_ Frau Wingfield, Sie arbeiten seit 23 Jahren im BMW-Konzern, und seit Jahresbeginn stehen Sie an der Spitze von Alphabet. Welche Erwartungen haben Sie zu Beginn an Alphabet und Ihre neue Aufgabe gestellt?
Interessanterweise habe ich in meiner gesamten Zeit bei der BMW Group überwiegend im Finanzdienstleistungsbereich gearbeitet. Zunächst in Südafrika, dann in Kanada und nun in Deutschland in verschiedenen Aufgabenbereichen. Als ich zu Alphabet kam, erwartete ich, dass das Flottengeschäft bei Alphabet genauso läuft wie normale Finanzdienstleistungen - mit einem Kunden, der ein Auto leasen möchte und der vielleicht ein oder zwei weitere Produkte dazubucht. Ich wurde hier im Großkundengeschäft dann sehr positiv überrascht: Die Produkte und Angebote besitzen eine unglaubliche Tiefe und bieten viel mehr Inhalte als ich erwartete. Kurz gesagt: Ich finde es toll, dass ich nach 23 Jahren im Konzern wieder etwas komplett Neues lerne.
_ Der Zeitpunkt Ihres Einstiegs bei Alphabet hätte besser kaum sein können. Der Flottenmarkt brummt, und auch Alphabet selbst entwickelte sich mit einem Wachstum von 7,3 Prozent bei den Bestandsverträgen und zehn Prozent mehr Neuverträgen im letzten Jahr sehr positiv. Wie geht es aktuell weiter?
Richtig, 2014 haben wir Rekordwerte erzielt und jetzt arbeiten wir intensiv an unseren Zielen für 2015. Und auch wenn wir konkrete Zahlen für dieses Geschäftsjahr erst im nächsten Jahr nennen können: Wir werden unsere Ziele erreichen. Wir hatten in den vergangenen Monaten ein sehr gutes Neuvertragsvolumen, oft besser als die Entwicklung des Gesamtmarktes. Natürlich müssen wir unsere Arbeit noch bis zum letzten Tag des Jahres machen. Aber es läuft gut und ich bin so optimistisch zu sagen: Dieses Jahr wird ein neues Rekordjahr.
_ Welche Ansätze verfolgen Sie denn konkret, um Ihre Position im Wettbewerb auszubauen?
Wenn ich über Ziele spreche, geht es im Kern um drei Dinge. Erstens, wie gewinnen wir neue Kunden und wie betreuen wir unsere Bestandskunden optimal. Bei unserer Neukundenstrategie geht es zum Beispiel um Segmente wie das Transportergeschäft oder auch um die Zielgruppe kleinerer Flotten. In diesem Zusammenhang sprechen wir viel über neue Produktangebote wie unser Corporate-Carsharing-Angebot AlphaCity oder AlphaElectric, unsere umfassende Lösung für Elektromobilität. Zweitens habe ich unsere Leasing-Dienstleistungen im Blick: Ihr ständiger Ausbau ist ein Ziel für die nächsten Jahre. Und drittens geht es mir um unsere Prozesse: Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt. Und unsere Aufgabe ist es, unsere Leistungen und unsere Kommunikation für ihn ebenso einfach wie effizient darzustellen. Wir möchten ein Partner für den Fuhrparkentscheider sein und ihn bestmöglich bei seinen Aufgaben unterstützen. Das sehe ich als enormen Wettbewerbsvorteil. Hier kommt uns unsere dezentrale Organisation entgegen. Wir haben sieben Geschäftsstellen deutschlandweit und sind so besonders nah am Kunden. Zudem stellen wir seit 2012 ein eigenes Team für Behörden zur Verfügung. Der Kunde hat bei uns einen festen Ansprechpartner, der ihn betreut und seine Belange kennt.
_ Ein weiteres Alphabet-Ziel ist ja auch die Schaffung intermodaler Mobilitätsangebote. Wie weit sind Sie auf diesem Gebiet?
