porsche und Daimler ist klar: Allein mit der Investition in die Fahrzeuge wird die Elektromobilität kein Erfolg. Deswegen wollen sie die Wiege der diesel- und benzingetriebenen Mobilität jetzt zum Muschterländle der Elektromobilität ausbauen.

Franz Loogen soll so etwas wie der Chefdirigent des Vorhabens werden, mit denen die verschiedenen Angebote "vom Pedelec über das Elektro-SUV bis zum Brennstoffzellen-Bus auf die Straße gebracht und vernetzt werden sollen", wie der Geschäftsführer der Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie die Aufgabe umschreibt. Der Kraftakt ist dringend nötig. Denn in China oder Kalifornien etwa sind die Anstrengungen für die elektromobile Wende schon weiter. Deutschland benötigt deswegen solche Projekte.

Hersteller brauchen Infrastruktur

Und die Hersteller brauchen dazu die Infrastruktur. Porsche etwa hat für 2019 einen vollelektrischen Sportwagen angekündigt, der mit 800 Volt Spannung seine Riesenakkus für 500 Kilometer Reichweite in nur 15  Minuten zu 80 Prozent laden soll. Und die schwäbischen Nachbarn bei Mercedes wollen bis 2025 gleich zehn vollelektrische Fahrzeuge bringen. Beiden Anbietern ist klar, dass das nur funktionieren wird, wenn die Rahmenbedingungen stimmen - nicht nur wegen des Zahnärzte-Problems.

Boschs Elektrifizierungschef, Mathias Pillin meint zum Beispiel, dass für den Durchbruch der Elektromobilität "endlich das Dauerthema Reichweite aus den Köpfen der Kunden muss". Also die Angst der Fahrer, dass nach 100 Kilometern im kalten Winter die Batterie in die Knie geht und die nächste Ladestation die Fahrt um Stunden unterbricht. Der Systemlieferant gibt darum jährlich 400 Millionen Euro für Entwicklungen aus, die diese Mängel der heutigen Elektromobilität beenden sollen.

Eine fette Batterie auf Rädern reiche eben nicht, so Pillin. Sie mache die Autos nur unheimlich teuer - für den Gutverdiener vielleicht kein Problem, für massentaugliche Angebote aber unverträglich. Die neuen elektrischen Achsen von Bosch sind derzeit weltweit stark nachgefragt, weil sie kompakt bauen, leichter sind und effizienter. Der Effekt: Energie wird nicht mehr so stark verpulvert. Und die Preise könnten bei gleicher Leistung um bis zu 30 Prozent sinken.

Verbesserung der Leistungselektronik

Ähnliche Effekte erhoffen sich die Bosch-Entwickler von der Verbesserung der Leistungselektronik. Werde die optimiert, ließe sich mit der gleichen Batteriekapazität deutlich weiter fahren. Und gerade bei Kleinwagen könnten preisgünstige und leichte Festkörper- statt Lithium-Ionen-Batterien der E-Mobilität den Durchbruch bringen, sagt Pillin. Bis Ende des Jahres wollen die Schwaben zudem entscheiden, ob sie auch bei der Zellfertigung mit einer eigenen Fabrik loslegen.

In Richtung Energieeffizienz gehen auch die Entwicklungen bei Mahle: "Thermomanagement ist inzwischen unser wichtigstes Geschäftsfeld", sagt Ottmar Scharrer, Bereichsleiter zentrale Forschung und Vorausentwicklung. Sein Unternehmen konzentriert sich darauf, die Akkus immer optimal zu kühlen oder wärmen. Die Batterie sei da ähnlich gepolt wie der Mensch: Unter zehn und über vierzig Grad lässt die Leistung nach. Deswegen gehe es darum, die Batterien in diesem Zustand zu halten.

Aber es geht auch um einen Kulturwandel beim Kunden, sind sich die Experten einig. EnBW-Manager Sillober erklärt: "Aus dem Verbrennungsauto kennt der Fahrer es so: Ist der Tank fast leer, wird wieder randvoll gefüllt; das E-Auto sollte dagegen idealerweise immer in einem guten Ladezustand gehalten werden." Deswegen müsse noch viel mehr in Ladestationen überall in den Städten investiert werden, gestützt von Hochgeschwindigkeits-Ladern an den Autobahnen. Da sieht Koordinator Loogen schon jetzt in seiner Region und Ende des Jahres in Gesamtdeutschland die Hausaufgaben gemacht. Auch Daimler investiert in ein europaweites Schnellladenetz - und mit den Energieversorgern gibt es ein gemeinsames Abrechnungssystem ähnlich wie beim Mobilfunk-Roaming.

An einer Stelle allerdings hat alle Gemeinsamkeit ein Ende, so Bosch-Mann Pillin: Wie genau die Hersteller ihre Batterien in die Fahrzeuge und deren Antriebsstruktur packen, das werde jeder für sich entwickeln. Denn diese Systeme seien das, was bisher Kolben, Zylinder oder Einspritzsysteme im Autobau bedeuten - der entscheidende Leistungsunterschied. Und da lässt kein Hersteller einen Blick in die Karten zu. Nicht mal unter Schwaben.

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