_ Herr Arnaud, Sie haben insgesamt 15 Jahre Erfahrung im Leasing- und Flottengeschäft, seit Mitte September verantworten Sie das Gewerbekundengeschäft für Maserati in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Welche Eindrücke haben Sie dort bislang gesammelt?
Vincent Arnaud: Die Stimmung ist gut. Mit dem Ghibli hat Maserati im Flottenbereich eine gute Basis geschaffen. Und mit Blick auf unser neues SUV Levante, das wir auf dem Genfer Salon vorstellen werden, sind wir auch weiterhin sehr optimistisch. An das Fahrzeug haben wir hohe Erwartungen, und ich denke, dass es diese auch erfüllen wird. Schließlich geht es hier um ein Segment, das im Flottenbereich noch größer ist als das der Sportlimousinen, in dem der Ghibli angesiedelt ist.
_ Bevor wir näher auf Ihre Modellstrategie eingehen: Wie möchten Sie Maserati im Flottenbereich in Zukunft generell aufstellen?
V. Arnaud: Natürlich wollen wir das, was wir bereits erreicht haben, weiter vorantreiben. In den ganz großen Flotten, aber auch bei den User-Choosern. Wir sehen in vielen Branchen für uns das Potenzial, User-Chooser anzusprechen. Nehmen Sie zum Beispiel Unternehmensberatungen, Wirtschaftsprüfer oder Versicherer. Dort gibt es eine Zielgruppe für unsere Modelle. Darüber hinaus werden wir unsere Kooperationen mit den Leasinggesellschaften vorantreiben. Letztlich möchten wir, dass unsere Händler ihren Gewerbekunden ein Gesamtpaket aus Finanzierung und Full-Service-Leasing anbieten können.
_ Auf welche Resonanz stoßen Sie bei den Unternehmen? Grundsätzlich ist ein Maserati ja nicht in jeder Car Policy erlaubt.
V. Arnaud: Das ist richtig. Wir haben sicherlich mit der Struktur vieler Car Policies zu kämpfen. Aber wir merken auch, dass der Druck durch die Dienstwagenfahrer immer größer wird und dass immer mehr Firmen auf uns zukommen. Das habe ich zum Beispiel auf der IAA gespürt. Immer mehr Menschen betrachten Maserati als gute Alternative zu deutschen Premiummarken.
Franco Marianeschi: Die Marke Maserati ist stark, aber wie bereits gesagt: Für viele Unternehmen ist es noch eine Hürde, Maserati in die Car Policy aufzunehmen. Zwar sind wir unter TCO-Gesichtspunkten gut vertreten und nicht viel teurer als ein entsprechendes deutsches Modell. Aber unser Image ist einfach ein bisschen anders. Natürlich sprechen wir gezielt auch große Kunden an, die offen für uns sind. Aber gleichzeitig versuchen wir, andere Kunden von Maserati zu überzeugen, zum Beispiel durch Präsenz auf Autoausstellungen oder Flottenveranstaltungen. Dort wollten wir vermitteln, dass unsere Leasingraten durchaus vergleichbar sind mit denen deutscher Modelle. Das war das Ziel, und das haben wir nach und nach geschafft.
_ Sind die Leasinggesellschaften genauso offen für die Marke Maserati?
V. Arnaud: Sie sind offen. Zumal wir uns auf die Gespräche intensiv vorbereiten: Wie beim Ghibli werden wir auch vom Levante bereits vor dem Marktstart diverse Restwertstudien durchführen. Das ist eine gute Basis für die Kommunikation mit den Leasinggesellschaften.
F. Marianeschi: Als wir den Flottenbereich bei Maserati vor zweieinhalb Jahren gegründet haben, stand gerade der Ghibli Diesel in den Startlöchern. Uns war klar, dass ein Großteil der Verkäufe dieses Modells auf gewerbliche Kunden entfallen würde. Also haben wir als Erstes für fünf Märkte Analysen durchgeführt, um zu prüfen, wie wir positioniert sind. Eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Analysen war: Wir werden nicht verstärkt in den Autovermietermarkt einsteigen. Denn damit hätten wir die Restwerte unter Druck gesetzt. Lieber verkaufen wir weniger Einheiten.
_ Konnten Sie diese Strategie konsequent umsetzen?
F. Marianeschi: Lediglich in Deutschland haben wir eine etwas größere Stückzahl Ghibli Diesel an Autovermieter geliefert, dies hatte allerdings vor allem Marketinggründe: Der Vermieter hat die Autos zum Beispiel drei Monate lang am Frankfurter Flughafen ausgestellt. Das ist natürlich eine sehr gute Plattform.
_ Welche Auswirkungen hatte das auf die Restwerte?
F. Marianeschi: Keine. Wir saßen unlängst mit EurotaxSchwacke zusammen. Die Restwerte des Ghibli Diesel sind demnach 2015 um drei Prozentpunkte von 41 auf 44 Prozent gestiegen. Letztlich sind diese Werte Basis für unser gesamtes Flottengeschäft: Wir haben sie den Leasinggesellschaften kommuniziert, aber auch unseren Händlern.
_ Nun konnten Sie Ihre Flottenzulassungen in Deutschland 2014 annähernd verdreifachen, 2015 gingen sie um ungefähr 20 Prozent zurück. Was ist der Grund für diese Entwicklung?
