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Fahrbericht Honda NSX: Ferrari aus Fernost

17.03.2016 09:37 Uhr
Dass der NSX ein Sportwagen einer neuen Generation ist, kann man nicht nur der Fahrer spüren. Das kann auch jeder sehen.
© Foto: Honda

Honda meldet sich zurück im Kreis der Sportwagenhersteller und baut endlich wieder einen NSX. Auf dem Papier spielt der in einer Liga mit Audi R8, Porsche 911 und Ferrari 488. Aber in der Praxis fährt er in einer ganz anderen Liga.

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Von Benjamin Bessinger/SP-X

Was lange währt, wird endlich gut. Nach diesem Motto bringt Honda jetzt mit zehn Jahren Verspätung tatsächlich eine Neuauflage des NSX an den Start. Der Tiefflieger, der bei uns im Oktober für Preise um 151.260 Euro netto in den Handel kommt, will aber nicht einfach nur ein weiterer Supersportwagen sein, sagt Projektleiter Ted Klaus. Genau wie der erste NSX vor 25 Jahren will sein Nachfolger mal wieder die Grenzen verschieben und eine völlig neue Erfahrung bieten – nicht umsonst entschlüsselt Klaus das legendäre Kürzel mit "New Sportscar eXperience".

Dafür treiben die Japaner einen gewaltigen Aufwand und konstruieren den mit Abstand aufwändigsten Triebstrang in dieser Klasse. Zum neu entwickelten V6-Turbo mit 3,5 Litern Hubraum, 507 PS und 550 Nm, der hübsch drapiert unter Glas direkt hinter den Insassen tobt, gibt es nicht nur einen direkt angeflanschten Elektromotor mit 48 PS und 148 Nm zur Kompensation des Turbolochs und zur Verbrauchskosmetik. Dazu installieren die Japaner auch noch zwei E-Maschinen im Bug, die mit 37 PS und 74 Nm individuell auf die Vorderräder wirken. Das ergibt Systemwerte von 581 PS und 698 Nm und Fahrleistungen auf Ferrari-Niveau: Von 0 auf 100 in weniger als drei Sekunden und bei Vollgas 307 km/h – das sollte für die Wiederaufnahme in den Club der reichen Raser genügen. Und auch wenn Klaus den Hybridantrieb allein als Performance-Baustein sieht und sich sogar das stattliche Gewicht von 1.725 Kilo schönrechnet, weil der NSX dafür den tiefsten Schwerpunkt seiner Klasse hat, drückt der Akkupack hinter dem Fahrersitz natürlich auch den Verbrauch: 10,4 Liter jedenfalls sind für einen Sportwagen dieses Kalibers nicht schlecht.

Man bremst später und beschleunigt früher

Doch die Papierform wird dem Fahreindruck nicht einmal ansatzweise gerecht: In der Theorie mag der NSX in einer Liga mit Audi R8, Porsche 911 oder Ferrari 488 fahren. In der Praxis allerdings stößt er mit seinem Antriebskonzept in andere Dimensionen vor. Wo andere Hersteller beim Ritt auf der Ideallinie einzelne Räder einbremsen müssen, damit die Kraft nicht im Quietschen der Reifen verraucht und der Vortrieb nicht zum Querschlag wird, gibt der NSX mit seinen beiden Frontmotoren individuell und bisweilen sogar in gegenläufiger Richtung zusätzlich Gas und kommt so noch schneller ums Eck. Lenken wird förmlich zum Gedankenspiel, die Flunder lässt sich fast mit dem kleinen Finger führen, man bremst später und beschleunigt früher und man fühlt sich so schnell wie weiland Ayrton Senna, der den ersten NSX mit entwickelt hat.

Und trotz der komplizierten Rechenprozesse, die der NASA wahrscheinlich für eine Marsmission gereicht hätten, fühlt sich das alles ungeheuer selbstverständlich, authentisch und intuitiv an. So widersinnig es auch klingt: Es dauert nur drei, vier Kurven, dann hat man den Antrieb fast vergessen. Wie gut, dass sich der V6 mit einem gewaltigen Brüllen und einem eigenen Sound-Bypass in die überraschend geräumige Kabine mit jedem Gasstoß lautstark wieder in Erinnerung bringt.

Dieses Zurücknehmen, dieses bewusste Abtauchen ins Unterbewusste – diesen Charakterzug zeigt der NSX in vielen Dingen. Nicht zuletzt auch im Cockpit. Denn mögen die digitalen Instrumente noch so brillant programmiert sein, das Lenkrad noch so gut in der Hand liegen und die Sitze noch so gut Komfort und Seitenhalt vereinen. Sobald der Blick überraschend ungehindert die Scheitel- und Bremspunkte der nächsten Kurven fokussiert, ist all das vergessen und das Auto wird von innen heraus fast schon unsichtbar, so weit nimmt sich der NSX zurück.

Der Tiefflieger drückt sich aalglatt auf die Straße

Dass der NSX ein Sportwagen einer neuen Generation ist, kann man nicht nur der Fahrer spüren. Das kann auch jeder sehen. Nicht umsonst duckt sich der Tiefflieger aalglatt wie ein Stealthbomber auf die Straße, hat im Windkanal eine Form bekommen, die sich nur der Aerodynamik und der Luftführung für die zehn Kühler verpflichtet fühlt und deshalb allein der Funktion folgt, und verzichtet bis auf die jeweils sechs gleißenden LED-Spots in den Scheinwerfern oder die vier in die Mitte gerückten Endrohre auf jede Effekthascherei. Und man kann es sogar hören – zumindest wenn der Fahrer morgens im "Quiet"-Mode startet und die ersten paar Kilometer bis knapp unter 100 km/h elektrisch aus dem Viertel surrt. "Man muss sich ja seine Nachbarn nicht gleich zum Feind machen", sagt Projektleiter Klaus. Es reicht, wenn man den Rest der Sportwagengemeinde gegen sich aufbringt. Und die wird auf den NSX tatsächlich nicht gut zu sprechen sein. Denn die engeren Konkurrenten aus Italien und Deutschland sehen plötzlich ziemlich alt aus und Autos wie der Porsche 918 oder der BMW i8 sind auf einmal weniger exotisch.

Das ist nicht nur Balsam auf die geschundene Seele von Honda, wo der Sportsgeist lange verkümmert war und erst sich erst so langsam wieder bemerkbar macht. Das ist auch gut für das Selbstvertrauen der gesamten japanischen Automobilnation. Denn Autos wie der LFA bei Lexus, der GT-R bei Nissan und nun endlich auch wieder ein NSX bei Honda zeigen, dass die Erbsenzähler nicht mehr alleine das Sagen haben und man auch in Tokio und Tochigi um den Wert der Fahrfreude weiß. Jetzt fehlt auf der Überholspur fehlt eigentlich nur noch Mazda. Aber was nicht ist, kann ja noch werden: Die Arbeiten an einem neuen Wankelmotor laufen schließlich auf Hochtouren und die passende Hülle wäre mit der atemberaubenden Studie RX bereits gefunden.


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