The bigger, the better – zwar gilt das gemeinhin als uramerikanische Regel für den Automobilbau, doch jetzt haben sich auch die Koreaner diesen Grundsatz zu Eigen gemacht. Denn wenn Kia im Februar die dritte Auflage des Sorento an den Start bringt, geht der Geländewagen ordentlich aus dem Leim. Und mit dem Format wächst natürlich auch der Preis: War das Basismodell früher bereits für rund 25.000 Euro (netto) zu haben, stellen die Koreaner jetzt einen Grundtarif von knapp 29.400 Euro in Aussicht und werden mit der Top-Version womöglich auch die 40.000er-Marke knacken.
Zwar sieht das Auto mit dem wunderbar unaufgeregten Design aus der Hand von Peter Schreyer fast ein bisschen zierlicher aus als früher, zumal das Dach tatsächlich ein paar Millimeter eingezogen wurde. Doch haben die Koreaner im Gegenzug den Radstand um acht und die Länge sogar um knapp zehn Zentimeter gestreckt.
Das macht sich bei der ersten Sitzprobe auf Anhieb bemerkbar. Denn jetzt reist man auf den klimatisierten Ledersesseln nicht nur in der ersten Reihe wie in der ersten Klasse. Auch auf den einzeln verschiebbaren Sitzen im Fond hat man mindestens so viel Kniefreiheit wie im Europa-Flaggschiff Optima. Und wer den von 515 auf 660 Liter gewachsenen Kofferraum nicht komplett für sein Gepäck nutzen möchte, kann dort gegen Aufpreis zwei weitere Sitze aus dem Boden falten und zumindest den Nachwuchs auch in die dritte Reihe verbannen.
Piekfein und schwungvoll
Eher als hochbeinige Reiselimousine denn als Allrad-Abenteurer konzipiert, verwöhnt der Sorento seine Passagiere dabei mit einem gehobenen Ambiente und einer umfangreichen Ausstattung: Die Materialauswahl ist piekfein, die Verarbeitung tadellos und für fast jeden Handgriff gibt es einen elektrischen Helfer: Selbst die Kofferraumklappe schwingt auf Wunsch elektrisch auf, wenn man sich nur mit dem Schlüssel in der Tasche dem Heck nähert – und zwar ganz ohne den albernen Fußtritt unter dem Stoßfänger, den manche Konkurrenten erfordern.
Auch das Fahrverhalten ist betont komfortabel. Die Karosserie steifer und die Dämmung dicker als früher, fühlt man sich im Sorento wie von der Außenwelt abgeschottet und gleitet ganz entspannt durch Zeit und Raum. Das überarbeitete Fahrwerk bügelt tapfer auch die schlimmste Straße glatt und muss allenfalls vor den in Korea allgegenwärtigen „Speedbumps“ kapitulieren und die Lenkung ist nicht die direkteste. Aber mit ein bisschen Weitsicht lässt sich das zwei Tonnen schwere Dickschiff damit ganz gut auf Kurs halten. Erst recht, wenn man den sportlichsten der drei Fahrmodi wählt und dann nicht umsonst ein bisschen fester zupacken muss.
Keine zwei Herzen
Mit seinem neuen Format und der verfeinerten Finesse rückt der Sorento zwar ein gutes Stück näher an die Oberliga heran. Doch unter der Haube geben sich die Koreaner weiterhin betont bürgerlich. Nach vornehmen Sechszylindern sucht man dort deshalb genauso vergebens wie nach einem Hybrid-Antrieb, der gut in die Zeit gepasst und, dem Optima sei Dank, ja sogar im Regal gelegen hätte. Stattdessen setzt Kia auf die bekannten Vierzylinder, die beim Generationswechsel allenfalls dezent überarbeitet wurden. Auch die immer sechsstufigen Schalt- oder Automatikgetriebe kennt man vom Vorgänger und am optionalen Allradantrieb hat sich ebenfalls nichts geändert.
Das Basismodell fährt wie bisher mit einem 2,4 Liter großen Vierzylinder von 188 PS. Der Einstiegsdiesel bekommt einen Selbstzünder mit 2,0 Litern Hubraum und 185 PS und an der Spitze steht auch künftig der 2,2 Liter-Diesel, dessen Leistung von 197 auf 200 PS steigt.
Der Motor hat zwar stolze 441 Newtonmeter und wuchtet den Koloss aus Korea binnen 9,6 Sekunden auf Tempo 100, so dass man an der Ampel gut vom Fleck kommt und das Überholen auf der Landstraße nicht zur Mutprobe wird. Und daheim in Fernost schwimmt man damit auch auf der Autobahn ganz vorn in der ersten Welle. Doch bei uns dürfte es auf der linken Spur ein bisschen lustlos werden. Denn jenseits von 150 Sachen geht dem Sorento so langsam die Puste aus und bei 203 km/h ist Schluss mit dem Vortrieb.
Innen vieles auf dem Schirm
Während die Koreaner unter der Haube wenig Innovation zu bieten haben, glänzen zumindest im Cockpit mit jeder Menge Elektronik: Der Fahrer blickt auf einen großen Bildschirm im Tachokranz, in der Mittelkonsole funkelt ein riesiger Touchscreen, vier Kameras zeigen den Wagen beim Rangieren aus allen erdenklichen Perspektiven und natürlich halten die Assistenten automatisch den Abstand zum Vordermann und wachen über die Einhaltung der Fahrspur. Fehlen eigentlich nur noch der Lenkeingriff, die intelligenten LED-Scheinwerfer oder ein Head-Up-Display, dann könnte es der Sorento tatsächlich mit X5 & Co aufnehmen.
Zwar hat der Sorento beim Generationswechsel deutlich zugelegt und will damit so gar nicht in den Trend zum Downsizing passen. Doch die Koreaner haben die Zeichen der Zeit nicht übersehen. Denn als Gegenentwurf zum größer gewordenen Sorento wollen sie demnächst ihr Angebot auch am unteren Ende des Programms erweitern und einen kleinen Geländewagen im Stil der Studie Niro an den Start bringen. (Benjamin Bessinger/sp-x)