_"Der Markt ist eine Wundertüte." Mit diesem Satz beginnt der Flottenexperte eines großen Maklerbüros in Süddeutschland seine Ausführungen am Telefon, weshalb er an der Umfrage zu den aktuellen Entwicklungen aus Sicht der professionellen Mittler zwischen Flottenbetreibern und -versicherer nicht offiziell teilnehmen und zitiert werden will. Und weiter: "Bei vielen großen Kfz-Versicherern verfolgt jeder Standort seine eigene Strategie." Früher habe man außerdem gespürt, wenn ein Flottenversicherer Umsatz machen und Marktanteile gewinnen will. Dann sei er auf breiter Front mit attraktiven Konditionen in den Markt gegangen.
Heute würden die Underwriter alle möglichen versicherungstechnischen und -mathematischen Instrumente nutzen, was je nach verwendeten Parametern und Schwerpunkten zu unterschiedlichen Angeboten - teilweise von Standort zu Standort - für ein und dieselbe Flotte führe. Dabei spricht er von Preisschwankungen bis zu 30 Prozent. Auch die guten Risiken würden oft nicht mehr belohnt, den schlechten Risiken aber abstruserweise zum Beispiel freizügige Großschadenkappung gewährt. "Insbesondere große Flotten, die ihren Laden eigentlich im Griff haben, werden dadurch benachteiligt", erläutert der Makler die Unwägbarkeiten. Deshalb plädiert er dafür, dass das Gespür und die individuelle Einschätzung der Underwriter wieder stärker zählen und das Riskmanagement (RM) vorangetrieben werden sollten. Letzteres würde derzeit von den Versicherern immer noch relativ oberflächlich betrieben.
Ertrag vor Umsatz
Gleichwohl ist eines klar: Die Kfz-Versicherer bleiben durch die negativen Schaden-Kosten-Quoten unter Druck. Rüdiger Barth, Leiter Kundenservice-Management beim Versicherungsmakler Aon Risk Solutions, folgert: "Im Flottenbereich werden die Kraftfahrtversicherer weiter versuchen, ihre Verluste zu reduzieren und in die Gewinnzone zu kommen." Kfz-Flottenbetreiber müssten sich folglich darauf einstellen, dass die Versicherer von ihnen fordern, sich auf alternative Vertragsmodelle einzulassen, ein professionelles Schadenmanagement (SM) zu betreiben und ein besseres RM einzuführen.
Ziel der Versicherer sei es, einen detaillierten Überblick über alle bei dem Kfz-Flottenbetreiber anfallenden Schadenkosten zu erhalten. "Bei Kfz-Flotten mit einer hohen Schadenhäufigkeit, mit denen die Versicherer ein Minus erwirtschaften, werden sie künftig versuchen, Kosten, die durch eine Schadenquote von über 65 bis 70 Prozent entstehen, zu kappen und durch Selbstbehalte oder alternative Vertragsmodelle zu kompensieren", so Barth.
Er fügt hinzu: "Flottenbetreiber mit geringen Schadenkosten dürfen sich hingegen freuen. Sie werden von den Versicherern mit günstigeren Preisen belohnt. Aufgrund dieser unterschiedlichen Entwicklungen ist nicht damit zu rechnen, dass die Versicherer - anders als in den Jahren zuvor - Ende des Jahres allgemeine Preiserhöhungen fordern werden."
Uwe Jäschke, stellvertretender Leiter Industriebereich Kraftfahrt-Versicherungen bei der Funke-Gruppe meint, dass der Markt auch zum Renewal am 1. Januar 2015 verhärtet bleibt: "Das heißt, dass Versicherer auch weiterhin ausgewählte Kunden mit Prämienerhöhungen konfrontieren und im Neugeschäft auf Ertrag vor Umsatz achten."
