Allein der schweifende Blick durch den gewaltigen Innenraum sorgt für Ehrfurcht. Schneeweißes Leder auf allen Plätzen, durchsetzt mit sorgfältig gesteppten Nähten und eingerahmt von hellblauen LED-Lichtleisten. Wer sich hier ausgestreckt auf Liegesitzen wie in der First-Class-Kabine eines arabischen Airbus A 380 chauffieren lässt, sich aus der mittigen Kühlbox mit Champagner bedient und ihn aus eigens gestalteten versilberten Kelchen nippt, hat mit den Alltagssorgen in der schnöden Welt da draußen wohl nichts am Hut. Eine Luxusyacht auf 22-Zoll-Rädern, ein rollendes Chefbüro, Mercedes spricht sogar von einer Wohlfühloase, die nur ein großes SUV bieten kann – wie eben der Maybach GLS 600.
Nun gut, Mercedes ist nicht der erste Premium-Hersteller, der den Luxus in die begehrte SUV-Klasse bringt – in diesem Fall übrigens zu Netto-Preisen ab 136.554 Euro. Auch der Bentley Bentayga kratzt an der 170.000-Euro-Marke und ein Rolls-Royce Cullinan kostet sogar über 250.000 Euro vor Steuern. Aber trotzdem ist der Neuling für die Stuttgarter eine Art Revolution. Die einst pompös gestartete Marke Maybach ist inzwischen ein Ableger mit Mercedes-Stern und markiert die feinste Version des Flaggschiffs S-Klasse. Gedacht für eine eher konservative Kundschaft, deren Dienstlimousine sich von all den anderen meist schwarzen S-Klassen auf dem Vorstandsparkplatz oder der Vorfahrt am roten Teppich abheben wollen.
Hochbeiner spricht in erster Linie Privatkunden an
Kaum vorstellbar dagegen der Gedanke, dass ein Präsident im Blitzlicht-Gewitter vor seinem Palast aus einem SUV steigt. Also wird der Vorstoß in die Gattung der Hochbeiner wohl eher private Kunden ansprechen. Den Grafen auf seinem Landsitz, der gefahrlos die abgelegene Jagdhütte auf matschigem Weg erreichen will. Oder das Oberhaupt eines Familienunternehmens, das auf seinen Reisen dank guter Rundumsicht entspannt die Landschaft genießen will.
Zugegeben ist das Spekulation, die beim Druck auf den Startkopf des Maybach GLS 600 die Gedanken erobert und schnell von einer Art Faszination abgelöst wird. Der Achtzylinder-Bi-Turbo mit 410 kW / 558 PS meldet sich fast so lautlos wie ein E-Auto. In der technisch mit dem normalen GLS nahezu identischen Umwelt findet man sich schnell zurecht. Das digitale Cockpit mit den Instrumenten hinterm Lenkrad sorgt ebenso wie der große Zentralmonitor für zeitgemäße Modernität. Wie erwartet hat das Treibwerk keine Mühe mit dem 2,8 Tonner, läuft ruckfrei los und die Automatik findet immer die passende ihrer neun Stufen. Dabei fällt nicht auf, dass die Elektronik vier der acht Zylinder immer dann abschaltet, wenn sie gerade nicht für den Vortrieb benötigt werden.
Mercedes-Maybach GLS 600
BildergalerieTrotz seiner üppigen Maße lässt sich das Dickschiff zum Beispiel auf kurvigen Landstraßen locker um den Finger wickeln, auch dank des ausgeklügelten Fahrwerks mit vielen technischen Highlights. Vor allem, wenn das aus der neuen S-Klasse bekannte System namens "E-Active Body Control" mitbestellt wird. Dabei erfasst eine Stereokamera ständig den Belag vor dem Auto, erkennt Bodenwellen oder Schlaglöcher. Noch bevor der Maybach die kritische Stelle erreicht, wird die Luftfederung elektronisch und hydraulisch auf die Unebenheit vorbereitet und bügelt sie einfach weg. Hilfreich dabei ist, dass jedes Rad separat eingesteuert wird.
Per Wippschalter kann zwischen verschiedenen Einstellungen der gesamten Fahrverhaltens gewählt werden. Neu ist dabei ein spezieller Maybach-Mode, der vor allem die beiden Passagiere auf den Rücksitzen vor den Widrigkeiten des Auto-Alltags verschonen soll, die die Bequemlichkeit oder das Schlafbedürfnis stören könnten.
Geländemodus hilft abseits befestigter Straßen
Als Hommage an die vom Aussterben bedrohte besondere Form von Übermut dient die Sport-Taste. Der Motor lässt das Flüstern sein, ein Soundgenerator unterstützt das V8-Brummen, die Automatik dreht die Gänge aus und das Fahrwerk wird einen Tick härter. Der Geländemodus dagegen hilft abseits fester Straßen durch besondere Einstellungen für den Allradantrieb.
Natürlich bietet der Maybach serienmäßig, meist aber gegen Aufpreis alle denkbaren Assistenzsysteme, sorgt für komplette Vernetzung mit der digitalen Umwelt oder beduftet den Innenraum mit dem Lieblingsparfum. Ein besonderer Clou sorgt für die wohlhabende Kundschaft mit sensiblen Bandscheiben, die auch noch unter "Rücken" leiden. Beim Öffnen fährt wie von Geisterhand ein breites silbernes Trittbrett unter den Türen aus. Der Weg auf die Sitzfläche soll eben kein Hindernis beim Einstieg ins Auto-Paradies sein.