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Mercedes-Benz EQE 350+: Die Interpretation von Luxus

18.05.2022 10:00 Uhr | Lesezeit: 7 min
Der EQE ist das neueste Beispiel des Perfektionsstrebens.
© Foto: Mercedes-Benz

Mercedes-Benz elektrifiziert, was das Zeug hält. EQC, EQV, EQA, EQB, EQS und jetzt EQE - was übrigens der interessanteste Stromer für die Flotte ist. Wir fuhren den Langstreckenläufer EQE 350+.

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Bei den Schwaben hat's gefunkt. Aus ihrer Sicht gibt es nun in fast jedem Segment einen Rein-Stromer. Gut, dass Mercedes-Chef Ola Källenius vor rund zwei Jahren betonte, dass die Zukunft von Mercedes im Luxus angesiedelt sei. Dieser verkauft sich bekanntlich einfach und lukrativ - so auch in der Elektromobilität.

Der EQE ist das neueste Beispiel des Perfektionsstrebens. Wie der Name suggeriert, fühlt er sich in der oberen Mittelklasse zuhause - Stammgebiet der E-Klasse, deren Limousine aus dem Programm gestrichen ist. Die Lücke soll der EQE schließen. Vielfahrer willkommen. Denn genau für sie sei der EQE gemacht. Mit 4,95 Metern Länge und 1,96 Metern Breite ist der im Bremer Werk gefertigte Benz in der Innenstadt ebenso unpassend wie der identisch breite Bruder EQS.

Wer ihn dennoch universell einsetzen möchte und mehr Fahrspaß wünscht, ist gut beraten, eine der Hinter-Achs-Lenkungen (HAL) zu bestellen. Die kleine Version lenkt mit bis zu 4,5 Grad, kostet stramme 1.300 Euro und reduziert den Wendekreis von 12,5 auf 11,6 Meter. Wer das Premium-Paket bestellt, bekommt 5,5 Grad mehr für denselben Aufpreis - so geht heutzutage der Verkauf von Extras. Denn das Premium-Paket kostet 11.860 Euro. Die 10-Grad-Version reduziert den Wendekreis auf 10,7 Meter. Dieses Fahrgefühl ist zugegebenermaßen phänomenal und macht aus einem finnischen Gewichtheber einen brasilianischen Capoeira-Kämpfer - egal ob in der Frankfurter City oder hoch zum Feldberg. Dass sich beim Rangieren die Lenkanschläge akustisch zu Wort melden, schreiben wir der Vorserie zu. Luxus klingt anders.


Mercedes EQE Fahrbericht (2022)

Mercedes EQE Fahrbericht (2022) Bildergalerie


Mercedes-Benz EQE 350+

  • Preis: ab 59.350 Euro
  • E-Motor Heckantrieb: 215 kW / 292 PS | 565 Nm | 210 km/h | 6,4 s
  • WLTP-Verbrauch: 16,3 kWh/100 km
  • WLTP-Reichweite: 639 km
  • AC: 11 kW (ab Sommer 22-kW-Option)
  • DC: 170 kW
  • Akku: 90,5 kWh 4.946 x 1.961 x 1.510 mm | 430 Liter
  • HK: 21 | TK: 29 | VK: 28
  • Wartung: 2 Jahre/30.000 kmGarantie: 2 Jahre | Akku: 10 Jahre/ 250.000 km mit 70 % State-of-Health

Alle Preise netto zzgl. Umsatzsteuer



Zur Definition von Luxus gehört oft auch der Begriff Komfort. Den bietet der EQE mit der Luftfederung für 1.750 Euro. Auf der anderen Seite hilft sie, dass sich der EQE nicht nach 2,4 Tonnen anfühlt. Gut 500 Kilogramm dürfen Menschen und Gepäck wiegen. Eine Anhängekupplung gibt's für 840 Euro. 750 Kilogramm Anhängelast sind indes mager, reichen aber für den Fahrradträger. Denn in den Kofferraum passt nicht viel. 430 Liter sind 120 weniger als in der Verbrenner-E-Klasse. Und es gibt - analog zur E-Klasse - keine Heckklappe, sondern eine kleine Öffnung. Laut Mercedes würden die Scharniere oben an den C-Säulen viel Bauraum einnehmen und Kopfraum rauben. Tatsächlich sitzt es sich im Fond kommod, wenngleich der Dacheinzug an den Seiten weit nach unten reicht, man sich daher beim Einsteigen stark verbeugen muss und beim Drinsitzen nicht immer sieht, was draußen passiert. Das mit dem Sehen ergeht auch dem Fahrer beim Blick in die winzige Heckscheibe so.

Vorn tut sich dafür Weite auf - auch ohne Hyperscreen (7.200 Euro), der zwar imposant wirkt, aber dessen drei Bildschirme verzichtbaren Zusatznutzen mit sich bringen. In der Basis ist das Infotainment gut bedienbar, viele Funktionen, die man nicht findet, findet die MBUX-Dame. Was verwundert: dass das Mercedes-Navi noch immer nicht die Suchqualitäten von Google-Maps besitzt.

Qualitativ macht dem Benz kaum einer was vor. Genau dann stören aber so Dinge wie die Spaltmaße der Motorhaube, die zum Kotflügel hin Briefeinwurf-Größe haben, oder der Plastikstopfen am Ladeanschluss. Strom fasst der EQE hinten rechts. 170 kW in der Spitze, was den 90 kWh-Akku in gut einer Stunde füllen könnte. An der Wallbox klappt das mit 11 kW und ab Sommer optional mit 22 kW. 640 Kilometer sollen mit einer Ladung möglich sein.

Die erwähnte Qualität spiegelt sich auch in Form des Antriebs wider. Dieser Mercedes fährt sich in jeglicher Hinsicht extrem geschmeidig und erreicht ein Niveau, das wir bislang bei einem E-Auto noch nicht erlebten. Vom E-Motor bekommt man nichts mit. 292 PS hat der EQE 350+ (das Plus steht für die höchste Reichweite der Baureihe) zu bieten und damit gefühlt so viel wie fast jedes E-Einstiegsmodell. Viel ist das also längst nicht mehr. So beschleunigt der EQE zwar nachhaltig, aber wenig spektakulär. Druck ist vorhanden - bei Nässe gibt es sogar Traktionsprobleme - und der ebbt auch auf schnellen Autobahn-Etappen nicht ab. 210 km/h könnte er. Erstaunlich, wie leise der Wagen bei dem Tempo ist. Die Mercedes-Gestalter haben großen Wert auf Aerodynamik gelegt, was das etwas belanglose Design verrät (cw-Wert 0,22). Es gibt nichts, woran sich das Auge festhalten kann. Der Vorteil der glatten Linie: viel Ruhe im Innenraum. Diese kann man mit der Doppelverglasung (900 Euro) noch steigern. Kleiner Haken: Das Premium-Plus-Paket für 14.865 Euro muss zwangskombiniert werden. So schwindet auch bei Mercedes-Benz, wie bei Volvo und anderen"Luxus"-Marken die Individualisierungsvielfalt, die für einige Kunden echten Luxus definiert.

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