Von Michael Blumenstein
Die fetten Jahre sind vorbei. Das propagierte ein Spielfilm anno 2004. Dass der Film heute in einigen Punkten aktueller denn je wirkt, liegt, Sie ahnen es, an Corona. Einige Unternehmen müssen nun den Gürtel enger schnallen, einige Dienstwagenberechtigte eventuell auch, andere wollen intrinsisch einfach mal downgraden.
Nichts einfacher als das. Beim Dienstwagen sind die Profiteure einer solchen Strategie schnell ausgemacht: Firma und eigentlich Firmenauto-Nutzende. Beide reduzieren ihre Kosten. Und ein Dritter könnte sich ebenfalls freuen: Denn auch die Umwelt kann vom "Runterfahren" profitieren, wenn man es geschickt anstellt.
Klassensprenger
Einer, der es geschickt macht, ist Skoda. Die Tschechen versuchen, ihre Fahrzeuge durch die schiere Größe (außen und vor allem innen) eine Klasse höher zu positionieren. So soll sich der Superb im Umfeld der E-Klasse bewegen, der Octavia im Bereich des 3er BMW und der Scala darf größentechnisch im A3-Revier wildern. Dabei sind aus klassischer Sicht, alle eine Klasse drunter angesiedelt. Und daher ist es klar, dass bei der Materialanmutung zumindest beim Scala ein wenig fehlt, um die wahre Kompaktklasse aufzumischen. Und dennoch passt der Scala - den es nur als Fünftürer gibt - dort hervorragend rein.
Der Platz innen gehört nämlich zu den Großen der Kompaktklasse. Vorne, hinten und ganz hinten reicht er aus, um vier Personen samt Gepäck kommod zu befördern. Der Sitzkomfort ist gut, wenngleich die zum Vergleich angetretenen Testwagen jeweils mit dem Sportpaket (Dynamic) ausstaffiert waren, die unter anderen gut konturierte Sitze vorne mit integrierter Kopfstütze beinhalten. Der Fahrersitz hat überdies eine Lordosenstütze, um sanft in den Lendenbereich zu drücken. Ob es das (etwas zu hoch montierte) Sportgestühl braucht, entscheidet idealerweise das persönliche Popometer - oder das Auge. Der Sitzbezug wirkt etwas plastikartig.
Bei den Materialien ist alles in Augenhöhe geschäumt und prima gemacht - zumindest in der ersten Reihe. Das beim Sportpaket obligatorische Dekor ist Geschmacksache, es gibt noch andere Möglichkeiten - manche sagen: schönere. In der Basis kommt der Scala mit einem analogen Kombiinstrument daher, das die exakte Geschwindigkeit eher erahnen lässt (immerhin kann das Tempo im Bordcomputer digital angezeigt werden). Dieses Display ist beim Erdgasmodell, das bei Skoda G-Tec heißt, gesetzt. Aufgrund der doppelten Tankanzeige (13,8 Kilogramm Methan und 9 Liter Benzin) gibt es keine Digital-Alternative. Diese Volldigitallösung hat der TDI an Bord und wäre eine Empfehlung, wenn das Display nicht preisintensive 395 Euro extra kosten würde.
Carplay und Induktivladen
Sind Automobilhersteller immer erpicht, Zwangskombinationen bei den Extras zusammenzustellen, hat Skoda diese bei Apple Carplay und dem Induktivladen vergessen. So funktioniert Apple Carplay zwar kabellos, doch wer das Häkchen beim Induktivladen (Phonebox, 244 Euro) vergisst, führt den Vorteil ad absurdum und hat wieder Kabelsalat, um den Akku zu laden. Dafür glänzt das mit dem Infotainmentsystem Bolero serienmäßig einhergehende Klangsystem (acht Lautsprecher) und überzeugt - eigentlich. Und zwar so lange, bis man das Skoda Soundsystem hört, das dem TDI implantiert wurde. Deutlich reiner, klarer und mit definierten Höhen kann es fast mit den Großen mithalten. Allerdings gibt es dieses lediglich in Zwangskombination - da haben wir eine unsinnige - mit dem Navigationssystem Amundsen (9,2-Zoll-Format) inklusive erwähntem Digitaldisplay für 1.000 Euro und nochmals 395 Euro für das Soundsystem. Zum Redaktionsschluss war das Navigationssystem für den G-Tec noch nicht bestellbar. Das sollte sich innerhalb der kommenden Wochen jedoch ändern, hoffentlich inklusive Erdgastankstellensuche.
Weniger exzellent für ein Vielfahrerfahrzeug sind fehlende Optionen wie Matrixlicht, Head-up-Display und Verkehrszeichenerkennung. Da merkt man zwar den Unterschied zur wahren Kompaktklasse. Die Skoda-spezifischen Lösungen wie Eiskratzer im Tankdeckel, Regenschirm in der Fahrertür und Mülleimerchen in der Türtasche sind dafür Nice to Have und einzigartig.
