Ein Mjölnir ist mitnichten das neue Regal eines großen schwedischen Möbelhauses. Auch wenn der Hinweis "Schweden" schon auf die richtige Spur führt. Übersetzt steht das schwer auszusprechende Wort für den Hammer des Donnergottes Thor. Mit dieser Waffe ging der sagenhafte Held auf die Riesen los, die die Menschheit bedrohten. Von daher ist es nicht weit hergeholt, dass Schwedens einzig verbliebene Autofirma eben diese Form eines Hammers als neues Erkennungszeichen für die Marke wiederentdeckte. Das Tagfahrlicht des neuen SUV-Riesen XC90 zeichnet ein auf der Seite liegendes "T" nach. Thors Hammer als Sinnbild der Angriffslust auf die Riesen der Branche, auf einen Audi Q7 zum Beispiel, einen BMW X5 oder einen Mercedes GL.
Für Volvo beginnt mit dem komplett neu entwickelten XC90 auch ein neues Zeitalter. Er ist das erste Modell, das unter der Regie des neuen Eigentümers Geely aus China entstanden ist und das den neuen variablen Unterbau mit dem Kürzel SPA verwenden darf, auf den künftig alle größeren Volvos setzen. Beim gut fünf Meter langen SUV schwelgen die Göteborger Spitzenmanager nur in Superlativen: Das weltweit sicherste Auto seiner Klasse, das SUV mit der besten Aerodynamik und zudem mit dem geringsten Gewicht. Von "einem der wichtigsten Tage der Unternehmensgeschichte", spricht Volvo-Präsident Hakan Samuelsson bei der Enthüllung des XC90 am Rande von Stockholm. "Dieses Modell bereitet den Weg für viele neue und aufregende Volvo-Modelle in den kommenden Jahren."
Mit Sicherheit gute Ideen
Die Schweden unter chinesischer Regie haben in der Tat eine Fülle von feinen Extras, elektronischen Helfern und guten Ideen in ihr neues Flaggschiff gepackt. Wie die automatische Notbremsung, wenn man beim Abbiegen den Entgegenkommenden übersieht oder das selbststätige Festzurren der Gurte aller Insassen, wenn der XC90 mal von der Straße abkommen sollte. Serienmäßig ist zudem das einst von Volvo erfundene "City Safety", das jetzt Fußgänger, Radfahrer und andere Autos erkennt, den Bremsanker wirft und so gefährliche Begegnungen vermeiden oder zumindest abmildern soll. Damit erobert Volvo tatsächlich wohl derzeit die Poleposition in Sachen Sicherheit.
Dieses Auto ist wirklich rundum neu, aber dennoch auf den ersten Blick als typischer Volvo zu erkennen. Die Karosse mit der nunmehr etwas längeren Motorhaube orientiert sich ein wenig am Audi Q7, ohne dabei allzu große Ähnlichkeiten aufkommen zu lassen. Das bis auf einige markante Falze durchgehend glatte Blechkleid strahlt Seriosität ebenso aus wie potentes Selbstbewusstsein. Was nicht dem erwähnten "Hammer"-Gesicht geschuldet ist, sondern vor allem dem um zehn Zentimeter gewachsenen Radstand in Kombination mit 22-Zoll-Rädern.
Zwei Liter Hubraum und vier Zylinder
Unter der Haube herrscht Bescheidenheit, wenn auch nur auf den ersten Blick. Alle lieferbaren Triebwerke begnügen sich mit zwei Litern Hubraum und vier Zylindern. Mutig in der Premium-Klasse. Doch die Daten sind alles andere als bescheiden: So kommt der Bi-Turbo-Diesel D5 auf 225 PS bei einer Durchzugskraft von 470 Newtonmetern. Der kleine Selbstzünder ist mit 190 PS auch kein Kind von Traurigkeit, soll zudem einen Normverbrauch von nur 4,9 Litern auf 100 Kilometer haben. Wer es einen Hauch sportlicher liebt, bestellt den Benziner mit Kompressor plus Turbo und kann sich dann über 320 PS freuen.
Das Spitzenmodell der neuen XC90-Generation soll mit 2,7 Litern auf 100 Kilometer der Kostverächter schlechthin sein, obwohl es mit glatten 400 PS aufwartet. Erreicht wird das durch die Kraft von zwei Herzen, einem Benzin- und einem Elektromotor. Die Batterien des Stromers können an der Steckdose wieder aufgeladen werden, was diesen Volvo als Plug-In-Hybrid ausweist. Gut 40 Kilometer weit kann das rund 2,4 Tonnen schwere Gefährt rein elektrisch unterwegs sein. In den Allrad-Modus gewechselt, versorgt jedes Triebwerk eine Achse. Oder der Fahrer kann die beiden Motoren zusammenspannen und hat dann die Power eines Sportwagens. Allerdings dürfte auch der Preis für das Topmodell beachtlich sein: Gut 85.000 Euro (netto) sind wohl fällig, wenn der XC90 im nächsten Frühjahr seine ersten Käufer beglückt.
Premium-Ambiente mit kleinen Gags
Ein Blick in den Innenraum lässt keine Zweifel aufkommen, welche Aufmerksamkeit die Ingenieure und Designer ihrem Schützling widmeten. Das reicht von kleinen Gags wie dem gläserne Wählhebel für die Achtgang-Automatik über die fein gesteppten Nähte mit Premium-Anspruch bis hin zu einer Art iPad, das hochkant in die Mittelkonsole eingepasst ist. "Mit dieser Lösung konnten wir auf die meisten der bisher recht üppig verstreuten Knöpfe und Schalter verzichten", berichtet Thomas M. Müller, der für die Vernetzung und die elektronischen Systeme im Neuling verantwortlich ist. "Nur fünf Knöpfe sind übrig geblieben, weil es die Behörden nunmal vorschreiben." Dazu gehören der Warnblinkschalter oder der für die heizbare Heckscheibe. Stolz präsentiert Müller, der sein Geld früher bei BMW verdiente, sein Smartphone samt App. Auf ihr kann er Heizung und Klimaanlage seines XC90 ebenso fernsteuern wie Fenster, Türverriegelung oder Schiebedach. Auch die Anmeldung für die Werkstatt samt Terminvereinbarung kann so erledigt werden.
Bisher nennt Volvo nur einen fixen Preis: Die so genannte First Edition des XC 90, die über sieben Sitze verfügt und viele der sonst aufpreispflichtigen Extras schon an Bord hat, wechselt für 75.800 Euro den Besitzer. Der Einstiegspreis für den frontgetriebenen Schweden mit kleinem Diesel soll knapp unter 42.000 Euro liegen. Die meisten Kunden des Fünf-Meter-Schweden werden wohl in den USA und in China zu Hause sein. Deutschland-Chef Thomas Bauch will hierzulande immerhin 4.300 XC90 verkaufen. (Peter Maahn/sp-x)