Auch Michaela Brungs, Fachbereichskoordinatorin Kfz bei Marsh, geht davon aus, dass das Flottengeschäft entgegen den Entwicklungen im Privatkundengeschäft weiterhin negativ verläuft. "Zwar ist der Wettbewerb noch immer stark, dennoch werden die Versicherungsprämien voraussichtlich leicht steigen." Die Versicherer seien zwar bemüht, ihre Kundenverbindungen im Rahmen der Bestandssicherung zu halten. Schadenbehaftete Einzelkunden würden aber selektiv saniert, sodass diese mit Erhöhungen der Prämien oder der Selbstbehalte zu rechnen haben.
Jan Buchner, als Prokurist bei New Projects Insurance & Finance für nationale und internationale Kfz-Flottenversicherungsprogramme zuständig, sieht derzeit auf dem deutschen Kfz-Flottenversicherungsmarkt keinen einheitlichen Trend in Sachen Beitragsentwicklung. Er erklärt: "Versicherer, die den Fokus in den letzten Jahren in Bestandssanierungen gelegt haben, stehen heute in der Regel wirtschaftlich besser da und können sich somit wieder verstärkt der Neukundengewinnung widmen. Insgesamt herrscht allerdings weiterhin eine selektive Zeichnungspolitik dahingehend vor, dass zum Beispiel neben den individuellen Schadenverläufen auch diverse weitere Parameter, wie die Branche, die Fuhrparkzusammensetzung et cetera, eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen." Zugleich sei der Wettbewerb unter den Versicherern bei kleinen und mittelständischen Kfz-Flotten nicht sonderlich ausgeprägt. Hier würden überwiegend Standardlösungen angeboten, deren Inhalte und Leistungen sich auf dem Markt ähnelten.
Spielraum schrumpft
Diese Entwicklungen führt Rüdiger Barth von Aon etwa darauf zurück, dass Versicherer in den vergangenen Jahren immer wieder versucht waren, sich vom Wettbewerb abzuheben und den Kunden Angebote zu unterbreiten, mit denen sie auch Verluste in Kauf genommen haben. Der Druck zu kostendeckenden Abschlüssen sei daher gestiegen.
Uwe Jäschke von der Funk-Gruppe ergänzt aufgrund der Verluste im Flottensegment seit knapp zehn Jahren: "Die aktuelle Zinssituation lässt den Versicherern keinen Spielraum mehr, Verluste mit Kapitalerträgen auszugleichen. Aus diesem Grund sehen sich die Versicherer gezwungen, Prämien zu verteuern."
RM und Telematik als Trendthemen
Parallel dazu sind verschiedene Trends entstanden. Einen erkennt Rüdiger Barth von Aon im Versuch der Versicherer, die Flottenkunden durch gezieltes SM und RM bei der Verbesserung der Schadensituation etwa mittels EDV-gestützter Programme und somit längerfristig bei der Senkung der Versicherungspreise zu unterstützen.
Eine besonders interessante Entwicklung sei außerdem bei der Preisgestaltung zu beobachten: "Es gilt: Je detaillierter die Informationen sind, die dem Versicherer über die Schadensituation einer Kfz-Flotte vorliegen, desto besser kann das Angebot ausfallen. Honoriert werden Bemühungen des Kunden, SM und RM zu verbessern. Auch sicherheitsrelevante Fahrzeugausstattungen wie ESP, Notbremsassistenten und Spurassistenten wirken sich positiv bei der Preiskalkulation aus, da sie Unfälle vermeiden und Menschenleben retten können."
Darüber hinaus sieht Uwe Jäschke von der Funk-Gruppe die Fortsetzung eines Trends: "Bei größeren Fuhrparkbetreibern stellen wir eine verstärkte Nachfrage nach Selbstbehalt-Modellen in der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung fest. Diese werden in Form von Jahresaggregaten, Rückkaufsvarianten oder Selbstbeteiligung (SB) je Schaden angeboten." Auch Pay-as-you-drive-Modelle entwickelten sich bei den Versicherern langsam weiter. Nach Einschätzung Jäschkes werden diese aber zukünftig im Flottengeschäft kaum eine Rolle spielen.
