Von Peter Weißenberg/SP-X
Wenn Alain Uyttenhoven seinen Verkäufern zeigen will, wie man die Kunden noch besser umgarnt, schickt er sie nicht zu BMW, Audi oder Mercedes. "Da können die wenig dazu lernen", sagt der Europachef von Toyotas Edelmarke Lexus. Siegen lernen, das lernt die Truppe besser am Empfang eines schnuckeligen Boutique-Hotels. Denn die großen europäischen Premiumhersteller sind für den Manager eher so was wie die Luxus-Hotelketten: "Mit einem Riesenbuffet und 1.000 Kingsize-Betten – aber ohne die Möglichkeit, den Kunden ganz persönlich anzusprechen." Sein Vorbild sind die kleinen Nobel-Hotels, wo die erste Frage eher lautet: Was genau sind Ihre ganz persönlichen Wünsche?
Mit der ganz persönlichen Ansprache soll Lexus nun auch in Europa endlich zum echten Wettbewerber für die Platzhirsche werden. "Wenn unser Kunde seinen Lexus persönlich überreicht bekommt, dann sind seine Lieblingssender im Radio schon eingestellt und das Smartphone verbunden", erklärt Uyttenhoven einen Trick der Lexus-Fürsorge.
Scheint zu klappen: Nach zwei Jahren deutlichen Wachstums ist für die Weltmarktgröße Lexus endlich auch in Europa nennenswerter Erfolg in Sicht. Die 70.000er-Marke wird die Toyota-Tochter 2016 schaffen – in drei Jahren sollen es 100.000 werden. Neue Modelle, der Eintritt in neue Segmente und ein radikal verändertes Design schaffen die Wende 26 Jahre nach der Erfindung der Nobelmarke.
Uyttenhoven ist voll vom sehr aggressiven Design der aktuellen Lexus-Fahrzeuge überzeugt. Riesen-Kühlergrille und zackige Außenhaut seien ein Bruch mit der gefälligen und unauffälligen Vergangenheit. Aber ein kalkulierter: "Als wir mit der Marke gestartet sind, wollten wir nicht anecken, allen gefallen. Mit großen, üppig motorisierten Limousinen ging die Strategie in den USA auch auf", sagt der Manager. Unter den großen drei Premiummarken ist Lexus da längst etabliert.
Design als Verkaufsargument
In Europa – und vor allem in Deutschland – hat diese Ausrichtung nicht funktioniert. Uyttenhoven: "Seit wir aber ab 2005 auch in China sind und verstärkt auf Europa schauen, mussten wir uns ändern. Wir mussten sagen, wer wir sind – und stärker polarisieren." Marktstudien haben ergeben, dass bestehende Kunden vom Batmobil-ähnlichen Design nicht abgeschreckt werden. Im Gegenteil: Weil die Qualität und der Service stimme, sei nun das Design noch ein zusätzliches Verkaufsargument.
In Deutschland ist dieser Erfolg zwar noch überschaubar. Die Neuzulassungen kletterten immerhin in den ersten sechs Monaten 2016 um ein Viertel auf 991 Fahrzeuge. Aber europaweit schaffte Lexus mit der neuen Strategie ein Plus von 16 Prozent auf das Allzeithoch von 36.405 Fahrzeugen. Mitgeholfen hat sicher auch die Dieselkrise, die noch mehr umweltbewusste Besserverdiener zum Hybrid-Marktführer gezogen hat.
98 Prozent aller in Europa verkauften Lexus haben einen Doppelmotor. Anders als etwa Audi setzt Uyttenhoven aber nicht auf die Plug-In-Technologie oder Elektroantriebe. "Die wenigsten unserer Kunden in den Metropolen haben komfortablen Zugriff auf eine Lademöglichkeit", so der Manager. Und die Elektrobatterie sei auf absehbare Zeit ein Irrweg. 50 Prozent des deutschen Stroms komme schließlich aus Braunkohlekraftwerken – in China sogar 90 Prozent. Zudem koste etwa eine Tesla-Batterie rund 25.000 Euro. Wenn die nach acht Jahren Höchst- und Dauereinsatz verbraucht sei und ersetzt werden müsse, habe so eine Luxuslimousine für 80.000 Euro Neupreis praktisch keinen Wert mehr.
Wasserstoff und Brennstoffzelle
Uyttenhoven hält denn auch die Elektrifizierungspläne vieler Konkurrenten eher für einen Verzweiflungsakt. "Anders können die das CO2-Ziel von 95 Gramm bis 2020 nicht erreichen. Wir schon." Er sieht die Zukunft in Wasserstoff und Brennstoffzelle. Die nächste LS-Limousine werde es auch mit diesem Antrieb geben.
Und auch mit dem aggressiven Design, das bald auch das neue Kompakt-SUV von Lexus auszeichnet. Uyttenhoven verspricht noch weitere Modelle seiner Marke unterhalb der Mittelklasse – und unter der magischen 40.000-Euro-Schwelle, in der die Hälfte aller Premium-Autos in Europa verkauft werden. “Bisher haben wir da nur ein einziges Modell.”
Das mutigere Design hält der Lexus-Chef übrigens auch für die Muttermarke Toyota für einen Umsatzbringer. Stolz ist Uyttenhoven deshalb auf den neuen Kompakt-SUV C-HR, sein "Baby aus meiner Zeit als Leiter der europäischen Produktplanung". Der zackig gestaltete Crossover folge der gleichen Erkenntnis wie bei Lexus: "Erst schön, dann praktisch: Menschen wollen Stilikonen haben." Sogar die Fahrer der Vernunftmarke Toyota.
Und nicht nur die – auch die Händler. Denn ursprünglich sei der C-HR nur als Modell für Europa gedacht gewesen, so Uyttenhoven. Aber jetzt würden auch die Chinesen und Amerikaner Interesse zeigen, das Auto ins Angebot zu nehmen. Gern auch mit Hybrid, versteht sich.