Anfang 2018 stellt Mercedes die neue Generation des Sprinter vor. Nachdem der bisherige Kooperationspartner Volkswagen abgesprungen ist und seinen Crafter gemeinsam mit der Markentochter MAN (TGE) baut, setzen die Schwaben jetzt beim neuen Modell ohne Partner auf das Zukunftsthema Digitalisierung und will mit maßgeschneiderten Lösungen und individuellen Serviceangeboten Kunden locken.
Großen Absatzproblemen dürfte der in Düsseldorf gebaute Mercedes-Transporter wohl kaum entgegensehen. Das Segment boomt und seit seiner Einführung 1995 ist der Sprinter ein Bestseller, wurde weltweit mehr als 3,3 Millionen Mal verkauft – damit liegt er auf dem Niveau der A-Klasse. Und der Bedarf an mehr oder weniger kleinen Transportern wird in nächster Zeit weiter zunehmen. Irgendwie müssen die Pakete aus dem Online-Handel schließlich zum Kunden gebracht werden: Wurden 2014 weltweit noch 44 Milliarden Sendungen verschickt, mussten DHL, UPS und sonstige Botendienste im vergangenen Jahr schon 65 Milliarden Pakete zustellen. Eine ihrer größten Herausforderungen ist dabei die sogenannte letzte Meile, also der Weg vom Lager zum Kunden.
Viele Forscher arbeiten daran, mit intelligenter Technik diesen verhältnismäßig kurzen Weg zu optimieren. Warum, zeigt ein einfaches Beispiel: UPS fährt in den USA pro Tag circa 55.000 Ausliefer-Touren, pro Runde stoppt das Auto im Schnitt 120 Mal. Rein rechnerisch gibt es unzählige Möglichkeiten, die einzelnen Haltepunkte zu einer Route zu kombinieren. Sinn ergeben davon freilich nicht alle, doch selbst wenn die offensichtlich in die Irre führenden Wege ausgeschlossen werden, bleiben noch mehr als genug mögliche Wege. Würde UPS es schaffen, pro Tour auch nur eine Meile weniger fahren zu müssen, könnte das Unternehmen in Summe rund 50 Millionen US-Dollar jährlich einsparen.
Topmodell auf Pkw-Niveau
Zu dieser Effizienzsteigerung kann der Sprinter selbst nicht allzu viel beitragen, dafür braucht es vor allem eins, nämlich Daten. Wann muss welches Paket wo sein, wie ist der Verkehr auf der Straße, wann ist Rushhour, ist irgendwo ein Unfall, wie ist das Wetter, und so weiter, und so fort. Damit der Datenaustausch reibungslos funktioniert, ist zukünftig jeder Sprinter vernetzt. Zwar gibt es Märkte, denen die Connectivity-Schnittstelle ab Werk vorenthalten wird, zumindest die Vorrüstung für einen nachträglichen Einbau ist aber stets an Bord. Hierzulande ist der Internetzugang immer dabei, selbst wenn man die einfachste von vier Cockpit-Ausbaustufen wählt, die neben Lichtschalter, Start-Knopf und zwei Drehreglern für die Heizung völlig nackt daher kommt. Das Topmodell übrigens kann dagegen locker mit den Pkw mithalten, fährt mit dem Multifunktionslenkrad aus der S-Klasse, einem 10,25-Zoll-Display und Chrom- sowie Klavierlack-Dekor vor.
Mercedes-Benz Sprinter (2019)
BildergalerieDoch zurück zur Internet-Schnittstelle, die auch Voraussetzung für ein neues Service-Angebot vom Daimler ist: Mercedes Pro. Über den Dienst können Fuhrpark-Manager, Fahrer und Auto miteinander kommunizieren. Neben der Abfrage des aktuellen Tankfüllstandes oder des nächsten Ölwechsels kann der Disponent beispielsweise auch Fahrzeuge einzelnen Lenkern zuweisen, die dann zu Schichtbeginn nicht erst einen Schlüssel holen müssen, sondern den Wagen per App öffnen. Apropos Tankfüllstand: Neben den klassischen Verbrennern gibt es den weiterhin in verschiedenen Längen und Höhen erhältlichen Sprinter ab 2019 auch mit Elektro-Antrieb. Details verrät Mercedes noch nicht, allerdings soll der Baustein dem gerade vorgestellten E-Vito ähneln. Außerdem wollen die Stuttgarter mit dem Sprinter im Idealfall auch gleich die ganze Infrastruktur mitverkaufen, und unterstützen Flottenbetreiber beim Aufbau geeigneter Ladestationen.
Erstmals mit Frontantrieb
Neben dem E-Antrieb hält der nächste Sprinter noch ein Novum bereit: Erstmals wird es ihn auch mit Frontantrieb geben. Das hat nicht nur Auswirkung auf das Fahrverhalten, sondern vor allem auf den Laderaum. Durch die fehlende Kardanwelle kann der Ladeboden um 8 Zentimeter abgesenkt werden und so vielleicht noch das ein oder andere Paket mehr verstaut werden. Oder die Passagiere haben mehr Kopffreiheit, schließlich gibt es den Sprinter auch vollbestuhlt. Überhaupt hat sich Mercedes das Ziel gesetzt, für jeden Kunden eine passende Lösung anzubieten, was zu nicht weniger als 1.000 verschiedenen Konfigurationen führt – die unterschiedlichen Lackfarben noch nicht mitgerechnet.
Eine Ausbaustufe, die vielleicht in Zukunft reichlich Abnehmer finden könnte, ist der Sprinter als Essenstransporter. Noch wird nur ein Prozent der Lebensmittel hierzulande online bestellt, doch bis 2020 soll der Markt jährlich um 15 Prozent wachsen. Mercedes arbeitet daran, den Sprinter so umzurüsten, dass er drei verschiedene Kühlzonen – gefroren, gekühlt, Zimmertemperatur – hat, die beliebig variiert werden und so beladen werden können, dass die nächste auszuliefernde Tüte immer vorne im Regal steht. Auf seiner App sieht der Fahrer dann, wo er hin muss, und das leuchtende Regal im Laderaum zeigt ihm, welche Lieferung hier abzugeben ist. In den vierten Stock wird er die Sachen allerdings auch in Zukunft noch selber tragen müssen.