_ Herr van Gool, wie wichtig ist der neue Micra für Ihr Flottengeschäft und wie ist die erste Resonanz auf das Auto?
Sascha van Gool: Die Resonanz ist sehr, sehr positiv. Wir haben bis auf den Namen alles verändert und der Micra ist nun ein halbes Segment höher positioniert als früher. Deshalb sprechen wir jetzt zusätzlich zu den Bestandskunden völlig neue Käuferschichten an. Wir hatten in der Vergangenheit ein Angebot im preissensiblen A- bis B-Segment, heute sind wir exakt im B-Segment unterwegs. Da geht es weniger um Basismobilität, sondern um ein kompaktes und funktionales Fahrzeug, bei dem die Kunden nicht auf Ausstattung und Komfort verzichten möchten. Im Flottengeschäft sprechen wir mit dem neuen Micra deshalb weniger die preissensiblen Funktionsfuhrparks an, sondern kleinere Fuhrparks beziehungsweise Kleinunternehmen und Selbstständige, bei denen der Inhaber selbst auch der Fahrer ist.
_ Ganz neu ist die zweite Generation des Leaf. Welche Erwartungen haben Sie an den neuen Stromer?
S. van Gool: Wir haben sehr hohe Erwartungen, die das Auto aber bereits übertroffen hat. Vom ersten Leaf haben wir in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland etwa 6.000 Autos verkauft, für den neuen gibt es jetzt schon 3.000 Bestellungen. Das zeigt uns, dass sich der Leaf zu einem Massenprodukt entwickelt, auch aufgrund der deutlich gestiegenen Reichweite. Die beträgt nach WLTP-Zyklus jetzt maximal 415 Kilometer.
_ Wie hoch ist der Anteil Gewerbekunden an diesen 3.000 Bestellungen?
S. van Gool: Der liegt sehr hoch, aktuell bei über 50 Prozent. Beim Vorgänger waren es allerdings noch 70 bis 80 Prozent.
_ Elektromobilität gewinnt in den Fuhrparks in der Praxis also einen höheren Stellenwert? Oder steigt lediglich das Interesse?
S. van Gool: Lassen Sie mich die Frage so beantworten: Das Interesse steigt in jedem Fall, und zwar sehr konkret. Viele Fuhrparkleiter, mit denen wir sprechen, machen sich ganz explizit auch Gedanken zum Beispiel über die Integration einer Ladeinfrastruktur in ihren Unternehmen. Das ist im Moment sicher noch die Mehrheit. Aber dann gibt es eben auch diejenigen, die wirklich zuschlagen und E-Autos kaufen. Und zwar nicht mehr nur aus idealistischen Gründen wie in der Vergangenheit, sondern aus ganz praktischen Motiven. Das erleben wir zum Beispiel bei Kurierdiensten. Wer sich für einen E-NV200 entscheidet, kann eben auch spätabends noch geräuscharm Pakete ausliefern. Für den urbanen Einsatz sind die Reichweiten ja schon heute mehr als ausreichend. Und wer als Caterer seinen elektrischen Kühltransporter direkt in die Messehalle zur Belieferung steuern darf, spart Umladezeiten und damit Kosten.
_ Wir können uns dann also auch auf einen E-NV400 freuen, nachdem Renault schon mit dem Master Z.E. unterwegs ist? S. van Gool: Die Frage ist naheliegend, ich kann Sie derzeit aber leider nicht beantworten. Nur so viel: Wir schauen uns immer mehrere Optionen an.
_ Welche Nissan-Neuheiten können wir 2018 noch erwarten?
S. van Gool: Unsere Modellpalette ist insgesamt sehr frisch, von daher spielt in diesem Jahr der Leaf die größte Rolle bei uns. Ihn wird es im Laufe des Jahres auch mit einer größeren Batterie geben, genauso wie den E-NV200.
_ Und 2019? Der Juke hat ja schon einige Jahre auf dem Buckel ...
S. van Gool: Lassen Sie es mich so sagen: Der Juke-Lebenszyklus neigt sich dem Ende zu, ja. Und es ist wenig wahrscheinlich, dass wir dieses Segment aufgeben.
_ Aber aus der Kompaktklasse ziehen Sie sich zurück ...
S. van Gool: Wir haben im Juni den Pulsar eingestellt. Aber wir bieten weiterhin Kompaktwagen an. Da ist zum einen der Qashqai, der als kompaktes SUV weiterhin ein Publikumsliebling ist. Dann haben wir den neuen Leaf, der auch ein vollwertiges Auto ist. Und am unteren Ende des Kompaktsegments klopft der Micra an. Deshalb sehen wir keinen Platz für einen Pulsar-Nachfolger.
_ Was Sie in Zukunft aber definitiv nicht mehr anbieten, sind Diesel-Motoren.
S. van Gool: Das ist richtig. Für unsere Pkw-Modelle werden wir ab 2022 keine Dieselmotoren anbieten. Aber auch da werden wir schrittweise vorgehen. Denn mittelfristig wird der Diesel natürlich noch Sinn machen, zum Beispiel für die klassische Außendienstflotte. Diesen Bedarf werden wir bis 2022 auch decken.
_ Hat die Entscheidung etwas mit den drohenden Einfahrverboten in Innenstädte zu tun?
S. van Gool: Nein. Diese Entscheidung haben wir langfristig getroffen, nicht kurzfristig wegen bevorstehender Diesel-Fahrverbote. Vielmehr ist es so, dass Nissan durch die frühe Einführung des Leaf ein wesentlicher Wegbereiter der Elektromobilität ist. Da ist es nur logisch, diesen Weg konsequent weiterzuverfolgen.
_ Werden Sie Langstreckenfahrern künftig als Übergangstechnologie auch Hybrid-Modelle anbieten können?
S. van Gool: Das ist ein denkbares Szenario. Zumal wir diese Technik in Deutschland zwar nicht anbieten, sie im Konzern aber vorhanden und zum Beispiel in Japan oder den USA bereits auf den Straßen ist.
_ Wie entwickeln sich Ihre Business Center weiter?
S. van Gool: Wir haben weiterhin etwa 80 Business Center in Deutschland. Das ist eine Zahl, mit der wir sehr zufrieden sind. Diese Handelspartner entwickeln wir kontinuierlich weiter. Wir haben zum Beispiel vor anderthalb bis zwei Jahren begonnen, den Händlern qualifizierte Adressen zuzuführen, um sie bei der Kundenansprache zu unterstützen.
_ Business-Pakete sind für Sie weiterhin kein Thema?
S. van Gool: Nein. Wir verschließen uns diesen Paketen nicht. Aber wir sehen zwischen unseren eng gestuften Ausstattungslinien auch aktuell keinen Raum dafür.
_ Wie weit sind Ihre Überlegungen schon in Sachen "vernetzte Mobilität" gereift?
S. van Gool: Wir denken intensiv über dieses Thema nach. Und wenn wir von Corporate Carsharing sprechen, stehen wir auch schon kurz vor dem Roll-out eines Produkts. Das wird kein Car2Go von Nissan sein, sondern ein geschlossenes Carsharing-Produkt, das Flottenkunden ihren Mitarbeitern anbieten können. Ein konkretes Startdatum kann ich Ihnen aber leider noch nicht nennen.
_ Herr van Gool, herzlichen Dank für das Gespräch.
Interview: Christian Frederik Merten
- Ausgabe 08/2018 Seite 28 (288.1 KB, PDF)