Ein Ass im Ärmel
Integration | Vor einem Jahr hat Garmin den deutschen Konkurrenten Navigon gekauft. Jetzt nimmt die neue Struktur Konturen an.
— Ein Routenführungspfeil in Orange oder doch lieber im gewohnten Magenta? Was bei einigen aktuellen Garmin-Navis auf den ersten Blick wie das nette Gimmick eines Entwicklers wirkt, hat für das 1989 gegründete Unternehmen eine große Bedeutung. Schließlich manifestiert sich anhand des sogenannten Navigon-Karten-Themas, dass die Integration von Navigon Schritt für Schritt vorangeht. Und sich der Player für Ideen des Ex-Konkurrenten öffnet – auf Wunsch Orange statt Magenta eben.
Mit Folgen für den Markt von mobilen Navigationsgeräten. Denn rund ein Jahr, nachdem die zuständigen Kartellbehörden grünes Licht für die Übernahme gegeben haben, und sechs Monate, nachdem das neue europäische Technologiezentrum namens Garmin Würzburg an den Start ging, bestätigte Stefan Bernard das Aus der Navigon-Navis. „Es wird in Zukunft keine neuen Navigon-Navigationsgeräte mehr geben, die Apps bleiben aber weiter im Programm“, sagte der Geschäftsführer von Garmin Deutschland im Gespräch mit Autoflotte.
Bestandsgarantie | Somit verschwindet auch der zwischenzeitlich verpasste Produktzusatz „Navigon: A Garmin Company“ von der Bildfläche. Doch Flottenchefs, die derzeit ihre Servicefahrzeuge oder Transporter mit einem Navigon-Lotsen von A nach B schicken, brauchen nun nicht in Panik zu geraten, was Support, Service und Karten-Updates angeht – das übernimmt der neue Eigentümer.
Ingenieurskunst | Drei Gründe habe es, so Bernard, damals für den Kauf des 1991 in Hamburg gegründeten Navigationsspezialisten gegeben: einerseits das deutsche Ingenieurswissen im Bereich der Personal Navigation Devices, kurz PND; andererseits das Geschäft mit den Autobauern oder den sogenannten OEM sowie der „schnelle Zugang zum Mobile Application Business“.
Alle Innovationen fließen nun in die neuen Garmin-Produkte, deren Marktstart für Ende des Jahres 2013 im Kalender steht. „Da werden wir demnächst ganz tolle Produkte sehen“, erklärte Peter Schubert, Vice President Automotive bei Garmin Würzburg.
Das Ziel: eine neue Navigationsarchitektur – das Beste aus beiden Welten. „Die Garmin-Produkte werden noch europäischer werden“, betonte Bernard mit Verweis auf die neue Ideenschmiede in Würzburg. Aufmerksame Besucher der Fachmesse IFA bekommen erste Features vermutlich schon Ende August in Berlin zu sehen.
Engineering vor Ort | Insbesondere die heimischen Autobauer dürften diese Nähe schätzen. „Im OEM-Geschäft ist es von elementarer Bedeutung, dass man einen Entwicklungsstandort vor Ort hat. Das ist ein ‚Must have‘“, so Schubert, der bei Navigon fünf Jahre lang für die weltweiten Aktivitäten im Automotive-Bereich verantwortlich zeichnete. Sein Hauptkunde seit der Übernahme: der Volkswagen-Konzern.
Bereits im September vergangenen Jahres hatte Cliff Pemble, President und COO bei Garmin, angekündigt, dass die weltweite Automotive-OEM-Infrastruktur strategisch ausgebaut werden solle.
Wie viel Know-how der global agierende Navigationsprofi den Autobauern zur Verfügung stellen kann, zeigt exemplarisch das über eine spezielle Halterung am Armaturenbrett befestigte Infotainment- und Navigationssystem „maps + more“ im Kleinstwagen VW up!. Neben dem praktischen Lotsen bietet das optionale System Features wie Car Info, Think Blue Trainer und Mediamenü. Auch eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung darf nicht fehlen.
Smartphones | Wären wir bei Übernahme-grund Nummer drei, den Smartphones. Eine drohende Konkurrenz? Deutschland-Chef Bernard: „Es gibt eine Koexistenz.“ Das Navigieren mit Apple iPhone & Co. eigne sich eher für die spontane Navigation, aber natürlich stelle man sich dem Smartphone-Trend und der Nachfrage nach mobilen Navi-Apps. Deshalb auch die Übernahme. „Da ist Navigon eine sehr, sehr starke Marke“, sagte Bernard.
Apropos Trend. Seit März dieses Jahres verkauft Garmin Deutschland hierzulande mehr Fünf-Zoll-Geräte als 4,3-Zoll-Pendants. Komfort scheint den Kunden, zu denen künftig auch ehemalige Navigon-Fans zählen sollen, wichtig zu sein. Spricht eher gegen ein Smartphone samt Halterung.
| Patrick Neumann
Absatz | 100-Millionen-Marke geknackt Anfang Mai war es so weit: Das 100-millionste Produkt aus dem Hause Garmin ging in Kundenhand über. Allein in den vergangenen fünf Jahren erfreuten sich Nüvi & Co. immer größerer Beliebtheit: Sage und schreibe 75 Millionen Mal entschieden sich die Käufer in diesem Zeitraum für ein Garmin-Produkt. Der Navigationsprofi, der eigenen Angaben zufolge globaler Marktführer im Bereich mobiler Navigationslösungen ist, wurde im Jahr 1989 von Gary Burrell und Dr. Min Kao aus der Taufe gehoben. Die weltweit 8.500 Mitarbeiter erwirtschafteten im ersten Quartal 2012 einen Umsatz von 557 Millionen US-Dollar – verglichen mit dem Vorjahreszeitraum ein Plus von zehn Prozent. Seit der Gründung des Unternehmens sei man profitabel, heißt es in einer Mitteilung.
- Ausgabe 8/2012 Seite 81 (255.5 KB, PDF)