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Teure Flottenversicherung: Die Stunde der Telematik naht

13.12.2024 07:58 Uhr | Lesezeit: 2 min
Telematik
Telematik im Fahrzeug.
© Foto: Fraunhofer

Die Flottenversicherung steht vor einer Sanierungswelle. Die Versicherer erhöhen die Prämien deutlich. Flottenbetreiber können den Druck mit moderner Telematik mindern.

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Einen echten Offenbarungseid des größten Flottenversicherers hier in Deutschland gab es jetzt auf einer öffentlichen Tagung. "Wir wissen viel zu wenig über die Ausstattung von Flotten", sagte Christian Sahr, Leiter des Allianz Zentrums für Technik (AZT), auf dem 12. Allianz Autotag.

Daher wolle man nun den Datenaustausch mit Flottenbetreibern intensivieren. "Wir wollen künftig mit den Flottenbetreibern sprechen und Einfluss darauf nehmen, welche Fahrzeuge angeschafft werden", sagte Sahr. Flotten mit einer höheren Sicherheitsausstattung würden günstigere Versicherungsprämien erhalten.

Technik verhütet Schäden

Das AZT und die hinter ihm stehende Allianz Versicherung setzen ganz stark bei der Schadenverhütung auf neue Assistance-Systeme. So könnte ein Drittel aller Unfälle mit Lkw in Städten mit einem aktiven Abbiegebrems-Assistenten vollkommen vermieden werden. Bei Kleintransportern könnte ein Drittel aller Unfälle mit Fußgängerinnen und Fußgängern beim Rückwärtsfahren aus Grundstücken oder Einfahrten verhindert werden, wenn ein aktiver Einpark-Assistent an Bord wäre. Sahr: "Das System funktioniert ja auch beim Rückwärtsfahren und bringt den Wagen zum Stillstand."

Aufgeschreckt wurde die Assekuranz durch eine eigene Umfrage. So schaltet die Hälfte aller Fahrer von Lkw und Kleintransporter ihre Fahrerassistenzsysteme "häufig oder manchmal" aus. Die Systeme seien "unpraktisch", "störend" oder "unnötig" oder "funktionieren teilweise nicht richtig". So das Ergebnis einer repräsentativen Online-Erhebung des AZT, bei der 2024 in Deutschland 5.315 Autofahrer befragt wurden.

Nun will die Allianz, dass künftig die Sicherheitsausstattungen für schwere Fahrzeuge über den aktuellen gesetzlichen Standard hinausgehen sollen. Statt wie vorgeschrieben nur warnende Systeme einzusetzen, sollten die Sicherheits-Tools immer aktiv sein. "Wenn sie mal ausgeschaltet werden mü??ssen? ? es gibt solche Situationen, sonst komme ich zum Beispiel nicht in eine Garage rein ? dann müssen sie aber nach einem kurzen Zeitraum wieder automatisch eingeschaltet werden", fordert Sahr.

Der technische Ansatz des Versicherers dürfte richtig sein, um viele Unfälle zu verhüten, doch die Umsetzung dürfte für Flottenbetreiber sehr teuer werden. Zudem: Sie kommt vielfach zu spät. Denn die Versicherer machen derzeit enormen Druck auf den Flottenschutz. "Der Großteil der Versicherer fordert allgemeine Beitragsanpassungen auch für gut verlaufende Flotten im zweistelligen Prozentbereich, für schadenträchtige Flotten werden regelmäßig mindestens 20 bis teilweise deutlich über 100 Prozent gefordert", sagt Kristin Russow, Leiterin Kraftfahrtversicherung beim Versicherungsmakler Marsh Deutschland. "Die Kundinnen und Kunden müssen mit satten Prämienanpassungen rechnen", bestätigt Thomas Haukje, Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler (BDVM). "Ich gehe davon aus, dass ein weiteres Jahr alle Flotten am Markt ausgeschrieben werden", so Haukje. Grund sei, dass auch Kfz-Fuhrparks mit geringem Schadenaufwand, also guten Schadenquoten, im nächsten Jahr mehr bezahlen müssten.

Schaden-Inflation: Milliarden Verluste

Die Ursache für die branchenweiten Erhöhungen ist die extreme Schaden-inflation. Daher verlangt sogar die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Preise in der Autoversicherung anzupassen. Die Kfz-Versicherer verzeichnen laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2023 einen Verlust von circa 3,3 Milliarden Euro. Für 2024 liegt die Prognose bei einem Minus von 2,4 Milliarden Euro.

Bis April 2024 sind die Preise für die Kfz-Versicherung schon um über 24 Prozent gegenüber dem Jahresanfang 2023 gestiegen. Das hat die General Reinsurance Corporation (Gen- Re) ermittelt. "Der Markt hat reagiert und die Prämien sehr deutlich angepasst", so Marco Morawetz, Head of Consulting bei der GenRe. Nach einer Modellrechnung der Kölner Rating-Agentur "Assekurata" müsste der gesamte Markt für 2025 die Prämien um weitere 18 Prozent erhöhen, um ein Minus zu vermeiden. Versicherer, die mit der Autoversicherung Geld verdienen wollen, müssen noch härter an der Preisschraube drehen.

