Die Auto-Welt ist rund und bunt und biegt bisweilen mit Kuriositäten um die Ecke. Wer weiß schon, dass sich Südkorea mittlerweile zu einer Topadresse für Luxus gemausert hat? In keinem anderen Land geben Menschen pro Kopf mehr Geld für Luxusgüter aus als in Südkorea. Die Investmentbank Morgan Stanley hat errechnet, dass die Ausgaben für persönlichen Luxus allein 2022 um 24 Prozent stiegen. Demnach investierten die Südkoreaner dafür durchschnittlich rund 300 Euro pro Jahr, die US-Amerikaner kommen auf etwa 258, die Chinesen auf lediglich 60 Euro. Laut Statista wird der Markt für Luxusgüter in Südkorea in diesem Jahr voraussichtlich einen Umsatz von 6,58 Milliarden Euro verzeichnen.
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Obwohl das jährliche Durchschnittseinkommen des 51 Millionen-Volks mit rund 31.000 Euro deutlich unter dem der Deutschen liegt (ca. 45.000 Euro pro Jahr), geben sie ihr Geld gerne für teure Markenartikel aus. Es entspricht ihrem Habitus, nach außen zu zeigen, dass man sich was leisten kann. Soziales Ansehen ist in Korea Triebfeder für vieles, wenn nicht für alles. Am meisten Geld wird dabei für Luxusuhren und Schmuck ausgegeben, aber auch die exklusiven Modelabel wie Gucci, Dior oder Prada sind heiß begehrt, vor allem junge Kunden stehen dafür oft Schlange.
Elektroantrieb in der Luxusliga
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Kein Wunder, dass unter anderen Mercedes Südkorea längst als gelobtes Land ausgemacht hat, in dem Milch und Honig fließen. Während der globale Gewinn der Stuttgarter im ersten Halbjahr um 25 Prozent schrumpfte und ausgerechnet der Verkauf der Cashcow S-Klasse bedrohlich schwächelt, entwickelte sich das Geschäft in Südkorea prächtig. Nirgendwo verkaufen die Schwaben mittlerweile mehr E-Klassen, für Maybach ist Korea bereits der zweitwichtigste Markt, für die S-Klasse der drittwichtigste weltweit. Im vergangenen Jahr setzte Mercedes im neuen Luxus-Paradies rund 30.000 E-Klassen ab, die meisten als 200er, die wenigsten haben hinten ein Typenschild dran. Gerne fahren die Koreaner übrigens noch Monate nach der Auslieferung mit den Stoßschutz-Klötzchen an den Türen herum. Ein beliebtes Symbol, um anderen zu signalisieren: Seht her, ich habe mir ein neues Auto gekauft.
Rund 1,5 Millionen Fahrzeuge werden pro Jahr in Korea neu zugelassen. Wie eigentlich überall fahren SUVs auf der Überholspur (Marktanteil 56 Prozent) gefolgt von der guten alten Stufenheck-Limousine (29 Prozent) in den Farben Schwarz, Silber, Weiß. Zu sehr auffallen mag man dann doch nicht. Obwohl der Großteil privat (und auf Pump) gekauft wird, leisten sich viele Koreaner ein Chauffeur. Wieder so ein Statusding. Die Nachfrage nach vollelektrischen Modellen dümpelt trotz staatlicher Förderung bei unter zehn Prozent dahin.
"Der Markt ist kein Selbstläufer"
Auch wenn der Jahresauftakt in Südkorea eher mau war (-16,4 Prozent im 2. Quartal 2024), hofft Mercedes wieder rund 80.000 Autos per anno verkaufen zu können und damit auf Augenhöhe mit BMW ins Ziel zu kommen. Die Münchner verzeichneten 2023 einen Höhenflug von plus 54 Prozent. Auf ganz anderem Level agiert mittlerweile Audi. Die Ingolstädter präsentierten in Korea seit zwei Jahren keine neuen Modelle mehr und stellten sämtliche Marketingmaßnahmen ein. Die rote Karte kam prompt: 2023 setzte Audi kaum mehr als 18.000 Autos ab und verzeichnet in diesem Jahr einen dramatischen Einbruch von 78 Prozent.
"Der Markt ist kein Selbstläufer" erklärt uns Mathias Vaitl, seit knapp einem Jahr Präsident und CEO von Mercedes-Benz Korea, am Rande von Testfahrten in der koreanischen Hafenstadt Busan. "Man muss sich hier schon um seine Kunden bemühen."
Denn vom Nationalstolz getrieben ist der Koreaner eigentlich verliebt in seine eigenen Autos. Meistverkauftes Modell, fast schon ein Volks-Wagen, ist Hyundais Flaggschiff Grandeur. Etwa 113.000 Koreaner entschieden sich 2023 für die mindestens 50.000 Euro teure Limousine. Auch Genesis, der Luxusableger von Hyundai, verkauft seine Nobelkarossen mit beneidenswerter Selbstverständlichkeit. Im vergangenen Jahr waren es 126.000, die koreanische S-Klasse G90 sieht man hier an jeder Ecke, Besitzer der Langversion werden hofiert wie Promis und erhalten unter anderem Zugang zu luxuriösen Genesis-Lounges in Hotels, wo sie auch Gäste mitbringen können. Thema Außenwirkung!
Mercedes_AMG GT 63 S E-Performance
BildergalerieKunden sind mit unter 40 Jahren im Schnitt 10 Jahre jünger als in Deutschland
Mercedes kämpft mit seinen 290 Mitarbeitern und elf Händlern auf anderem Niveau, aber nicht minder intensiv. "Alle unsere Top-Kunden haben meine Handy-Nummer und können mich jederzeit anrufen", sagt Vaitl und spricht über exklusive Events, die Mercedes regelmäßig anbietet. Vaitl weiß aber auch, dass der Markt nach ganz bestimmten Regeln funktioniert. "Die Koreaner wollen nicht auf ihr Auto warten" sagt er „deshalb sind alle unsere Modelle vorkonfiguriert und damit schnell lieferbar". Und: "Unsere Kunden hier sind mit durchschnittlich unter 40 Jahren über zehn Jahre jünger als die in Deutschland und reagieren viel sensibler auf neue Trends."
Auch deshalb veranstaltet Mercedes in diesen Tagen hier in Busan den sogenannten „Dream Drive“ mit frischen Modellen wie dem CLE Cabrio oder dem CLE Coupé. Eingeladen dazu sind überwiegend junge Journalisten und Influencer aus Seoul. Wer mit ihnen ins Gespräch kommt, hört viel von Respekt und Anerkennung für die German Cars, insbesondere für Mercedes.
Die Helden der Generation Z aber sind andere, wie uns Tim Jae-Rim Lee Chefredakteur von Carjam aus Seoul berichtet: „Die jungen Koreaner wollen nicht mehr die Autos ihrer Daddys fahren, oder jahrelang auf ein Haus sparen“, sagt Tim, „Sie leben im hier jetzt, wollen die coolen Karren der hippen Influencer, der ESports-Profis, der Youtuber und Stars der K-Pop-Szene haben. Die Lambos, Bentleys oder die Porsche Taycan.“ Ganz normale Wünsche einer Jugend, die im neuen Luxus-Wunderland Korea groß geworden ist.