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Citkar: Verrückte Realisten

01.04.2022 06:00 Uhr | Lesezeit: 6 min
Citkar Lastenrad
Eines der Gesichter der neuen Generation Lastenrad ist die Berliner Eigenentwicklung Citkar, die hier einen Kofferaufbau erhielt.
© Foto: Rocco Swantusch/Autoflotte

Ein wenig ungewöhnlich sieht das Citkar schon aus, aber das Lastenrad aus Berlin ist ein gut durchdachtes Konzept für Flottenbetreiber, wie beim Besuch deutlich wird.

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Wer sich zwischen der Frank-Zappa-Straße und einem DHL-Depot in Berlin-Marzahn einmietet, ist ein bisschen verrückt - und praktisch zugleich. Citkar, ein Start-up für eigens entwickelte und produzierte Lastenräder, fühlt sich sichtbar wohl in dieser Nachbarschaft hier auf dem Gelände im Industriegebiet, auf dem einige Jungunternehmen ihre Idee zum Leben erwecken. Bei Citkar geht die Idee auf den Gründer Jonas Kremer zurück, der zusammen mit Andreas Schäfer und Stefan Räth das Produkt zu einer ernstzunehmenden Transportalternative ausgebaut hat.

Beim Besuch fällt der Blick gleich auf das riesige gelbe Post-Depot gegenüber, und die Frage kommt auf: Ist DHL schon das Pedelec mit E-Nabenmotor, Seitenspiegeln und Kastenaufbau gefahren? Ja, heißt die Antwort des Firmengründers. Denn neben Lieferdiensten, Bauhöfen und Handwerkern zählen City-Logistiker zur Kernklientel, das mit dem Pedelec auf Tour geht. Das passiert mit maximal 25 km/h und 235 kg (beim Citkar Pick-up) als Ladung im Fond. Radwege sind erlaubt, aber die Straße wird wohl eher das Terrain sein, denn mit einer Breite von 98 cm ist das Gefährt ziemlich wuchtig für ein Tretmodell und der Wendekreis ist nicht so klein, wie man denken mag. Dafür steckt viel clevere Technik im kleinen Berliner.

Keine Kette

Die Kette fällt als Verschleißteil schon einmal weg, denn die Tretkraft geht in den Generator, der den Impuls an den kleinen E-Motor (250 Watt) gibt. Gebremst wird wiederum mithilfe der Schaltwippen am Lenkrad, was Energie zurück ins System bringt; ein vierrädriges Pedelec mit Hybridantrieb also. Das Lenkgetriebe stammt aus dem Automotivebereich, der Querlenker von einem Quad, Spiegel und Blinker sowie der sehr stabile Rahmen, der das zusätzliche Gewicht der Ladung wie auch das Befahren von Bordsteinen gut verzeiht, sind ebenfalls speziell auf das Citkar angepasst. Um bei schlechtem Wetter im wahrsten Sinne nicht im Regen zu stehen, gibt es einen Dachaufbau. Die Referenzliste an Kunden aus dem KEP-Bereich spricht dafür, dass auch Großkonzerne dieser Logik folgen und die Lasten im Stadtbereich auch auf das Citkar verteilen.

Beim Fahren fällt die Höhe des Aufbaus (1,16 Meter) kaum auf. Durch eine PIN, mit der man das Lenkrad freischaltet, bleibt Dritten der Zugriff auch ohne die abschließbare Kabine verwehrt. Die Bedienlogik ist selbsterklärend, das Treten weniger mühsam, als erwartet. Auch wenn der Tester nicht maximal ausgeladen und die Strecke topfeben war. Die lichtstarken Blinker und Bremsleuchten sowie die Rückspiegel geben beim Mitschwimmen im Straßenverkehr ein Gefühl von Sicherheit. Gebremst wird via Schaltwippen mit einem System von Magura. Die Kombination aus Blattfedern und Einzelradaufhängung sorgt für entspannte Rückenmuskeln der Fahrer, die ihre Sitzhöhe über den stufenlos justierbaren Ergositz einstellen können.

