Der große Taycan mit dem Suffix Sport Turismo – von Familien- oder Vertreterauto kann trotz der Länge von fast fünf Metern immer noch keine Rede sein – ist vor allem eines: ein Sportwagen. Dafür zahlt man, das bekommt man. Er ist allerdings auch kein ausgewiesener Stromer, denn die 93-kWh-Batterie ist bei einem Standardverbrauch von gut 27 kWh zu klein. Also heißt es für jeden, der diesen Porsche wie einen Porsche fährt, nämlich im Sport- oder Sport-Plus-Programm (da kommt der Sportsound dazu), regelmäßig die Ladeanschlüsse zu öffnen und den Stecker zu justieren. Mit 800 Volt Spannung wird dann das Lithium-Ionen-Pack geladen. In der Regel dient hierfür der vom Fahrer aus gesehen rechte Ladeanschluss am vorderen Kotflügel, denn dieser ist CCS-tauglich.
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Die sich flach duckende (1,40 Meter) – und damit auch optisch schnittige – Silhouette hilft auf der Autobahn unterströmenden, bremsenden Wind fernzuhalten, zumal das Fahrwerk per Knopfdruck abgesenkt werden kann. Die Normhöhe liegt beim luftgefederten Württemberger bei 127 Millimetern, bei jenem mit Stahlfederung, wie in unserem Fall, ist der Weg zum Asphalt maximal 142 mm lang. Wer für sich wiederholende Fahrstrecken (etwa in die Garage) seine ideale Höhe gefunden hat, kann dies samt dem GPS-Signal speichern, um beim nächsten Mal ohne weiteres Zutun einfahren zu können. Denn auf den teuren Zuffenhausener gibt man acht und merkt schnell, dass er mit ausgeklappten Spiegeln 2,14 Meter Breite verlangt.
Porsche Taycan ST
BildergalerieElektromobilität: Hilfe an der Säule
Wer dann das Schnellladekabel angezirkelt hat, muss seine Freude noch einen Moment unterdrücken, denn die lange Schnauze bremst den Erwartungsdruck des schnellen Wiederauffüllens bisweilen, wenn nämlich das recht starre, da halb unterarmdicke Kabel an der High-Performance-Power-Station den Weg zur Buchse nicht mitgehen kann. Dann heißt es umparken oder – wenn der Nachbarplatz besetzt ist – warten. Wir helfen, und zwar dem EQS-Fahrer neben uns, der etwas unschlüssig ist, wo das Ladekabel kommt. Kurze Info, Lächeln, Laden. Wir wollen nicht mehr warten, fahren also weiter. Noch ist so eine Szene eher ein Wochenend-Problem an den teuren, hoch frequentierten Ladeparks von Ionity & Co., aber wer knapp 128.000 Euro (brutto) in seinen Stromer investiert, verlangt auch nach kommodem Laden. Das soll ja bis maximal 270 kW Gleichstrom funktionieren, bei uns lag der Peak gut 100 kW niedriger.
Sportwagen heißt Heckantrieb. So auch beim Sport Turismo, der an der Hinterachse das Zwei-Gang-Getriebe sitzen hat. Der Top-Speed von 230 Stundenkilometern ist verlockend, aber nicht effektiv. Sinnvoller ist es, bei Bedarf das Spurtvermögen abzurufen. In 5,4 Sekunden wird der Zähler dreistellig. Nach weiteren elf Sekunden leuchten schon 200 km/h auf der Anzeige. Unsere Fahrt ging weit gemütlicher durch den Stau-Mittwoch (73 km/h im Schnitt bei gemischtem Fahrprofil) und verbrauchte überraschend viel – knapp über 27 kWh, damit lagen wir immerhin exakt auf der WLTP-Verbrauchslinie. Wer den Porsche in seinen Fähigkeiten herunterspielt, landet laut dem Testzyklus bei 21 kWh bis 24,6 kWh. Um maximal 20 Prozent Energie zu sparen, auf 100 Prozent Fahrspaß zu verzichten? Diese Rechnung wird den Fahrer dieses „Kombis“ nicht überzeugen.
