Von Michael Specht
Unzweifelhaft zählt Renault zu den Pionieren der Elektromobilität. Schon seit 2013 ist der Zoe auf der Straße, entwickelte sich gar zum meistverkauften E-Auto in Europa. Zu einem Vollhybridantrieb, ähnlich wie Toyota es seit über 20 Jahren mit dem Prius vormacht, konnten sich die Franzosen jedoch nie durchringen. Bis jetzt. Ab Sommer wird der Clio das erste Modell von Renault sein, das auch als sogenanntes HEV, als Hybrid Electric Vehicle, konzipiert wurde. Zwar gibt es ebenfalls den Captur als Hybrid, doch bei ihm spricht man vom PHEV. Das P steht hier für "Plug-in", weil sich die Batterie des Captur auch extern an einer Steckdose aufladen lässt.
Beim Clio entschied sich Renault bewusst für die klassische E-Motor-Benziner-Kombination, weil sie gegenüber dem Plug-in-Hybrid die weitaus wirtschaftlichere Lösung darstellt. Es entfällt zum Beispiel die größere und teure Batterie sowie die On-Board-Ladetechnik. Ohnehin hätten die Einbaumaße des Clio nicht ausgereicht, um die ganze Plug-in-Technik aufzunehmen. Zudem spart es Gewicht.
Der Hybrid-Clio – er trägt die Bezeichnung "E-Tech" am Heck – soll nicht mehr kosten als das Pendant mit Dieselmotor und Automatik. Er übertrifft diesen aber deutlich im Komfort. Dies zeigte zumindest eine Testfahrt, die wir mit einem Vorserienmodell machen konnte. Schon auf den ersten Kilometern ist die Geschmeidigkeit des Hybridantriebs zu spüren. Der Clio E-Tech wirkt erwachsener als es seine Klasse üblicherweise vorgibt. Besonders beim Fahren in der Stadt kann die Hybridtechnik ihre Stärken ausspielen, wechselt nahezu unmerklich zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor, stets darauf bedacht, möglichst effizient unterwegs zu sein. Der kombinierte Antrieb reagiert spontan aufs Gas, zieht munter los und bleibt dabei angenehm leise. Fürs Überholen von 80 auf 120 km/h gibt der Hersteller lediglich 6,9 Sekunden an.
Renault Clio E-Tech (2021)
BildergalerieDass der Antrieb des Clio E-Tech nicht das wie bei anderen Hybriden übliche "Jaulen" beim Beschleunigen zeigt, wenn Drehzahl und Fahrgeschwindigkeit sich nicht ganz synchron anhören, hat seinen Ursprung in der Formel 1. Dort bedienten sich die Renault-Ingenieure für die Konstruktion des Getriebes. Das Räderwerk ist – einzigartig – mit zwei Elektromotoren (15 kW / 20 PS und 20 kW / 27 PS) kombiniert. Dem kleineren Motor fällt die Aufgabe zu, den Vierzylinder zu starten, ihn auf eine bestimmte Drehzahl zu bringen, um ihn so mit dem entsprechenden Getriebegang zu synchronisieren. Eine Trennkupplung kann damit entfallen. Der Clio lässt durch die neuartige Konstruktion seriell, parallel und auch in Kombination aus beiden antreiben.
Gestartet wird immer elektrisch. Erstaunlich ist, wie lange das Auto diesen Modus beibehält, selbst wenn mal etwas zügiger aufs Pedal getreten wird. Laut Renault soll der Fahrer in der Stadt 80 Prozent der Fahrzeit seinen Verbrennungsmotor nicht benötigen. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn Renault sagt nicht, wie lange davon der Wagen an der Ampel steht oder im Schubmodus rollt. Auch ein Verbrennungsmotor mit Start-Stopp-System und "Segel"-Funktion hat viele Phasen, in denen sich kein Kolben bewegt.
40 Prozent Kraftstoffeinsparung
Insgesamt soll der Clio E-Tech mit seinen 103 kW / 140 PS gegenüber einem vergleichbaren Benziner etwa 40 Prozent an Kraftstoff sparen. Renault spricht von einem CO2-Ausstoß von unter 90 g/km. Zur Effizienz trägt die gewonnene Bremsenergie bei. Die Ingenieure haben die Verzögerung so ausgelegt, wie es der normale Autofahrer vom Benziner oder Diesel her gewohnt ist, wenn er den Fuß vom Gas nimmt. Wer etwas mehr Strom gewinnen und stärker verzögern möchte, muss den Ganghebel nach hinten in die Position B ziehen. Ebenso möglich ist, über die EV-Taste am Armaturenbrett den Elektromotor manuell direkt anzuwählen, vorausgesetzt, die Batterie hat noch genügend Energie. Mehr als zwei bis drei Kilometer an Reichweite aber schafft man nicht.
Renault ist zuversichtlich, mit seinem 18.857 Euro netto teuren Clio-Vollhybrid ein attraktives Paket geschnürt zu haben, bezeichnet das E-Tech-Modell sogar kühn als den "Diesel für Deutschland". Die Rechnung könnte aufgehen. Für den Kauf eines Selbstzünders gibt es in dieser Klasse ohnehin keinen Grund. Erst recht nicht, wenn ein Benziner-Hybrid genauso sparsam ist, nicht mehr kostet, aber leiser und komfortabler fährt.