Ein weiteres Thema gewinnt laut Michaela Brungs von Marsh nun über die Nutzfahrzeuge hinaus an Bedeutung: Telematik. "Dabei stehen nicht die Prämienfindung, sondern vorrangig prozessgetriebene Aspekte im Fokus", sagt Brungs." Im Hinblick auf die Digitalisierung und Vernetzung im Kraftfahrzeugbereich - Stichwort 'autonomes Fahren' - beschäftigt sich auch die Versicherungsbranche mit entsprechenden Haftungsfragen und Lösungsmöglichkeiten."
Und Jan Buchner von New Projects betont: "In Zukunft dürften die Anforderungen der Kfz-Versicherer an Kfz-Flottenbetreiber, zum Beispiel im RM aktiv mitzuwirken, steigen. Manch ein Deckungsbaustein, wie die Kostenübernahme bei Glasaustausch/Glasreparatur, wird verstärkt auf den Prüfstand gestellt; zumal solche eher geringen Kfz-Schäden eine hohe Frequenz mit hohen Verwaltungskosten bei den Versicherern erzeugen, aber für Kfz-Flottenbetreiber keine existenziellen Risiken darstellen." Ferner dürfte nach seiner Meinung die Erwartungshaltung an die Flottenbetreiber, zukünftig mehr Eigenverantwortung zu übernehmen, durch steigende SBen untermauert werden.
Tipps für Flottenmanager
Die Makler haben daher verschiedene Empfehlungen für Flottenbetreiber. Dazu Rüdiger Barth von Aon: "Da die Flottenmanager großen Wert auf eine langfristige Zusammenarbeit mit ihrem Versicherungspartner legen, sollten sie ebenso großen Wert auf ein gutes SM und RM legen." Uwe Jäschke von der Funk-Gruppe rät dem Fuhrparkverantwortlichen: "Er sollte über die Schadenverlaufszahlen der zurückliegenden Jahre - vier Jahre plus laufendes Jahr - informiert sein." Auf dieser Basis könne dann eine für die Firma angepasste Risikophilosophie abgeleitet werden. Diese sei wiederum abhängig von der Größe der Flotte und wird bei 20 Autos anders aussehen als bei 500 Fahrzeugen. Jäschke: "Der Flottenverantwortliche muss dabei die Frage beantworten, wie hoch die Bereitschaft ist, vorhandene Risiken in Haftpflicht und Kasko gegebenenfalls in ein Eigentragungs-Modell zu überführen. Bei kleineren Flotten ist es wichtig, die wirtschaftlichste Lösung in der Kasko-Versicherung zu finden."
Michaela Brungs von Marsh: "Ziel sollte sein, ein auf den Fuhrpark maßgeschneidertes Deckungskonzept umzusetzen." Dabei sollten Überlegungen nach SB-Modellierungen, Stopp-Loss-Lösungen und Aggregaten berücksichtigt werden."Wir empfehlen auch, Prozesse gezielt abzustimmen, um Doppelarbeiten zu vermeiden. Die Überprüfung von Deckungsinhalten, Konditionen und Prozessen sollte gemeinsam mit einem neutralen Experten erfolgen", so Brungs. Elementare Maßnahmen von Fuhrparkverantwortlichen sind für Jan Buchner von New Projects, den Versicherungsumfang regelmäßig einer Überprüfung durch unabhängige Instanzen zu unterziehen: "Dies gilt insbesondere, wenn gezeichnete Kfz-Rahmenverträge gegebenenfalls schon mehrere Jahre alt sind, und/oder sich Risikoveränderungen im Fuhrpark beziehungsweise im Unternehmen ergeben haben oder ergeben."
- Ausgabe 10/2015 Seite 76 (123.0 KB, PDF)