Von Hanne Lübbehüsen/sp-x
"Ich habe das Gefühl, in einem viel kleineren Auto zu sitzen". Was für den Laien nicht nach einem Kompliment für eine Oberklasse-Limousine klingt, freut den obersten Fahrwerksentwickler auf dem Beifahrersitz: Vor allem dann, wenn dieser Satz nach einer schnellen Hatz durch enge Kurven und Slalom-Parcours ausgesprochen wird, bei dem weder das rund fünf Meter lange Auto noch der Fahrer ins Schwitzen gekommen sind.
Noch ist der neue 7er BMW in der Feinabstimmung, nach der IAA im September kommt er auf den Markt. Auf der werkseigenen Teststrecke in Miramas fahren die Limousinen deshalb getarnt mit schwarz-weißer Beklebung, der Innenraum ist mit Tüchern verhängt. Das man nicht so viel vom neuen Auto sieht, ist für den Moment nicht so schlimm, geht es doch vor allem darum, was man spürt.
Um das gute Gefühl bei dynamischer Fahrt um die Kurven zum Beispiel, wenn die Hinterräder mitlenken und die Stabilisatoren das Wanken der Karosserie aktiv verhindern. Die weiterentwickelte Allradlenkung kann in der neuen Generation 7er auch mit Allradantrieb kombiniert werden. "Beim Handling kaschieren wir die Größe des Fahrzeugs", erklärt BMWs oberster Fahrwerksentwickler Peter Langen seine Freude über den eingangs erwähnten Satz. Zur perfekten Handlichkeit hat auch der drastische Leichtbau beigetragen, der dem neuen 7er – unter anderem durch ein Einsatz von Karbon – 130 Kilo eingespart und zudem den Schwerpunkt senkt.
Rund 340.000 Exemplare der aktuellen Generation sind seit 2008 verkauft worden, zurzeit geht knapp die Hälfte der Produktion nach China. Dort ist das Münchner Stufenheck Statussymbol für junge Erfolgstypen: Im Schnitt 38 Jahre alt ist der chinesische 7er-Käufer. Das globale Durchschnittalter liegt bei Mitte/Ende 50, in Deutschland sind die Fans um die 60 Jahre alt.
Berühren, drehen, drücken, sprechen und gestikulieren
Eine Bandbreite an kulturellen und altersspezifischen Geschmäckern, die die neue Generation befriedigen muss. Ein Beispiel: Die junge, technikaffine chinesische Kundschaft erwartet eine Bedienung, die sie aus der Unterhaltungselektronik kennt: Touchscreens. Die gesetzten Fans haben sich mit Müh und Not an das Scrollen mit dem Dreh-Drück-Steller gewöhnt. Um allen gerecht zu werden, können die Funktionen nun redundant über den Touchscreen oder das Drehrädchen angewählt werden. Die Schriftzeicheneingabe funktioniert natürlich auch noch. Nicht zu vergessen die verbesserte Spracheingabe, für die man nun keine Befehle mehr lernen muss, sondern mit der man laut BMW ganz normal reden kann.
Als weitere Bedienoption ist die Gestensteuerung, die auch ohne Übung fast auf Anhieb funktioniert, brandneu: Vier verschiedene Handzeichen gibt es, vor der Mittelkonsole ausgeführt werden sie von der Kamera erkannt. Lässt man beispielsweise den Zeigefinger rechts herum kreisen, dreht man die Musiklautstärke lauter (links herum leiser). Einen Anruf nimmt man mit dem Tippen eines Fingers in die Luft an oder lehnt ihn mit einer Wisch-Bewegung ab. Die vierte Geste – das Tippen mit zwei Fingern in die Luft – lässt sich frei belegen.
Aus der Notwendigkeit, verschiedenste Geschmäcker mit einem sehr auf sie zugeschnittenen Produkt zu bedienen, haben die BMW-Entwickler auch in anderen Hinsicht eine Tugend gemacht und den Fahrmodus "Adaptive" am serienmäßigen Fahrerlebnisschalter erfunden. Denn: Natürlich muss ein 7er allein schon aus Image-Gründen auf dem Rundkurs bestehen können. "Das ist das Versprechen unseren Kunden gegenüber", so Langen. Für die meisten Selbstfahrer wichtiger dürfte aber die Performance auf einer kurvigen Landstraße sein, das Spezialgebiet des "Adaptive Mode".
Wie auf einem Daunenkissen
Denn während bei "Comfort+" das serienmäßige Luftfahrwerk (in der neuen Generation vorn und hinten) auf dem Holperstück des Testgeländes die Unebenheiten so fein wegbügelt, dass es sich anfühlt als säße man auf einem Daunenkissen und auch der Modus Comfort seinem Namen alle Ehre macht, macht "Sport" zwar einen Heidenspaß, ist aber auf Dauer nichts, wenn die Frisur der Gattin nicht verrutschen soll. Der Kompromiss-Knopf (im besten Sinne) "Adaptive" reagiert auf Fahrpedal- und Lenkradbewegungen sowie Navigationsdaten und stellt Antriebs- und Fahrwerkssysteme automatisch passend zur Situation ein.
Ein weiteres Argument dafür, vom Platz rechts hinten öfter mal an das Steuer der Cheflimousine zu wechseln, sind neue Assistenzsysteme, die vor allem das Langstreckenfahren angenehmer machen: Der Lenkassistent (bis 210 km/h) hält das Fahrzeug in der Spurmitte und funktioniert auch noch, wenn die Kamera die Fahrspurmarkierungen nicht mehr erkennt, indem der 7er sich dann an dem vorausfahrenden Auto orientiert. Nicht zu verwechseln mit dem weiter entwickelten Spurassistenten, der das Auto erst einfängt, wenn es über die Markierung zu driften droht – und neuerdings auch gegenlenkt, wenn er auf der Nebenspur Kollisionsgefahr erkennt.
Selbst das Aussteigen macht der 7er dem Fahrer noch angenehm: Neben dem Fahrzeug stehend kann er mit einem Tipp auf den Schlüssel, der neuerdings ein Display hat, das ferngesteuerte Parken aktivieren und das Schiff rollt und lenkt selbstständig in die Lücke. (sp-x)