Ein wichtiger Gutachter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hält die deutsche Pkw-Maut für rechtens. Ausländische Fahrzeughalter würden nicht diskriminiert, erklärte Generalanwalt Nils Wahl am Mittwoch in Luxemburg (Rechtssache C-591/17). Er empfahl den EuGH-Richtern daher, die Klage Österreichs gegen die Pläne der Bundesregierung abzulehnen. Das Gutachten ist allerdings nicht verbindlich, ein Urteil in der Sache dürfte in den kommenden Monaten fallen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat erleichtert auf die positive Einschätzung reagiert. Dieser bestätige klar die Rechtsauffassung, dass es keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gebe, sagte Scheuer am Mittwoch. "Die Maut ist europarechtskonform." Die Einschätzung des Gutachters sei ein nächster wichtiger Schritt, um das Maut-System im Oktober 2020 zum Laufen zu bringen. Die Nutzerfinanzierung durch alle, die die Straßen nutzten, sei richtig und schaffe Gerechtigkeit.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sieht indes keinen Anlass mehr für Widerstand aus Österreich. "Die Maut-Maulerei der Österreicher muss jetzt endlich ein Ende haben", sagte Dobrindt am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Der angestrebte Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung nach dem Prinzip "Wer nutzt, der zahlt, aber keiner zahlt doppelt" werde vom Generalanwalt voll bestätigt. Dobrindt hatte das Mautmodell - ein Prestigeprojekt der CSU - als Bundesverkehrsminister durchgesetzt.
Der Start ist für Oktober 2020 geplant
Die Pkw-Maut auf deutschen Straßen soll im Oktober 2020 starten. Sie ist ein Prestigeprojekt der CSU aus dem Wahlkampf 2013 und soll auf Bundesstraßen und Autobahnen kassiert werden. Inländische Autofahrer sollen im Gegenzug für Mautzahlungen durch eine Senkung der Kfz-Steuer komplett entlastet werden. Fahrer aus dem Ausland sollen nur für Autobahnen zahlen.
Es handelt sich um einen der seltenen Fälle, in denen in der Europäischen Union ein Mitgliedstaat einen anderen verklagt. Die EU-Kommission hatte 2016 nach langem Ringen ihre Bedenken gegen die deutsche Maut fallen gelassen. Österreich zog daraufhin vor Gericht. Das Land wird bei seiner Klage von den Niederlanden unterstützt.
Der Gutachter argumentierte nun, die Klage Österreichs beruhe auf einem grundlegenden Missverständnis des Begriffs Diskriminierung. Zwar seien Halter inländischer Fahrzeuge hauptsächlich deutsche Staatsbürger, während Fahrer ausländischer Fahrzeuge überwiegend Staatsangehörige eines anderen EU-Staats seien. Letztere seien jedoch niemals verpflichtet, deutsche Kraftfahrzeugsteuer zu zahlen. Zudem könnten sie sich - im Gegensatz zu deutschen Haltern - für eine günstigere Vignette mit kürzerer Dauer entscheiden und somit weniger zahlen.
Österreich hatte hingegen argumentiert, die sogenannte Infrastrukturabgabe diskriminiere ausländische Fahrer verbotenerweise, weil inländische Autobesitzer über die Kfz-Steuer voll für die Maut entlastet werden.
Österreichs Verkehrsminister will Maut in Alpenrepublik überprüfen
Sollte die Klage Österreichs gegen die deutsche Pkw-Maut vor dem EuGH scheitern, will der österreichische Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) ein ähnliches Mautmodell für die Alpenrepublik prüfen. Wenn die EU erlaube, ausländische Verkehrsteilnehmer stärker zur Kasse zu bitten und gleichzeitig einheimische Autofahrer zu entlasten, dann sollte auch Österreich das tun, erklärte der FPÖ-Politiker am Mittwoch. Hofer betonte zudem, dass sich dieses Modell - also Gebührenregelungen mit Ausnahmen für Einheimische - auch auf andere Bereiche wie etwa Studiengebühren übertragen lasse.
In Österreich besteht auf allen Autobahnen und Schnellstraßen für alle Verkehrsteilnehmer eine Mautpflicht. Die Maut wird von Autofahrern durch den Kauf einer Vignette entrichtet, für manche Autobahnabschnitte gibt es zudem eine streckenbezogene Abgabe. Die Vignette muss für mindestens zehn Tage gekauft werden. Eine Jahresvignette kostet knapp 90 Euro. (dpa)