Telematik für die Flotte

Das Citkar ist zwar kein Auto, aber längst auch kein normales Lastenrad mehr. Das zeigt sich auch an der optionalen Telematikeinheit namens Drive & Track. Die Flottensoftware wurde von Fleet Complete und der Deutschen Telekom IoT entwickelt und von Citkar angepasst, um damit in Echtzeit präzise Aussagen über den Fahrzeugzustand übermitteln zu können. Beim 24-Stunden-Cargobike-Rennen im vergangenen Sommer in Berlin zeigte man erstmals, was das Programm liefern kann, speziell beim Thema "predictive maintenance"."Hier kann sich der Flottenmanager zum Beispiel tagesaktuelle Berichte ziehen, wie weit das Mobil heute unterwegs war, wie viele Stopps eingelegt wurden und wie hoch das Durchschnittstempo war. Das Ganze ist anonymisiert, also für die Performance der Flotte aussagekräftig", erklärt Kremer. Die Software gibt dabei den Fußabdruck des Lastenrads mit an, denn der geladene Strom ist im deutschen Strommix nicht zu 100 Prozent regenerativ erzeugt. Die beiden enthaltenen Akkus (800 W) reichen für rund 60 Kilometer, bevor sie leicht abgezogen und an der Schuko-Dose geladen werden können.

Preise und Förderung

Für Kremer ist die CO2-Bilanz nicht der Hauptgrund, der für die Vierräder spricht. Vielmehr geht es um den Platz - auf der Straße und beim Parken. Also ab aufs Fahrrad - für die Menschen wie die Waren. Für die Privatnutzer startet die Citkar-Tour bei knapp unter 10.000 Euro, die Versionen mit Aufbauten für die Gewerbetreibenden legen bei 13.900 Euro pro Fahrzeug los. Das Top-Modell, der Delivery Max, bringt mit Innenmaßen von 133 mal 96 cm eine Europalette stapelfähig unter. Insgesamt misst der Lastesel dann 301 mal 98 cm. Ein Leasing gibt es auch. Hier agiert Mercator Leasing als Partner. Die Schweinfurter kennt man als Finanzierungspartner von JobRad. Über die Freiburger kann man sich Citkar übrigens auch in die eigene Flotte holen. Wie bei den E-Autos macht die staatliche Förderung das Paket attraktiv, wie Kremer vorrechnet: "Der Bund fördert den Kauf mit 2.500 Euro für gewerbliche Kunden. Zudem gibt es regionale Förderprogramme, sodass die Summe auf bis zu 4.600 Euro steigen kann. Einige Kommunen legen hier noch deutlich etwas drauf, sodass bis zu 9.000 Euro Förderung drin sind." Die Leasingrate selbst ist nicht förderfähig, der Mietkauf schon. So ist die Förderberatung auch Teil der Arbeit bei Citkar. Was hierbei hilft, ist die gute Vernetzung innerhalb der Zweirad-Branche.

Vor gut einem Jahr gründeten die drei Verbände Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF), Radlogistikverband Deutschland (RLVD) und Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) die Arbeitsgruppe Lastenräder (KGAG Lastenräder) als verbandsübergreifendes Gremium. Seit April 2021 ist der einflussreiche Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) Mitglied der Arbeitsgruppe."Die Fahrradbranche ist traditionell etwas in sich gekehrt, aber das bricht langsam auf. Man formuliert gemeinsam Ideen und fordert deren Umsetzung ein. Dabei darf man das Ganze aber nicht allein vom Fahrrad herdenken", mahnt der Rheinländer Kremer.

Buntes Service-Netzwerk

Die Formulierung "weit verzweigt" passt auch auf das eigene Händler- und Service-Netzwerk, das sich sowohl aus Fahrradwie auch aus Motorrad- und Autohändlern speist. Selbst Landmaschinenverleiher bieten den Lastesel an. Gut 40 Servicepartner erwarten die vierrädrigen Helfer alle sechs Monate oder nach 3.000 Kilometern zur Durchsicht. Einige Standorte gibt es bereits in Österreich, den Niederlanden und in Schweden. Die Lieferzeit ist mit sechs Wochen recht knapp bemessen. Das ergibt sich aus dem hohen Eigenanteil. So stammen die Motoren aus Bayern wie auch das Gros der Teile von heimischen Zulieferern nach Berlin-Marzahn gebracht werden.

Von hier aus gehen die Citkars dann auf die Reise. In der Grünpflege, die traditionell auf Exoten wie den Porter oder den Canter setzt, sind die Vierräder vermehrt im Einsatz wie auch im Abfallbereich. In Frankfurt, Freiburg oder Bergisch-Gladbach wandern die Inhalte der öffentlichen Mülleimer in die Transportbehälter der Citkars, die durch die Grün- und Parkanlagen, vorbei an Bahnhöfen, Haltestellen oder Spielplätzen, düsen. Übrigens gilt das auch für die britische Hauptstadt, denn die innovative Cargobike-Szene in Deutschland denkt oft über die Landesgrenzen hinaus. Das hätte auch Frank Zappa gefallen.

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