Die Entwicklung von Reifen nimmt viel Zeit und Ressourcen in Anspruch, schließlich müssen die Reifenhersteller zahlreiche Prototypen erstellen und testen. Um die Zeit dafür zu verkürzen, gehen einige Unternehmen dazu über, Reifen zunächst virtuell, also am Fahrsimulator, zu testen. Erst wenn diese bestanden werden, können im nächsten Schritt Reifen-Prototypen hergestellt werden. So hat Continental kürzlich bekannt gegeben, die Erprobungsphase für den Fahrsimulator abgeschlossen zu haben und diesen zukünftig für die Entwicklung von Reifen für Elektro-, Hybrid- und Verbrennerfahrzeuge einsetzen zu wollen.
Continental: Parameter digital anpassen
In einem sogenannten Driver-in-theloop-Simulator (DIL) kann Continental exakte fahrdynamische Parameter der Reifen und des jeweiligen Testfahrzeugs berechnen. Durch seine hohe Beweglichkeit kann der Simulator den professionellen Testfahrern von Continental subjektive Fahreindrücke vermitteln, die vergleichbar mit Reifentests auf einer realen Teststrecke sind. "Virtuelle Entwicklungsmethoden versetzen uns in die Lage, Lösungen noch effizienter und präziser auf die Bedürfnisse und Anforderungen unserer Kunden anzupassen. Virtuelle Testkilometer sind außerdem ein großer Beitrag, wertvolle Ressourcen zu schonen", erklärt Bernd Korte, Leiter Forschung und Entwicklung der Reifenerstausrüstung Pkw bei Continental.
Der Simulator berechnet exakte fahrdynamische Parameter der Reifen und die des jeweiligen Testfahrzeugs. Zum jeweiligen Fahrzeugmodell des Kunden wird von Continental das entsprechende Reifenmodell in den Simulator geladen. Dieses enthält exakte Informationen zu Reifenkonstruktion, Profilgestaltung und Gummimischung. Der Testfahrer fährt so ein dezidiertes Reifenmodell für eine spezifische FahrzeugmodellVariante wie bisher auf der physischen Teststrecke.
Ein entscheidender Vorteil dabei ist, dass sich die Reifenparameter jederzeit digital anpassen lassen. So können Testfahrten in kurzen Abständen wiederholt und subjektive Fahreindrücke direkt miteinander verglichen werden. Durch seine große Bewegungsplattform (vier Meter lang, fünf Meter breit) und eine maximale Beschleunigung von zwölf Metern pro Sekunde sollen die Testfahrer alle sechs Freiheitsgrade der Fahrdynamik spüren können. Genau wie in einem echten Fahrzeug auf der physischen Teststrecke. Dazu zählen die Längs- und Querbewegungen, die Hubbewegung, das Gieren, Nicken sowie Wanken eines Fahrzeugs. Professionelle Testfahrer sind dazu ausgebildet, diese subjektiven Fahreindrücke in den Entwicklungsprozess einfließen zu lassen. Damit kann die exakt von den Fahrzeugherstellern für das jeweilige Modell gewünschte Reifenabstimmung erreicht werden.
Auch neue Materialien, die zum ersten Mal in einem Reifen verwendet werden, können getestet werden, um Wechselwirkungen mit anderen Materialien gründlich zu untersuchen.
Die Simulatoren für die Reifentests sollen jetzt schon die Entwicklungszeit um bis zu 30 Prozent verkürzen. KI hilft dann zusätzlich noch weiter.
Pirelli: Künstliche Intelligenz
Auch beim Reifenhersteller Pirelli steht das virtuelle Testen von Reifen auf der Tagesordnung. So hat der Hersteller kürzlich das Virtual Development Center (VDC) im hessischen Breuberg eröffnet, um Reifen vorab testen zu können. Pirelli spricht davon, die Entwicklungszeit von Reifen und die dazu notwendigen Prototypen durch virtuelle Tests um 30 Prozent reduzieren zu können.
Wie Continental möchte Pirelli damit auch Geld und letztlich auch CO2 einsparen, um das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität bis 2030 erreichen zu können. Im Gegensatz zu Continental nutzt Pirelli dazu jedoch keine bewegliche Plattform mit sechs Freiheitsgraden, sondern platziert einen Porsche Carrera vor einer gigantischen Videoleinwand.
In dessen Inneren werden zahlreiche Elektromotoren, Luftkissen und andere technische Systeme eingesetzt, um dem Fahrer ein möglichst realistisches Fahrgefühl vorzugaukeln und schließlich den Reifen bewerten zu können.
Hilfreich ist hier auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), die beispielsweise Pneuproduzent Pirelli bereits im Vorfeld nutzt, um definierte Anforderungs-Parameter zu simulieren. Dieser KI-Einsatz soll die Entwicklungszeit zusätzlich drastisch verkürzen.