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Von A bis U

01.03.2018 06:00 Uhr

Er gilt als der bedeutendste Kongress zu Verkehr und Verkehrsrecht. Hier die wichtigsten Arbeitskreisthemen und Resultate dieses Jahres - vom automatisierten Fahren bis Unfallflucht.

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_ Ende Januar haben sich in Goslar wieder Verkehrsjuristen aus Justiz, Verwaltung, Versicherungen und Anwaltschaft zu aktuellen verkehrsrechtlichen Themen beraten. Ihre Vorschläge und Resolutionen in den jeweiligen Arbeitskreisen werden in guter Tradition Eingang in Rechtsprechung und Gesetzgebung finden und somit auch Auswirkungen auf Fuhrparks und Dienstwagenfahrer haben.

Inkasso nach Verstößen im Ausland

Wer viel im Ausland unterwegs ist, kennt das: Einmal nicht aufgepasst, kommt, meist viele Monate später, ein Brief von einer Anwaltskanzlei. Man möge doch einen Betrag wegen einer Verfehlung im Ausland begleichen. Selbstverständlich auch gleich die Gebühren für das Inkasso.

In einem heute nahezu grenzenlosen Europa gehört für viele Firmen regelmäßig grenzüberschreitender Verkehr der Mitarbeiter mit dem Firmenwagen zum Alltag. Dass es dabei nicht nur zu Verkehrsunfällen kommen kann, sondern viel öfter zu mehr oder weniger geringfügigen Verkehrsverstößen, liegt auf der Hand. Konnte man sicher sein, dass eine Ahndung der Verstöße nicht über die Grenze ins Heimatland erfolgte, setzen ausländische Behörden nun zunehmend auf "Inkasso" als neues Mittel zur Vollstreckung. Mit weit mehr als 450.000 Inkassofällen in Deutschland alleine in 2017 (insbesondere bei Park- und Mautforderungen aus Kroatien, Italien, Ungarn und Großbritannien) zeigt sich die enorme Bedeutung und Aktualität des Themas.

Europarechtliche Instrumente - etwa das europäische Mahnverfahren - lassen eine Vollstreckung einschlägiger zivilrechtlicher Titel aus dem Ausland in Deutschland zu. Dabei gibt es in der Regel nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sich gegen unberechtigte und überhöhte Forderungen zu wehren. Hinzu kommt, dass etwaige Verteidigungsmöglichkeiten, wenn überhaupt, meist nur im Tatortland vorgesehen sind. Ist man erst einmal wieder daheim in Deutschland, reduzieren sich die Möglichkeiten nochmals erheblich.

Einstimmig kritisierte der Arbeitskreis I des 56. Deutschen Verkehrsgerichtstages die hohen Nebenkosten des grenzüberschreitenden Inkassos, die im Regelfall den Inkassounternehmen oder -anwälten zufließen. Im Vordergrund steht daher die Forderung an die ausländischen Kommunen, Regionen und Straßenbetreiber, die betroffenen Autofahrer und Touristen zeitnah und verständlich in ihrer jeweiligen Landessprache über Verstöße zu informieren und von unverhältnismäßigen Nebenkosten abzusehen. Auch das ist nicht überraschend, möchten doch die um Hilfe gebetenen deutschen Rechtsanwälte selbst gerne verstehen, worum es eigentlich tatbestandlich geht.

Der Arbeitskreis spricht sich ausdrücklich gegen das nach wie vor praktizierte private Inkasso von öffentlich-rechtlichen Geldsanktionen aus. Besonders deutlich richtet sich der Vorwurf an italienische Institutionen. Für diese gibt es bereits europarechtliche Vollstreckungsregelungen wie den EU-Rahmenbeschluss zu Geldsanktionen, der hierfür ausschließlich behördliche Verfahrenswege und Zuständigkeiten vorsieht (in Deutschland: Bundesamt für Justiz).