Wir haben Mitte Oktober den neuen Alpha-Guide in Deutschland auf den Markt gebracht, unsere Service-App für mehr Mobilität. Die erste Version des AlphaGuide wurde bereits vor fünf Jahren online geschaltet und wir waren damals der erste Leasinganbieter, der den mobilen Zugang zu allen Services ermöglicht hat. Nun haben wir ihn anhand der Mobilitätsbedürfnisse der Nutzer weiterentwickelt und bauen ihn fortwährend zu einem umfassenden Mobilitäts-Tool aus. Der Nutzer kann zum Beispiel seinen Kalender mit dem AlphaGuide verknüpfen und sich so eine persönliche Mobilitätsagenda für den Tag erstellen. Dank der integrierten Erinnerungsfunktion, die übrigens auch per Apple Watch funktioniert, kommt er nicht zu spät zum nächsten Termin. Wenn ich zu unseren Alphabet-Kollegen in den Niederlanden blicke, sehe ich eine weitere interessante Entwicklung: Hier steht Kunden ein so genanntes Mobility Budget zur Verfügung. Über diesen Weg bekommt der Mitarbeiter monatlich einen Betrag, den er für Mobilitätszwecke nutzen kann - egal ob per Fahrrad, Carsharing, Zug oder Flugzeug. An dieser Idee sieht man, in welche Richtung sich die Branche entwickeln kann.
_ Welche weiteren Funktionen planen Sie darüber hinaus für Ihre App?
Mit dem AlphaGuide unterstützen wir sowohl den Fahrer als auch den Fuhrparkmanager. Zum Beispiel erhalten Fahrer eines Alphabet-Leasingfahrzeugs Zugriff auf alle wichtigen Vertragsinformationen. Zudem bietet die App eine Werkstatt-, Ladesäulenund Tankstellensuche. Es ist auch ein umfassendes Unfall-Reporting im Schadenfall möglich: Nach einem Unfall kann man über die App zum Beispiel Fotos der Schäden hochladen oder die Daten des Unfallpartners aufnehmen. Noch in diesem Jahr werden wir auch die Führerscheinkontrolle über unsere mobile Plattform abbilden. Intelligente Bildverarbeitungstechnologien prüfen dabei sicher und zuverlässig die Echtheit des Führerscheins. Mit dieser mobilen Lösung sind Fahrer nicht mehr an Führerscheinkontrollstationen gebunden. Diesen Weg können sich unsere Kunden also zukünftig sparen. Der enge Kontakt mit unseren Fuhrparkmanagern und Fahrern ist uns wichtig - die Entwicklung des AlphaGuide bleibt daher dynamisch. Im nächsten Jahr werden wir das mobile Serviceangebot konsequent ausbauen.
_ Können Sie etwas zu Ihrer derzeitigen Kundenstruktur sagen?
In Deutschland sind unsere Kunden vor allem Großkunden mit 50 und mehr Fahrzeugen sowie Mittelständler. Neukunden wollen wir nun künftig verstärkt in kleinen und mittleren Flotten gewinnen. Da sehen wir große Chancen für uns. Denn diese Kunden wünschen sich einen Dienstleister - und alle Produkte und Services aus einer Hand. Und das können wir wirklich sehr gut, so wie wir bereits bewiesen haben. Vor allem auch in unserer Eigenschaft als All-Brand-Captive: Stellen Sie sich einen Fuhrpark mit 20 Fahrzeugen vor, mit zwei Premiumfahrzeugen für die Geschäftsführer und ansonsten einer Mischung aus Volumenmarken und Transportern inklusive ausgewählter Services: Da haben wir die passenden Angebote.
_ Wie teilt sich der Alphabet-Fahrzeugbestand denn derzeit auf?
Ungefähr die Hälfte unserer Fahrzeuge sind Marken des BMW-Konzerns. Bei den restlichen 50 Prozent machen Fahrzeuge der Marken Volkswagen, Ford und Opel den größten Bestandsanteil aus.
_ Jetzt sagten Sie, dass Sie auch das Transportergeschäft ausbauen möchten ...
Genau. Derzeit machen Transporter etwa fünf Prozent unseres Fahrzeugbestands aus.