Porsche Taycan ST: Kleiner Radius
So lebt man halt mit kleiner Reichweite und zeigt sich und das Gefährt öfters am Schnellladetreff mit den anderen teuren Zeitgenossen. Nach offizieller Lesart sollen in der Stadt gut 540 km drin sein, auf Langstrecke eher 390. Wobei wir bereits bei 290 Kilometern die Ladekarte zückten, und das trotz des eigentlich großen Akkus von 93-kW-Brutto (Serie sind 79,2 kWh). Allein diese „Performance-Batterie Plus“ kostet gut 4.800 Euro extra. Die 20-Zoll-Aero-Räder weitere 2.100 Euro (19 Zoll sind Serie). Die im Stromer stets sinnvolle Lenkradheizung gibt es in Verbindung mit dem Sport-Chrono-Paket und der Lederausstattung, was in unserem Fall schlappe 4.575 Euro ausmachte. Dahingegen wirken die 1.135 Euro für die Bose-Surround-Anlage wie ein Goodie. Konfigurieren wir einfach mal weiter. Die Luftfederung kostet gut 1.800 Euro extra. Das Gepäcktrennnetz ist Pflicht (200 Euro), der Skisack ist Hobby (190 Euro) und das Display für den Beifahrer (860 Euro) ein Zeichen des guten Willens für alle jene, die nur rechts Platz nehmen dürfen.
Ein Malus an Bequemlichkeit ist dies aber nicht, denn bequem ist es auf allen vier Sitzen selbstredend bei einem Radstand von 2,90 m und wegducken muss sich auch im Fond niemand. Die vorderen Komfortsitze sind in acht Wegen gut einstellbar. Wer 14 Anpassungsvarianten und die Memoryfunktion braucht, zahlt 1.230 Euro drauf. Die mächtigen Radkästen formen den Einstieg hinten, die Sitze sind tief.
Mercedes EQS SUV
BildergalerieElektro-Kombi: Platz nur zum Sitzen
Planung erfordert dann allerdings das Bestücken des Frachtraums. Im Kofferraum (446 Liter) passt genau dieser rein: ein großer Koffer. Im Frunk bietet sich allerdings überraschend viel nutzbarer Stauraum (84 Liter). Dieser fehlt im Cockpit fast nahezu komplett. Zwei große Cupholder, ein tiefes, schmales Fach unter der Mittelkonsole, tiefes, aber schmales Handschuhfach, das war es im Wesentlichen. Die Türfächer halten den Eiskratzer und Kleinigkeiten. Für die Familientour wird dies sehr sportlich. Aus der Reihe tanzt der Taycan bei der Spracherkennung, denn diese ist echt gut. Wenn die Württemberger zusammen mit den Ingolstädtern demnächst die eigene Software 1.2 im Konzern erhalten, dann enteilen sie noch mehr dem jetzigen ID-Standard, der nicht jeden glücklich macht.
Glücklich ist jener, der sich im Konfigurator frei bewegen darf. So ist das LED-Licht eher Durchschnitt, das Matrixlicht für 2.420 Euro sollte man sich gönnen. Das Head-up-Display ist gut, aber teuer (1.340 Euro), das Nachtsichtgerät (1.860 Euro) eher Geschmackssache. Das Abstandsregeltempostat (1.470 Euro) ist ob seiner großen Wirkbreite (von 30 bis 210 km/h) top. Für E-Mobilisten sind die 22-kW-Option fürs AC-Laden (1.400 Euro), Mobile- Charger-Connect (910 Euro) und die Wärmepumpe (710 Euro) Pflicht.
Porsche-Kombi: Ein Sportwagen, was sonst?
Nicht oft findet man Autos wie den Taycan, deren Verkehrszeichen-Erkennung auch die temporären Limits erfasst. Das ist gut, aber irgendwie auch das Mindeste, was man von einem Testwagen erwarten kann, der in manchen Gegenden Deutschlands den Gegenwert eines Eigenheims hat.
Aber die Sportwagen-SUV-Marke ist eben Kult und seit letztem Herbst an der Börse und im DAX gelistet. 911 Millionen Aktien emittierten die Süddeutschen, was eine Verbeugung vor dem Imageträger schlechthin ist. Der Kult-Porsche ist ebenso wie der Kombi kein wirklicher Familienfreund, aber für den Geschäftsführer ein probates Reisemittel – auch für die langen Touren (11 Liter Verbrauch und 64 Liter Tank). Der Taycan Sport Turismo ist eher eine Limousine, die sich im Sportwagen versteckt.