Die Empfehlungen des Arbeitskreises beinhalten den klaren Auftrag an den Gesetzgeber, nicht nur einen Ombudsmann für einschlägige außergerichtliche Streitigkeiten einzurichten. Vom europäischen Gesetzgeber wird verlangt, einen ausschließlichen Verbrauchergerichtsstand für zivilrechtliche Forderungen aus Verkehrsverstößen zu schaffen. Damit wäre garantiert, dass deutsche Betroffene vor ihrem Wohnsitzgericht und in deutscher Sprache gegen unberechtigte Zahlungsaufforderungen aus dem Ausland vorgehen können.

Automatisiertes Fahren

Das Wichtigste vorweg: Das geltende Haftungssystem (Halter-, Fahrer- und Herstellerverantwortung) für das hoch- und vollautomatisierte Fahren soll nicht verändert werden. So bleibe sichergestellt, dass der Geschädigte mit der Kfz-Haftpflichtversicherung des Verursachers einen einzigen Ansprechpartner habe, der ihn entschädigt. Eine nostalgisch anmutende Forderung angesichts der sich schnell verändernden Haftungsszenarien des autonomen Fahrens.

Fragen der Haftung von Herstellern der Software und Produkthaftungsaspekte zeigen schon heute auf, dass auf dem Anwaltsund Versicherungsmarkt in naher Zukunft gewaltige Umwälzungen drohen. Da klingt die Forderung des Arbeitskreises II schon eher wie ein verzweifelter Versuch, bestehende Geschäftsmodelle und Strukturen möglichst lange zu erhalten. Richtig dürfte vielmehr sein, bereits heute ein neues Haftungssystem zu erarbeiten. Die Technik wird das bestehende Recht und System ansonsten schlicht überholen.

Eher wie ein Randproblem erscheint da der Wunsch des Arbeitskreises, der Gesetzgeber solle klarstellen, dass im hochautomatisiertem Fahrmodus das Verbot der Nutzung von Handy und anderen elektronischen Geräten (§ 23 Abs. 1a StVO) durch den Fahrzeugführer nicht gilt. Daran jedenfalls werden sich in Zukunft ganz sicher keine gerichtlichen und gesellschaftsrechtlichen relevanten Auseinandersetzungen entfachen. Wann merken Anwälte und Justiz endlich, dass sich Fragen der mobilen Zukunft nicht mehr schwerpunktmäßig um Bußgeldkataloge und Punkte in Flensburg drehen werden?

Einen wesentlichen Raum der Diskussion nahm die Datenspeicherung nach dem neuen § 63a StVO und der dort genannten Daten ein: Hier wird nun eine parallele Speicherung im Fahrzeug selbst und bei einem unabhängigen Dritten empfohlen.

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Der Arbeitskreis III hat den Gesetzgeber dazu aufgefordert, die Möglichkeiten der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe bei tätiger Reue in § 142 Abs. 4 StGB zu reformieren. § 142 StGB dient nämlich ausschließlich dem Schutz der Geschädigten an der Durchsetzung berechtigter Schadensersatzansprüche. Strafrechtlicher Sühnegedanken, wie sonst bei Straftatbeständen üblich, sind dem § 142 StGB fremd. Es macht Sinn, dabei auch gleich die Begrenzung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs aufzuheben und die Regelung auf alle Sach- und Personenschäden zu erweitern. Denn nur wenn dem Unfallflüchtigen erkennbar, rechtssicher und verbindlich die viel zitierte "goldene Brücke" in die Straffreiheit gebaut wird, wird er sich in der Praxis vermehrt zu Gunsten des Geschädigten entschließen, seine Unfallbeteiligung nachträglich zu melden. Nur dies ist der eigentliche Sinn und Zweck der Vorschrift. Das Privileg, die Strafreduzierung (Abs. 4) nur bei Kleinstschäden zuzulassen, läuft diesem Zweck heute geradezu zuwider.

