Von Michael Gebhardt/SP-X
Nicht weniger als die Neuerfindung des Automobils verspricht Mercedes sich und den Kunden mit der neu gegründeten und auf dem Pariser Autosalon erstmals vorgestellten Sub-Marke EQ. Unter dem Dach der neuen Brand, deren Name nicht zufällig ein Kofferwort aus Emotion und IQ ist, wollen die Stuttgarter fortan ihre Elektro-Modelle und die dazugehörigen Services bündeln. Damit das für die Besucher der Messe etwas greifbarer ist, hat Daimler gleich eine erste Studie auf den Stand gestellt, die die Marschrichtung für die neue Marke vorgibt. Der Generation EQ, ein mittelgroßes SUV-Konzept, trifft den Nerv der Zeit und schlägt in die derzeit immer größer werdende Nachfragekerbe der kompakten Hochbeiner. Futuristisch gestylt und doch klar als Mercedes zu erkennen, darf Chef-Designer Gordon Wagener zurecht stolz auf das Concept Car sein, das den Grundstock für eine ganze Familie legen soll.
Die neuen Stromautos werden, wenn die Gerüchteküche Recht behalten soll, der gängigen Benz-Nomenklatur angepasst. Heißt: Der EQS dürfte das Top-Modell werden, ein möglicher EQB als Einstiegsmodell dienen und der EQE könnte zur elektrischen Businesslimousine werden. Man wolle bestehenden Modelle nicht eins zu eins als Elektro-Variante nachbauen, bestätigt Mercedes’ Marketing-Chef Jens Thiemer, aber natürlich werde man bei den Purpose-Design-Fahrzeugen der EQ-Reihe die bekannte Klasseneinteilung wiederfinden. Purpose Design, das heißt, dass man eben nicht nur den Verbrenner rauswirft und den E-Motor einbaut, wie jüngst wieder beim Smart geschehen, sondern dass das Fahrzeug von Anfang an als Stromer konstruiert wird. Das gibt Designern und Packaging-Experten neue Möglichkeiten. Vor allem der Platz, den bislang der Motor einnimmt, kann zukünftig effizienter genutzt werden. Ein Beispiel gibt dafür gibt auf der Messe auch Renault, die unter der langen Haube ihrer E-Studie Trezor Raum für zwei maßgeschneiderte Koffer geschaffen haben.
Doch zurück zum EQ: Den Anfang der neuen Automobilgeneration dürfte wohl der EQC machen, der aus der, laut Thimer, sehr seriennahen Paris-Studie hervorgehen und noch 2018 bestellbar sein wird. Damit betreten die Schwaben ein Feld, das derzeit nur von Tesla mit dem Model X beackert wird. Von Daimlers Tesla-Fighter ist in den Messehallen immer wieder zu hören, doch Thiemer macht klar: Tesla ist nur ein zukünftiger Konkurrent! Die Karten im Spiel um Marktanteile und Umsatzzahlen werden derzeit neu gemischt, alle Hersteller müssen sich mit veränderten Rahmenbedingungen und Kundenwünschen auseinandersetzen. Dazu zählen für Thiemer auch neue Mobilitätsangebote, die vom klassischen Autokauf abweichen. CarSharing oder Auto-on-demand sind Modelle, die zweifelsohne eine Chance haben, in mehr oder weniger naher Zukunft für viele Kunden attraktiv zu werden. Aber natürlich, so Thiemer, müssen auch die Autos fürs Teilen von irgendjemand gebaut werden – am besten natürlich von Mercedes-Benz.
An neue Marke gewöhnen
Bis der Erfinder des Automobils zum Big Player im Stromgeschäft wird, werden allerdings noch ein paar Jahre vergehen. Natürlich müssen sich die Kunden zunächst langsam an die neuen Modelle und die neue Marke gewöhnen, so Thiemer. Dazu sollen die bestehenden E-Autos wie die batteriebetriebene B-Klasse und die Plug-in-Hybrid-Varianten einen großen Teil dazu beitragen. Ob auch sie allerdings zukünftig nicht mehr als Mercedes-Benz, sondern analog zu AMG und Maybach als Mercedes-EQ firmieren, ist noch offen. Denkbar wäre auch, dass die Submarke nur für die wirklich neuen EQ-Modelle reserviert wird. Und für Dienstleistungen, wie zum Beispiel eine Lade-App. Das Auffinden und die Bedienung von Ladesäulen mit dem Smartphone ist sicher kein Hexenwerk, aber nur wenn es Mercedes gelingt, solche Angebote geschmeidig zu integrieren, dürfte die Akzeptanz der schönen neuen Autowelt rasch voranschreiten.
Umsetzen soll das übrigens ein eigenes Team, die sogenannte CASE-Truppe, die so unabhängig vom Mutterkonzern ist, wie möglich und so eng verbunden, wie nötig. CASE steht für die vier Kernwerte der EQ-Welt: Connected, Autonom, Share/Service und Electric. Das S meint dabei eben jene Dienstleistungen wie eine Lade-App oder ein Carsharing-Modell. Und wie sich die Start-up-ähnliche Einsatztruppe die Umsetzung der Letter C, A und E vorstellt, zeigt die Studie Generation EQ: Zwei insgesamt 300 kW/408 PS starke E-Motoren übernehmen den Antrieb (E) und die Batterie soll Strom für rund 500 Kilometer Reichweite bereitstellen. Natürlich beherrscht die Studie außerdem die neuesten Techniken des Selbstfahrens (A), die sind mitunter ja sogar schon im Serienmodell der E-Klasse kaufbar. Und das ein Auto heutzutage immer mit der Umwelt verbunden ist (C) und lernt, mitzudenken, ist auch keine absurde Vision mehr: Unter anderem soll der EQ sich gängige Ziele merken, wie zum Beispiel die Schule der Kinder oder den Weg zur Arbeit und aufgrund von wiederkehrenden Bewegungsmustern schon beim Einsteigen das Navigationssystem programmieren. Ob das in Realität dann auch so gut funktioniert, wie in der Theorie, werden wir bald erfahren – bis 2018 sind es schließlich nur noch zwei Jahre.