Von Christian Ebner, dpa
Gewinnwarnungen, sinkende Absatzzahlen und Jobverluste: Unmittelbar vor Eröffnung der 68. Internationalen Automobilausstellung (IAA) Pkw in Frankfurt geht es der Branche alles andere als gut. Die Krise hat deutliche Spuren im Programm der Autoschau hinterlassen. Vor allem internationale Hersteller machen in diesem Jahr einen weiten Bogen um die Veranstaltung des deutschen Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Unter anderem haben alle Japaner bis auf Honda, die US-Hersteller mit Tesla sowie die führenden Unternehmen aus Frankreich und Italien abgesagt.
Auf dem längst nicht ausverkauften Frankfurter Messegelände werden nur noch in vier Hallen neue Autos gezeigt, wobei die deutschen Konzerne VW, Daimler und BMW mit einigen internationalen Einsprengseln wie Hyundai oder Land Rover fast unter sich bleiben. Dazu gesellen sich wie in den Vorjahren noch zahlreiche Zulieferer. Der VDA will dem Schwund mit einem neuen Konzept begegnen, setzt auf noch mehr Diskussionen, die engere Zusammenarbeit mit Digitalfirmen und neue Attraktionen wie eine große Oldtimer-Show.
Die Messlatte liegt hoch
VDA-Sprecher Eckehart Rotter findet Vergleiche mit der Vorgängermesse im Jahr 2017 nicht fair: "Angesichts der gewaltigen Transformation, in der die Branche sich befindet und die sie vorantreibt, wäre es verkehrt, an die IAA alte Messlatten anzulegen wie beispielsweise die belegten Quadratmeter oder die Zahl der Aussteller." Tatsächlich liegt die Messlatte aus 2017 mit rund 1.000 Ausstellern aus 39 Ländern und 810.000 Besuchern ziemlich hoch. Gezeigt wurden vor zwei Jahren laut VDA-Zählung 363 Neuheiten, darunter 228 Weltpremieren.
"Die Autoindustrie fährt in ihre größte Krise seit mehr als 20 Jahren. In diesem Jahr werden weltweit gut fünf Millionen Pkw weniger verkauft werden als im letzten Jahr", beschreibt Prof. Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen die globale Lage. Die weltweiten Überkapazitäten lägen damit bei mehr als acht Millionen Autos. Markenhersteller wie Zulieferer stünden vor hohen Investitionen in die Elektromobilität, die in den nächsten Jahren keine nennenswerten Gewinne einfahren werde.
Die Liste der Absagen von Alfa Romeo bis Volvo ist lang. Als globale Nummer zwei hinter Volkswagen begnügt sich beispielsweise Toyota mit der Rolle als Mitveranstalter des "japanischen Abends". Ihre Modelle zeigen die Japaner lieber in einem "Mobility Loft", das beispielsweise bei den Umwelttagen Köln Station machte. Der Verzicht auf einen IAA-Stand gelte aber nur für 2019, für die kommende IAA werde neu entschieden, erklärt Deutschland-Sprecher Thomas Schalberger.
VDA-Mann Rotter mag die Abtrünnigen nicht kritisieren. "Jeder Hersteller, der 2019 hier nicht vertreten ist, bleibt ein künftiger potenzieller Aussteller", sagt er. Und stellt gleichzeitig fest: "Die grundlegenden Diskussionen über den Wandel der Mobilität können Sie nur auf übergreifenden, internationalen Veranstaltungen führen, nicht auf Hausmessen oder Roadshows. Daher gibt es ein sehr großes Interesse der internationalen Fachwelt, der Journalisten und des Publikums."
Starker Protest der Autogegner
Und der Autogegner, könnte man ergänzen. Im Zeichen der Klimadiskussion formiert sich aktuell weit stärkerer Protest als in den Jahren zuvor. Gefordert wird die Verkehrswende und der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Umweltorganisationen wie Greenpeace und der BUND, der VCD und die umstrittene Deutsche Umwelthilfe haben gemeinsam zu Großdemonstrationen gegen die IAA aufgerufen. "Betrügerische Autokonzerne feiern dort ihre dicken SUVs und Spritschlucker", heißt es bei ihnen unter anderem.
Noch radikaler gibt sich das Bündnis "Sand im Getriebe", das am ersten Messe-Sonntag (15. September) auch zu illegalen Mitteln greifen will, um die IAA zu blockieren. VDA-Präsident Bernhard Mattes hat den Kritikern Gespräche angeboten. Während "Sand im Getriebe" gleich abgesagt hat, streiten sich die #aussteigen-Organisatoren einstweilen mit dem VDA noch über die geeignete Form der Veranstaltung.
Die typischen Automessen haben sich überlebt, meint Dudenhöffer. Die Neuerscheinungen sind im Vorfeld bestens bekannt, die digitalen Medien machen der analogen und teuren Messe das Leben schwer. Der Experte sieht die IAA in einer Reihe mit der Detroit Motor Show, der Tokyo Motor Show und dem Pariser Autosalon: "Alle brauchen ein Konzept für die Zukunft, sonst wird es eng."
Der VDA-Vertrag mit der Frankfurter Messegesellschaft läuft nach dieser IAA aus, eine neue Übereinkunft gibt es noch nicht. Eine Ausstellung nur mit Diskussionen und ganz ohne Autos mag sich zumindest Rotter dann aber doch nicht vorstellen. "Das haptische Erlebnis würde fehlen. Die Besucher wollen die neuesten Autos fühlen, anfassen, sich hinters Steuer setzen – ohne sich gleich einem Verkäufer erklären zu müssen. Das ist der große Vorteil der IAA."