Fazit: Flottenunternehmen müssen nun proaktiv handeln, ihre Risiken realistisch einschätzen und ein umfassendes Schaden- sowie Risk-management nutzen, damit sie künftig bessere Konditionen im Kfz-Versicherungsmarkt erzielen können.

Doch in der Realität wissen viele Flottenbetreiber viel zu wenig über ihre Schäden. "Auswertungen über Schadentag, Uhrzeit, Ort sind nicht geeignet, um zu klären, wie die Schäden entstanden sind", sagt Michael Grassée vom Flotten-Assekuradeur Hector Global, der ein Joint Venture zwischen dem Autoversicherer Newcomer Neodigital Versicherung und dem etablierten Industrieversicherer HDI ist. Mithilfe digitaler und automatisierter Prozesse erstellt die Plattform Hector Digital im Namen von HDI Angebote und Anträge für Kunden direkt am Point of Sale. Als Assekuradeur regelt Hector Digital auch Schäden bis zu einer bestimmten Größenordnung im Namen von HDI. Nach Erkenntnis von Grassée würden über 98,9 Prozent aller Flottenschäden durch die Fahrer verursacht. Daher will Hector Global nun die Flottenperformance über eine digitale Steuerung grundlegend verbessern und setzt dabei voll auf Telematik.

Auch auf gut laufende Flotten warten Prämienanpassungen im zweistelligen Bereich. Die Folge werden erneut zahlreiche Ausschreibungen sein.

Experten raten zur Telematik

Damit ist der Vermittler längst nicht mehr allein. "Telematik ist eine gute und präventive Möglichkeit, künftig Schäden durch Analyse der Fahrweise zu verhindern", betont Melanie Frömming, Head of Aon Motor, beim Versicherungsmakler Aon Deutschland. Damit würden die Flottenbetreiber ihr Risiko zudem kennen und transparent machen können.

Das "Kompetenzcentrum Mobility", des größten deutschen Versicherungsmaklers, des Ecclesia Versicherungsdienst aus Detmold, sieht eine ganze Palette von Vorteilen durch Telematik-Systeme in der Flotte:

  • Fahrerverhalten und Sicherheit: Überwachung und Analyse des Fahr-verhaltens zur Verbesserung der Fahrersicherheit und zur Reduzierung von Unfällen, was eine unmittelbare Auswirkung auf die Versicherungsprämie hat.
  • Kosteneffizienz: Optimierung des Kraftstoffverbrauchs und proaktive Wartungsplanung zur Reduzierung von Betriebskosten.
  • Routenplanung: Echtzeit-Tracking und Verkehrsinformationen ermöglichen effizientere Routen und kürzere Lieferzeiten.
  • Compliance und Reporting: Unterstützung bei der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und Bereitstellung detaillierter Berichte.
  • Diebstahlschutz: schnelle Ortung gestohlener Fahrzeuge und Alarmfunktionen bei unbefugtem Zugriff.
  • Umweltfreundlichkeit: Reduzierung von Emissionen durch effizientere Fahrpraktiken und Routenplanung.

Auch der Lkw-Versicherungsmakler Oskar Schunck befürwortet den Telematik-Einsatz. "Entscheidend dabei ist, dass die Telematik-Daten aktiv ausgewertet werden und in Maßnahmen zur Verbesserung des Fahrverhaltens umgesetzt werden", erläutert André Vieregge, Leiter Mobility Services. Auch Markus Breitling, Head of Competence Center Motor, beim Versicherungsmakler Artus Gruppe, sieht Telematik für die Flotte als "sehr nützlich" an. "Schäden werden dadurch besser nachvollziehbar und Aussagen und persönliches Empfinden können ein Stück weit objektiviert werden."

Gleichzeitig hätten Flottenbetreiber die Möglichkeit, Präventiv-Maßnahmen zu ergreifen, die auf den Ergebnissen der Telematik basieren. Auch Marsh-Expertin Russow ist sich sicher, dass mit Telematik ein Risk Management eingeführt werden kann. "Die Daten können die Basis für die Auswertung der Unfallursachen und somit für die Maßnahmenplanung zur Verbesserung der Situation sein."

Die Technik sei längst vorhanden und würde keine Hürde darstellen, betont Frömming von Aon aus Hamburg. Sie sieht aber den Datenschutz als Schwierigkeit an. "So kann die Zustimmung der einzelnen Person oder Entscheidungen aus Sicht der Mitbestimmung ausschlaggebend dafür sein, um Daten zu verarbeiten." Daher hat sich nach Einschätzung von Willis Towers Watson (WTW) Telematik im Flottenbereich bis dato noch nicht durchgesetzt. Der Versicherungsmakler und Berater sieht aber durchaus Ansätze und Anbieter. So verweist er auf das US-amerikanische Unternehmen Samsara, das für Speditionen nützliche Überschneidungen zwischen Riskmanagement und Telematik entwickelt habe. Es soll die Mitarbeiter stark in die Verbesserung der Sicherheit einbeziehen.

