Von Michael Gebhardt/SP-X
Man muss schon älteren Semesters sein, um sich an die Rennstrecke Kyalami zu erinnern. Südafrikas einziger Grand-Prix-Kurs liegt gut eine halbe Autostunde außerhalb von Johannesburg und erlebte seine Blüte in den 70er und 80er Jahren. Von 1967 bis 1993 war Kyalami zwanzig Mal Austragungsort der Formel 1, unter anderem siegten hier Jackie Stewart, Niki Lauda und Alain Prost. Doch Mitte der 90er wurde es ruhig um den Rundkurs, der inmitten eines Wohngebiets liegt und immer wieder mit Lärmschutzproblemen zu tun hatte. Nach der Königsklasse des Motorsports gastierten hier einige Motorrad-Rennen, doch auch das fand 2010 ein Ende.
Die Rennstrecke wurde schließlich in einer Auktion versteigert und den Zuschlag sicherte sich kein geringerer als Porsche Südafrika, der Importeur des Stuttgarter Sportwagenbauers, der den Kurs nun umfangreich saniert und umgebaut und ihn für die ersten Runden mit dem überarbeiteten Porsche 911 Turbo bereitgestellt hat. Der Bolide konnte auf der anspruchsvollen Viereinhalbkilometer-Strecke zeigen, dass ihm die Frischekur spürbar gut getan hat: Agiler und schneller denn je fetzt das mindestens 146.781 Euro netto teure Kraftpaket über den Track.
Der breiteste Elfer
Dabei hat sich mit dem Facelift, das schon den inzwischen ebenfalls turbogetriebenen Ex-Sauger-Elfern wiederfahren ist, auf den ersten Blick gar nicht viel geändert: Optisch unterscheidet sich der sogenannte Phase-II-Turbo von seinen Vorgängern durch überarbeitete Scheinwerfer und Rückleuchten, einen neuen Heckdeckel und leicht modifizierte Schürzen und Endrohre. Wie gehabt ist er mit 1,88 Metern der breiteste Elfer, schließlich brauchen die 305er Pneus an der Hinterachse ebenso Platz wie der Luftkanal.
Serienmäßig an Bord ist, neben dem Sport-Chrono-Paket, das unter anderem eine Boostfunktion mit 50 Extra-Newtonmetern und einem neuen Sportmodus für das ESP bereitstellt, auch die Hinterachslenkung. Ihr ist es (mit) zu verdanken, dass der Elfer zackig und direkt einlenkt und mit größtmöglicher Präzision auf der Ideallinie über den Rundkurs dirigieren lässt. Korrekturen sind nur selten nötig. Das neue 36-Zentimeter-Lenkrad liegt gut in der Hand, der Fahrmodusschalter (Normal, Sport, Sport Plus und Individual) ist griffgünstig direkt am Volant angebracht, ebenso die Schaltpaddel. Die braucht’s allerdings nur selten, denn das standardmäßige Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe arbeitet schnell, exakt und findet quasi immer den richtigen Gang. Wer dennoch selber Schalten will, kann dies auch über den Wahlhebel auf dem Mitteltunnel tun, bei dem nun die Schaltlogik analog den Rennsportmodellen geändert wurde: Beim nach unten ziehen schaltet der Elfer hoch, runter geht’s indem man den Hebel nach vorne drückt.
Bissiger 3,8-Liter Boxer
So viel Spaß die Kurvenhatz mit dem Turbo auch macht, noch mehr Freude kommt auf der langen Start-und-Ziel-Geraden auf. Hier kann der äußerst bissig auf Gasbefehle reagierende 3,8-Liter-Boxer sein ganzes Temperament in die Waagschale werfen. Und das heißt: 397 kW / 540 PS im normalen Turbo, 427 kW / 580 PS im – stets vollausgestattet mindestens 170.481 Euro netto teuren – Turbo S. Das sind jeweils 20 Pferdchen mehr als bisher und um die dem S-Modell zu entlocken, unterscheiden sich erstmals de Turbolader der beiden Varianten; er verfügt im Top-Modell über ein größeres Verdichterrad. Zusammen mit bärenstarken 660 beziehungsweise 710 Newtonmeter Drehmoment geht der Elfer auf Kommando ab wie Schmitz‘ Katze und röhrt dabei laut aus den Doppelendrohren. Das es mal so etwas wie ein Turboloch gab, scheint der Motor nur vom Hörensagen zu kennen.
Das Plus an Leistung verkürzt die Sprintzeit um 0,2 Sekunden, die Hundertermarke fällt im Turbo nach 3,0 Sekunden, im Turbo S sogar nach 2,9. Damit ist das S-Modell der erste Elfer, der eine Zwei vor dem Komma schafft. Auch in Sachen Höchstgeschwindigkeit zeigt sich das S-Modell deutlich erstarkt, satte zwölf km/h schafft er mehr und muss nun erst bei Tempo 330 die Segel streichen; zehn Sachen weniger schafft der Basis-Turbo, der damit immerhin um fünf Zähler zulegen konnte. Für negative Beschleunigung sorgen im Falle des Turbo S immer Keramik-Bremsen, die vorne mit 410er-Scheiben kraftvoll zupacken; für den normalen Turbo sind sie gegen Aufpreis erhältlich – für knapp 7.731 Euro netto.
Serienmäßig an Bord ist bei beiden Modellvarianten, die übrigens für jeweils rund 10.924 Euro netto extra auch als Cabrio erhältlich sind, der Allradantrieb. Auch hier haben die Ingenieure Hand angelegt, unter anderem sorgen Kupplungslamellen mit höherem Reibwert für eine noch präzisere Übertragung der Kraft an die Vorderachse. Außerdem wurde das Regelsystem überarbeitet, so dass die Kraftverteilung noch schneller als bisher geschieht. Traktionsprobleme sind dem Turbo ein Fremdwort, wie er uns bei jedem Herausbeschleunigen aus der Kurve aufs Neue demonstriert hat.
Neues Infotainmentsystem
Auch wenn es den Anschein erweckt: Die Entwickler haben nicht ausschließlich die Rennstrecke im Kopf gehabt. Schließlich soll und kann der Elfer im Normalmodus auch ganz handzahm betrieben werden. Alltags-Turbo-Fahrer dürfen sich daher zukünftig über ein neues Infotainmentsystem mit Onlinezugang freuen, das auch Apple-Car-Play unterstützt; Android Auto ist derzeit nicht in der Planung, da die meisten Porschefahrer, so eine interne Untersuchung, ohnehin ein iPhone in der Tasche haben. Erstmals gibt es außerdem eine Multikollisionsbremse, die Folgeunfälle bei einem Crash verhindern soll und einen Totwinkel-Warner, der allerdings nur bis 250 km/h arbeitet. Und damit es zukünftig auch an steilen Tiefgarageneinfahrten nicht zu hässlichen Schäden an der Karosserie kommt, kann nun auch der Turbo mit dem Liftsystem geordert werden, das die die Front um rund vier Zentimeter anhebt. Wer sich nun, verzückt ob dieser ganzen Annehmlichkeiten, auch noch beim Gasgeben zurückhält, hat sogar Chancen, dem Normverbrauch von gut neun Liter zumindest nahe zu kommen – alle anderen dürfen weiterhin das Doppelte einkalkulieren.