Fährt ein Fahrzeug auf der Autobahn plötzlich ohne zu blinken auf die linke Spur, so dass ein sich schnell von hinten nähernder Fahrer nicht mehr bremsen kann und auffährt, hat der Ausscherende Schuld – sollte man meinen. Vor dem Oberlandesgericht Hamm wollte der vermeintliche Verursacher dieses Szenarios aber eine Mithaftung des Überholenden erreichen.
Die Begründung: Weil der Schnellfahrer die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten hatte, sei die Betriebsgefahr seines Autos erhöht gewesen, weshalb der Überholende zu 25 Prozent mithaften sollte. Denn wie schnell ein Auto auf der linken Autobahnspur heranrast, ist im Rückspiegel oft nur schwer zu erkennen – je schneller man unterwegs ist, desto größer die Gefahr. Doch das Gericht entschied, dass sich die mit Überschreiten der Richtgeschwindigkeithäufig verbundene Gefahr, dass die Annäherungsgeschwindigkeit des rückwärtigen Verkehrs unterschätzt wird, hier nicht verwirklicht hatte. Denn der Ausscherende hatte überhaupt nicht auf den Verkehr geachtet.
Allerdings stellt das Gericht in seiner Urteilsbegründung auch explizit darauf ab, dass der Überholende die Richtgeschwindigkeit nur "maßvoll", um 20 km/h, überschritten hatte. Tempo 150 sei mit den Straßen- und Sichtverhältnissen vereinbar gewesen, daraus habe sich keine Gefahrensituation ergeben. Der Hinweis legt nahe, dass eine Haftung bei höherer Geschwindigkeit durchaus hätte in Betracht kommen können (Az. 7 U 39/17 OLG Hamm). (sp-x)