Diesen Wert möchten wir erhöhen. Und ich bin überzeugt, es gibt noch mehr Kunden, die wir in diesem Segment für uns gewinnen können. Wir sind da auch gut aufgestellt. Unsere Kunden haben ganz individuelle Anforderungen an ihre Fahrzeuge, daher unterstützen wir sie intensiv bei der Wahl der richtigen Aufbauten und weiterer spezifischer Transporter-Lösungen. Bei den Auf- und Einbauten arbeiten wir mit den gängigen Herstellern wie Sortimo, Bott oder Würth zusammen - diese Ausstattungen sind dann auch restwertfähig. Und natürlich: Wenn ein Transporter-Kunde einen Wunsch äußert, den wir noch nicht erfüllen können, dann werden wir dem definitiv nachgehen.
_ Seit Ende 2014 bieten Sie Ihren Kunden auch eine eigene Versicherungslösung an. Wie ist dort der aktuelle Stand?
Innerhalb von neun Monaten konnten wir bereits eine Vielzahl an Kunden für unser Kasko-Eigentragungs-Produkt "Schadendeckung" gewinnen. Wir gehen davon aus, dass jetzt im vierten Quartal, in dem der Wechsel des Versicherers möglich ist, noch mehr Bestandskunden zu diesem Produkt wechseln. Das Produkt gibt es ausschließlich für von uns verleaste Fahrzeuge. Die Haftungsbefreiung von Voll- und Teilschadendeckung bieten wir dabei in Eigenregie an, das Haftpflichtangebot decken wir über andere Versicherer ab. Der Vorteil für den Kunden liegt im Wegfall der 19 Prozent Versicherungssteuer und auch in der individuellen Berechnung des Aufschlags auf die Leasingrate. Schließlich wissen wir ja, wie viele und welche Schäden die Kunden in den letzten Jahren gemeldet haben. Zu dem Produkt gehören übrigens auch Schadenmanagement inklusive Schadenberatung und -prävention: Wer zum Beispiel überdurchschnittlich oft Schäden meldet, dem bieten wir auch Fahrertrainings an. Mit unserem Schadenmanagement können wir unseren Kunden eine schnelle, effiziente und persönliche Betreuung im Schadenfall garantieren. Und mit unserem Online-Reporting-Tool sehen sie in Echtzeit, wie beispielsweise der aktuelle Schadenstatus ist.
_ Wie ist der Stand Ihres Carsharing-Angebotes AlphaCity?
In Deutschland haben wir derzeit etwa 10.000 registrierte Nutzer für AlphaCity, die seit Produktlaunch vor vier Jahren insgesamt bereits über sechs Millionen Kilometer in Deutschland zurückgelegt haben. Und in ganz Europa kann man beinahe täglich die steigende Akzeptanz der Sharing Economy und damit auch des Carsharings beobachten. Wir machen die Erfahrung, dass immer mehr Unternehmen sagen: Ich brauche keine Autos, die den ganzen Tag in der Tiefgarage stehen. Schließlich können Carsharing-Autos von mehreren Mitarbeitern und auch von Mitarbeitern ohne Dienstfahrzeug genutzt werden. AlphaCity-Fahrzeuge können zudem - gegen eine Gebühr - privat gebucht werden, was die Auslastung der Flottenfahrzeuge deutlich erhöht. Carsharing funktioniert also und unterstützt Unternehmen in einem effizienten und flexiblen Fuhrpark.
_ Das klingt ein wenig wie der Abgesang auf den klassischen Dienstwagen.
Nein. Sicherlich werden Carsharing-Fahrzeuge in Zukunft einen Teil der Unternehmensfuhrparks ausmachen. Aber Außendienst-Verkäufer werden weiterhin ein persönliches Dienstfahrzeug haben. Corporate Carsharing wird ein flexibler Teil der Flotte sein, den bestimmte Mitarbeiter mit bestimmten Aufgaben zu bestimmten Zeiten als Dienstfahrzeug nutzen.
_ Frau Wingfield, herzlichen Dank für das Gespräch.
Interview: Christian F. Merten
- Ausgabe 11/2015 Seite 64 (123.6 KB, PDF)