Eine Krise ist auch immer eine Chance, sagt man. Für den Kleinwagen Mini stimmt das. Seine nun 55 Jahre währende Karriere hätte er ohne den Krieg um den Suez-Kanal wohl so nicht gegeben. Der Streit um die Besitzrechte an dem Öl-Transportweg zwischen Rotem Meer und Mittelmeer führte bei der British Motor Corporation (BMC) Ende der 50er-Jahre zum Wunsch nach einem preiswerten, einfachen und sparsamen Viersitzer für die beiden Konzernmarken Austin und Morris.
Das Ergebnis war ein Auto, das heute als Urvater des Kleinwagens gilt. Mini-Erfinder Alec Issigonis erdachte eine Konstruktion, die für die damalige Zeit einfach, aber revolutionär war. Statt den Motor wie gewohnt längs zur Fahrrichtung zu positionieren, drehte er ihn Kurzerhand um 90 Grad und baute ihn platzsparend quer ein. Die Kraftübertragung zur Hinterachse sparte er sich gleich auch und setzte lieber die Vorderräder in Bewegung. Das sparte Kosten und Bauraum. So wurde ein extrem kurzer, relativ geräumiger und sehr preisgünstiger Viersitzer möglich. Heute ist dieses Layout Standard bei fast jedem Kleinwagen – vom VW Polo bis zum Toyota Yaris.
Mehr Sport brachte den Erfolg
Die technische Notlösung wurde beim Mini schnell zum unschätzbaren Vorteil. Die geringen Abmessungen und die weit außen an der Karosserie angebrachten Räder ermöglichten erst das klassische, niedliche Design, das dem Mini schnell die Herzen zufliegen ließ. Zunächst überzeugten die Pläne das BMC-Management, das daraufhin für den ersten Prototypen von 1958 grünes Licht zur Serienproduktion gab. Bereits rund ein Jahr später, am 18. August verließen die ersten Exemplare das Werk im britischen Birmingham.
Anders als heute gab es am Anfang zunächst zwei Minis: den Morris Mini-Minor und den Austin Seven, beide angetrieben von einem 34 PS starken Vierzylinder-Benziner. Die Verkäufe liefen allerdings zunächst schleppend. Erst als 1961 die sportliche Cooper-Versionen mit 55 PS in Kleinserie auf den Markt kam, startete der bis heute anhaltende Kult um den Kleinwagen. Nachdem die erste Auflage von 1.000 Fahrzeugen nach nur wenigen Wochen ausverkauft war und die BMC-Motorsportabteilung nach einer Wettbewerbsversion verlangte, wurde der Cooper S aufgelegt, jetzt mit stolzen 70 PS Leistung. Zugleich nahm BMC den normalen Cooper ins reguläre Mini-Verkaufsprogramm.
Zahlreiche Varianten heizten die Nachfrage weiter an: Zeitweise gab es einen Kombi, ein Cabrio, einen Lieferwagen und auch einen Pick-up. Mit vielfältigen Ausstattungsoptionen und Sondermodellen ließ sich der Kleinwagen als Sportler, Edelflitzer oder Freizeitmobil ordern. Rund 5,4 Millionen Exemplare des Kleinwagens liefen bis zum Jahr 2000 vom Band, mittlerweile unter der Regie von Rover.
Die BMW-Zeit
Auch der neue Besitzer BMW erkannte das Kult-Potential des Autos und stellte 2001 seine eigene Interpretation des Klassikers vor – lifestyliger, schicker und flotter als zuvor. Das Auto wurde sogleich ein Erfolg. 2004 schob BMW ein Cabrio nach, 2006 kam die zweite Auflage der Limousine mit besseren Motoren, aber im gleichen Retro-Stil wie seine Vorgänger. In den Folgejahren baute BMW das Angebot immer weiter aus, unter anderem mit einem SUV, einem Roadster und einem Kombi. Mittlerweile ist bereits die dritte Auflage unter Münchner Regie auf dem Markt – und trotz gewachsener Abmessungen sieht man dem Mini die Verwandtschaft mit dem 55 Jahre alten Urahn immer noch an. (Holger Holzer/sp-x)