Dass der europäische Datenschutz keine unüberbrückbare Hürde ist, möchte nun Stefan Heck von der Nauto Inc. beweisen. Aktuell startet Nauto in den Niederlanden ein Pilotprojekt mit einem Paketversender, der auch in Deutschland aktiv ist. Hier hat es bereits Gespräche mit Uber Technologies Inc., Flix SE für Flixbus und der Allianz Versicherungs-AG gegeben. "Ich rechne damit, dass wir unser System in Deutschland mit ersten Flotten im Jahr 2025 starten werden", sagt Heck. Mit künstlicher Intelligenz (KI) könne man bei Autoflotten einen Großteil schwerer Unfälle vermeiden. "Wir können im Schnitt die Unfallquote um 50 Prozent verringern", behauptet der Nauto-Geschäftsführer.

Telematik: 30.000 Unfälle verhindert

Bei dem Telematik-System wird eine Box im Fahrzeug installiert, die per Kamera den Fahrer und die Straße beobachtet. Ist der Fahrer abgelenkt, erhält er eine leichte Warnung. Sie wird intensiviert, wenn die Ablenkung in einer Gefahrensituation passiert, etwa wenn er kurz vor einer Kreuzung ist, ein Auffahrunfall droht oder Passanten gefährdet werden könnten. "Der Fahrer, der in ein Handy tippt, hat in der Regel nur drei bis vier Sekunden, um auszuweichen. Daher muss die KI die Warnung vier bis fünf Sekunden vorher geben", erläutert Heck. Vor allem Fahrer, die viele Unfälle verursachten, könnten durch die KI massiv positiv im Verhalten beeinflusst werden. Das KI-System sei in den USA mit über fünf Milliarden Kilometern trainiert worden. Heute würden die KI-Telematik-Systeme von Nauto, die auch in Japan im Einsatz sind, 30.000 Unfälle pro Jahr verhindern.

"Nach zwei Tagen im Einsatz sind 80 Prozent der Ablenkungen der Fahrer weg", erläutert Heck. Nach zwei Wochen habe der Fahrer zudem vergessen, dass es das System überhaupt gibt. Je nach Wunsch des Flottenkunden und Fahrers werden die Aufnahmen nicht aufgezeichnet. Heck verweist zudem darauf, dass die Fahrer nicht zu viele Warnsignale erhalten dürfen, damit das System weiterhin akzeptiert wird.

Die Kosten für Kamerabox und KI-Software würden sich pro Fahrzeug auf umgerechnet rund 450 Euro belaufen. "In Deutschland lohnt sich das System für Flottenbesitzer nach acht bis neun Monaten", schätzt der Manager. Mit großen Flotten über 2.000 Fahrzeugen verhandelt Nauto direkt. Bei kleineren Flotten soll das System über Partner, etwa Leasingfirmen und Autoversicherer, eingeführt werden.

Ein KI-gestütztes Warnsystem verspricht, dass nach zwei Tagen im Einsatz 80 Prozent der Ablenkungen des Fahrers verschwunden sind.

Versicherungen: Investitionen lohnen

Kritisch sieht Anton Knitsch, Bereichsleiter Kraftfahrtversicherung bei der Funk-Gruppe, die Telematik. Noch gebe es hier keine positiven Erfahrungen. Sinnvoll sei es, mit den professionellen Flotten-Schadenmanagern zusammenzuarbeiten. Durch die gezielte Steuerung im Kaskoschadenfall ließen sich die Kosten um mindestens 20 Prozent reduzieren. So sollten etwa Glasschäden, die ein reines Geldwechselgeschäft wären, selbst getragen werden. So spare man auch die Versicherungssteuer in Höhe von 19 Prozent. Allein mit diesem Schritt verbessere der Flottenbetreiber seine Schadenfrequenz beim Versicherer. Zudem empfiehlt Knitsch heute die Selbstbeteiligung in Kasko auf 2.500 Euro zu erhöhen. Das spare deutlich Versicherungsbeitrag.

Einig sind sich alle Experten, dass sich ein verstärktes Risk-Management auszahlt. "Ein grober Richtwert für ein professionelles Riskmanagement-Konzept liegt bei etwa 25 bis 30 Euro pro Fahrer und Monat", rechnet Schunck-Experte Vieregge vor. In der Regel amortisieren sich die Investitionen nach sechs bis zwölf Monaten, wenn alle Maßnahmen konsequent umgesetzt würden. Auf den Punkt bringt es der Berater Ralph Feldbauer von RiskGuard: "Schadenverhütung zahlt sich für Flottenbetreiber aus. Jeder investierte Euro wird doppelt oder dreifach wieder eingespielt."


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