Der Arbeitskreis fordert zudem, dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort zumindest bei Sachschäden nicht mehr im Regelfall zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führt. Die Worte "oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden" in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sollten gestrichen werden.

Überdies empfiehlt der Arbeitskreis, bis zu einer gesetzlichen Änderung einen Regelfall der Entziehung der Fahrerlaubnis nur noch bei erheblichen Personen- und besonders hohen Sachschäden (ab 10.000 Euro) anzunehmen. Dies käme allen Geschädigten zugute, da dann mit wesentlich mehr freiwilligen Schadenmeldungen zu rechnen wäre.

Der Gesetzgeber soll prüfen, wie eine bessere Verständlichkeit des § 142 StGB für alle Beteiligten erreicht werden kann, insbesondere durch eine Begrenzung des Unfallbegriffs auf Fortbewegungsvorgänge und eine Präzisierung der Wartezeit bei Unfällen mit Sachschäden bei einer telefonischen Meldung, etwa bei einer einzurichtenden neutralen Meldestelle.

Nicht nur die fehlende Straffreiheit, sondern auch die Regressmöglichkeit des Versicherers nimmt in der Praxis maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung des Schädigers, ob die Unfallbeteiligung nachgemeldet wird oder nicht. Nur wenn für den Schädiger auch bei tätiger Reue (das heißt der Tatbestand der Unfallflucht ist gegeben, es wird "lediglich" sicher von Strafe abgesehen) keine Regressmöglichkeit für den Versicherer gegeben ist, wird das für den Schädiger letzte Hemmnis bei der Entscheidungsfindung, eine Unfallbeteiligung nachzumelden, beseitigt.

Wer es mit der behaupteten Priorität der Interessen der Geschädigten ernst meint, muss bereit sein, das staatliche Interesse an der Strafverfolgung zurückzunehmen.

Sanktionen bei Verkehrsverstößen

Wen verwundert es, dass eine pauschale Bußgelderhöhung vom Verkehrsgerichtstag abgelehnt wird? Teilnehmer sind in der Mehrzahl Rechtsanwälte.

Bußgeldanhebungen in bestimmten Gefährdungsfällen mit Maß machen dagegen Sinn. Die Anhebung von Geldbußen, die im Verhältnis zu ihrem Gefährdungspotenzial deutlich zu niedrig angesetzt sind, ist grundsätzlich sinnvoll. Allerdings sollten nach Auffassung des Arbeitskreises VI hierbei nicht nur Geschwindigkeits-, Abstands- oder Überholverstöße betrachtet werden, sondern alle durch motorisierte und nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer begangenen Verstöße.

Bei der verstärkten Verhängung von Fahrverboten sollte weiter differenziert werden. So kann innerorts bei einer Überschreitung von weniger als 31 Stundenkilometern in einer Tempo-30-Zone ein Fahrverbot angemessen sein. Dies gilt jedoch nicht auf autobahnähnlich ausgebauten Kraftfahrstraßen innerorts. Auch außerhalb geschlossener Ortschaften erscheint eine weitere Herabsetzung der Fahrverbotsgrenze an besonderen Gefahrenstellen angezeigt. Die ewig widerstreitenden Interessen des staatlichen Ordnungsgedankens und der verteidigenden Anwaltschaft werden an dieser Stelle deutlich.

Dabei würde eine nachvollziehbare und sich nicht alle wenige hundert Meter ändernde verständliche Beschilderung von Beschränkungen zu einer verbesserten Regelbefolgung führen. Vielerorts scheinen die Behörden einen alten Grundsatz vergessen zu haben: Beschilderungen müssen so beschaffen sein, dass der Verkehrsteilnehmer sie beiläufig und mit normaler Sorgfalt sofort verstehen und nachvollziehen kann. Das geradezu Gegenteilige erlebt man heute auf Autobahnen. Vielerorts verlangt es mehr Achtsamkeit, ständig wechselnde Geschwindigkeitsbeschränkungen zu erkennen und zu beachten als den Verkehrsfluss.

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