"Die Kinder sollen es einmal besser haben als wir", hieß es noch fast unisono vor 30 oder 40 Jahren, wenn es um die Zukunft der jungen Generation ging. Auch wenn man heute fast schon mit der Bewahrung des Status Quo zufrieden wäre, so streben die meisten Menschen individuell doch immer noch nach oben. Und da das Auto ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist, gilt das auch für einzelne Modelle beziehungsweise Fahrzeugklassen: Kleinwagen, die mindestens wie Kompakte daherkommen oder Kompakte, die im Innenraum hochwertiger wirken als noch vor zwei Jahrzehnten eine Oberklasse.
Und natürlich strebt auch die deutsche Mittelklasse zu Höherem, denn gerade sie wird ja überwiegend von ehrgeizigen Vertrieblern und Managern mittlerer Hierarchiestufen bewegt. Der neue Passat ist ein Beispiel für diese Entwicklung, der neue Mondeo nicht minder. Wir haben die Kölner Mittelklasse genauer unter die Lupe genommen, und zwar als edle Fließhecklimousine mit dem mächtigen, für die Business-Langstrecke bestens geeigneten 2,0-Liter-Diesel in der stärkeren, 132 kW/180 PS leistenden Version. Übrigens: Mindestens 26.400 Euro (netto) ruft Ford für diese Variante seines Spitzenmodells auf.
Die neue Generation des Mondeo hat sich ein wenig zu lange Zeit gelassen. Eigentlich sollte sie viel früher in Europa in den Handel kommen, doch durch Verzögerungen bei der Produktionsumstellung kam es zu einem Jahr Verspätung. In den USA gibt es den Mondeo schon seit 2012 – nur heißt er dort Fusion.
Gefühle sollen aufkommen
Was Motoren und Fahrwerke angeht, gehört Ford seit Jahren zur Spitze, zumindest unter den Volumenherstellern. Jetzt soll auch ein Schuss Emotion dazukommen, was schon mit der Überarbeitung des kleineren Focus unter Beweis gestellt wurde. Ganz deutlich nimmt daher auch der Mondeo optische Anleihen bei Aston Martin, vor allem bei der Frontgestaltung und hier speziell mit dem selbstbewussten Kühlergrill. Ansonsten setzt Ford auf die heute üblichen Zutaten: scharfe Linien und Karosserieknicke, schneidig ins Seitenblech einlaufende Scheinwerfer und ähnliche Designtricks. Allerdings haben die Mondeo-Gestalter einen guten Mittelweg getroffen. Der große Ford wirkt nicht so nüchtern wie ein Passat, aber auch nicht overstyled wie manche Produkte aus Fernost.
Dies trifft auch auf den Innenraum zu, wo ein klar gezeichnetes und übersichtliches Armaturenbrett wartet. Optische Highlights hat Ford hier kaum gesetzt, vielleicht gut so, denn dann bleibt das Innenleben des Mondeo länger frisch. Allerdings gelingt die Bedienung nicht ganz so selbstverständlich wie etwa beim großen Rivalen aus Wolfsburg, dafür steht die Materialqualität dem Passat kaum nach. Und dann ist da natürlich noch die weitere Stärke des Mondeo: sein Platzangebot gerade auf den hinteren Plätzen. Hier können zwei Erwachsene auch eine richtig lange Reise genießen, ganz ohne Rückenschäden oder eingeklemmte Blutbahnen. Die praktische Fließheck-Version offeriert zudem ein in der Normalkonfiguration eher durchschnittliches Laderaumvolumen von knapp 460 Litern (mit echtem Reserverad an Bord), bei umgeklappten Sitzen zeigt sich der Vorteil dieser Karosserieform: Knapp 1.450 Liter Volumen – das ist schon Kombi-Niveau. Gerade deswegen, und weniger wegen des eher schmalen Preisunterschieds von 1.000 Euro könnte das Fließheck-Modell eine Alternative zum in Deutschland üblichen Business-Kombi sein.
Meist liegt der Ford perfekt
Zumal, wenn man den derzeit größten Diesel mit 180 PS gewählt hat. Da muss man mit kompletter Ausstattung zwar schon mit annähernd 34.000 Euro rechnen, hat dann aber auch tatsächliche eine langstreckentaugliche Limousine am Start, die praktisch schon die Ansprüche der oberen Mittelklasse erfüllt. Das Fahrwerk ist wie fast immer bei Ford derart gut, dass man seine Grenzen wohl nur auf abgesperrter Strecke wirklich austesten kann. Mit dem gegen Aufpreis (1.700 Euro im Komfort-Paket) erhältlichen elektronisch einstellbaren Fahrwerk, lässt es sich zwischen der Komfort-, der Normal- und der Sporteinstellung wählen, wobei der Ford in der Komfort-Einstellung doch ein wenig zu lasch wird, in beiden anderen Konfigurationen jedoch satt auf der Straße liegt.
Der Motor soll im Mix nur 4,4 Liter verbrauchen (CO2-Ausstoß: 115 g/km, Effizienzklasse: A), schlagen wir die übliche Marge obendrauf, landen wir in der Praxis wohl bei durchaus akzeptablen 5,5 bis 6,0 Liter – so zumindest war es auf unserer ausgiebigen Testfahrt. Wobei nicht alles am Mondeo perfekt war. So gönnt sich der große Diesel doch eine zu deutliche Atempause unter 2.000 Umdrehungen, um dann umso vehementer loszustürmen. Das ist, zumal in Verbindung mit dem eher bieder zu schaltenden Sechsganggetriebe, nicht immer ein Spaß. Hier könnte die für diesen Motor angebotene Automatik helfen, ein Doppelkupplungsgetriebe mit sechs Gängen für allerdings 1.700 Euro Aufpreis.
Von diesen Schwächen abgesehen, hat Ford beim Mondeo vieles richtig gemacht. Seine Tugenden – die großzügigen Platzverhältnisse, das tolle Fahrwerk etc. – wurden beibehalten und vor allem mit einem viel moderneren Design ergänzt. Und natürlich gibt es in der neuen Generation noch viele Dinge, die vorher auch nicht gegen Geld und gute Worte zu haben waren: LED-Scheinwerfer zum Beispiel, den Gurtairbag für hinten und die heute üblichen Assistenzsysteme. Alles eben fast schon eine Klasse höher. So kann man dem neuen Mondeo nicht wirklich viel vorwerfen – vielleicht nur, dass er gerne auch schon voriges Jahr hätte kommen können. Aber auch hier ist es ja vielleicht wie im richtigen Leben: Es sind häufig die späten Partygäste, auf die man besonders sehnsüchtig gewartet hat. (Peter Eck/sp-x)