F. Marianeschi: Der Hauptgrund ist das bereits erwähnte Geschäft mit dem Autovermieter. Die Fahrzeuge wurden im letzten Jahr noch in einem anderen Kanal zugelassen. Wenn wir die Zahlen derart bereinigen, befinden wir uns heute ungefähr auf Vorjahresniveau. Natürlich könnten wir auch in diesem Jahr hunderte Autos mehr über diesen Kanal verkaufen. Das wollen wir aber nicht. Und beim Verkauf an Leasinggesellschaften liegen wir 2015 mehr als zehn Prozent über Vorjahr.
_ Maserati verfügt in Deutschland aktuell über 29 Vertriebs- und Servicestandorte. Wie betreuen Sie Ihre Flottenkunden mit diesem Netz?
V. Arnaud: In den wichtigen Ballungszentren sind wir vertreten. Also dort, wo unsere Kunden sind. Die weiteste Strecke, die ein Kunde aus dem ländlichen Raum in einem dieser Ballungszentren zurücklegen muss, sind 80 Kilometer. Außerdem bieten unsere Partner Hol- und Bringservices an. Aber Fakt ist auch: Unser Händlernetz wird wachsen. Mittelfristig werden wir sicherlich wieder an etwa 35 Standorten in Deutschland präsent sein.
_ Wenn wir uns die Maserati-Modellstrategie anschauen, sticht in nächster Zeit vor allem das SUV Levante hervor, mit dem Sie Ihr Produktportfolio erweitern.
V. Arnaud: Richtig, mit dem Levante werden wir erstmals das SUV-Segment besetzen. Wir werden den Levante im März auf dem Genfer Automobilsalon erstmals der Öffentlichkeit vorstellen, die ersten Auslieferungen erfolgen dann im Mai.
_ Wie werden Sie den Levante positionieren?
V. Arnaud: Der Levante wird unsere Alternative zu Porsche Cayenne, BMW X6 oder Mercedes GLE Coupé sein. Der Netto-Einstiegspreis wird voraussichtlich zwischen 60.000 und 63.000 Euro betragen. Der Levante wird ein sportliches SUV, zur Markteinführung starten wir mit V6-Benzinern mit 350 und 430 PS, im Sommer folgt als Basis-Motorisierung dann der aus dem Ghibli bekannte V6-Diesel mit 275 PS. Das Automatikgetriebe stammt von ZF, und Allrad-Antrieb wird in jedem Levante serienmäßig sein.
_ Inwiefern hat Maserati bei der Entwicklung des Levante vom Technikbaukasten des Fiat-Chrysler-Konzerns (FCA) profitiert?
V. Arnaud: Wenn Sie darauf hinauswollen, ob der Levante baugleich ist mit dem Jeep Grand Cherokee, können wir ganz klar sagen: Das ist nicht so. Natürlich gibt es Synergieeffekte beispielsweise beim Einkauf wie bei vielen anderen Konzernen auch.
F. Marianeschi: Es gab vor einiger Zeit tatsächlich Pläne, innerhalb des Konzerns stärker zusammenzuarbeiten. Dann fiel aus Gründen der Markenphilosophie aber die Entscheidung, dass alle Maserati in Italien designt, entwickelt und gebaut werden. Die Idee dahinter ist: Ein Maserati muss eigenständig in Italien entstehen und nicht irgendwo auf der Welt als Kopie eines anderen Autos.
_ Wie wird sich die übrige Modellpalette entwickeln?
F. Marianeschi: Natürlich wird es auch Nachfolger für den GranTurismo und das Gran-Cabrio geben. Wann das der Fall sein wird und welche Autos das genau sein werden, können wir derzeit noch nicht sagen. Dazu kommt natürlich auch die permanente Modellpflege von Ghibli und Quattroporte, die ja erst seit 2013 auf dem Markt sind.
_ Sollte Alfa Romeo wieder in oberen Segmenten aktiv werden: Wie werden sich Maserati und Alfa Romeo dort, wo es Überschneidungen gäbe, voneinander abgrenzen?
F. Marianeschi: Maserati ist komplett getrennt von den weiteren Marken des FCA-Konzerns. Wir können also nicht für Alfa Romeo sprechen. Und wir können auch nichts zur Modellplanung von Alfa Romeo sagen. Aber: Die Marken sind schon sehr unterschiedlich positioniert.
_ Welche Priorität besitzen alternative Antriebe bei Maserati?
F. Marianeschi: Allein schon die Gesetzgebung macht es erforderlich, dass man als Automobilhersteller hier aktiv ist. Maserati wird voraussichtlich Anfang 2018 einen Plug-in-Hybrid einführen, aller Voraussicht nach im Levante.
Später folgen Quattroporte und Ghibli, beide Baureihen sind bereits heute technisch dafür ausgelegt. Ein reines Elektrofahrzeug würde dagegen nicht zur Marke passen.
_ Eine weitere Herausforderung ist die Entwicklung autonom fahrender Autos. Ist das eine Thema für Maserati?
V. Arnaud: Nein, das widerspricht ganz klar unserer Marken-DNA. Natürlich gibt es auch bei uns Assistenzsysteme, die den Fahrer unterstützen. Aber ansonsten steht Maserati für aktives Fahren, für ein automobiles Erlebnis. Dazu passt ein rein autonomes Fahren aus unserer Sicht nicht.
_ Herr Marianeschi, Herr Arnaud, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Christian Frederik Merten
- Ausgabe 02/2016 Seite 44 (152.0 KB, PDF)