Immerhin sind Technologien wie ACC, also der Abstandsregeltempomat, möglich. Beim Scala TDI, den Skoda uns mit dem Doppelkupplungsgetriebe (DSG) zum Test brachte, ist sogar eine Stopp-andgo-Funktion an Bord. Kurze Stopps von unter fünf Sekunden überbrückt das System und der Scala fährt wieder selbstständig los, wenn es der Verkehr zulässt. Beim G-Tec klappt das nicht. Schaltet der TDI automatisch sehr früh und flink, wenngleich spürbar durch die sieben Vorwärtsgänge, wechselt man im CNG die Übersetzung selbst, was ganz gut funktioniert und lediglich beim Einlegen des Rückwärtsgangs ab und an knarzt.
Wo wir gerade beim Komfort sind. Der TDI nagelt vernehmlich und das DSG verstärkt den Eindruck durch eine oft sehr untertourige Schaltlogik, die den Diesel zum Brummen animiert. Doch auch bei hohen Drehzahlen und Geschwindigkeiten von Tempo 180 ist der Selbstzünder noch hörbar. Beim Beschleunigen knurrt er kernig - manches Mal auch nervig. Dafür geht der 1.6er-Diesel wie eine Minirakete vorwärts und lässt Zweifel an den im Schein attestierten 115 PS aufkommen.
Deutlich zurückhaltender agiert der Dreizylinder-CNG. Sowohl vom Ton als auch von der Dynamik. Sein rauchiges Timbre mag für manch einen sportlich wirken und begleitet den Tempozuwachs, der auch beim 90-PS-Erdgasmotor positiv überrascht, wenngleich er spürbar zurückhaltender ist. Das ist jedoch kein K.O.-Kriterium für die Langstrecke, wie uns der weiße CNG-Scala in unserem halbjährigen Dauertest immer wieder vor Augen führt.
Dreifach-Reichweite
Große Unterschiede treten beim Thema Reichweite zutage. Zeigt der Digitaltacho im TDI auch mal deutlich mehr als 1.000 Kilometer bis zum nächsten Tankstopp an, sind es im CNG selten 360. Was auf den ersten Blick abschreckend wirkt, normalisiert sich beim Nutzen der Technik. Tankstopps werden gerade auf der Langstrecke zur willkommenen Abwechslung. Ähnlich wie beim Elektroauto. Nur dass der Tankvorgang beim Erdgas-Scala keine fünf Minuten dauert. Für die Erdgas-Tankstellensuche ist eine passende Smartphone-App unentbehrlich. Am Anfang. Nach einiger Zeit kennt man"seine" Tankstellen. Wer oft ins Ausland muss (oder in Urlaub will), hat unter Umständen wirkliche Probleme.
Funktionieren Österreich, die Schweiz und Italien tadellos, sollte man sich Reiseziele wie Spanien, Kroatien und Slowenien abschminken. Denn in diesen Ländern ist man auf den neun Liter kleinen Benzin-Nottank angewiesen, der erst genutzt werden kann, wenn CNG leer ist. Ein Umschalten ist nicht möglich. Da der Motor auf CNG optimiert ist, sind mit den neun Litern lediglich rund 100 Kilometer möglich.
Da tröstet höchstens der Vorteil kaum, dass beim Tanken von 100 Prozent Bio-Methan der CO2-Ausstoß bei nahezu null liegt. Das kann ein Diesel (noch) nicht. Skoda gibt nach WLTP einen CO2-Ausstoß von 102 Gramm für den G-Tec und 131 für den selbstschaltenden TDI an. Wer also Wert auf den CO2-Firmenfußabdruck legt, fährt mit dem Erdgasmodell in jedem Fall grüner, was auch immer wieder der ADAC (Ecotest) aufzeigt - es muss nicht immer Strom sein. 4,4 Kilogramm Erdgas konsumierte der Scala G-Tec auf unserer 150-Kilometer-Testfahrt, exakt fünf Liter Diesel der TDI. Bei den aktuellen Kraftstoffpreisen (CNG bei rund einem Euro, ebenso Diesel) ergibt sich somit ein zirka Zehn-Prozent-Preisvorteil zugunsten des CNG-Modells. Und die Preise für Diesel werden sicherlich wieder steigen.
Spreizung beim Fahrwerk
Unsere beiden Testwagen rollten mit dem Standardfahrwerk nach München - wenngleich sie sich dennoch deutlich unterschieden. Der CNG mit seinem recht leichten Dreizylinder im Bug ist softer abgestimmt, was sich vor allem im Stadtverkehr positiv bemerkbar macht. Beim
TDI ist der Vierzylinder schwerer und die Vorderachse benötigt daher härtere Dämpfer, was sich in einem recht steifen ersten Anfedern auswirkt. Einen nachwippenden Hintern auf Bodenwellen haben beide, was Fondpassagieren schon mal auf den Magen schlagen kann. Abhilfe könnte das adaptive Sportfahrwerk schaffen.
Wenig überzeugend agierten einige Assistenzsysteme. Der Lane-Assist meint, ab 60 km/h die richtige Spur besser zu (er-) kennen als das menschliche Auge und zerrt bisweilen störend am Lenkrad. Gleiches gilt für den Frontkollisionswarner, der regelmäßig beim Einfahren in unsere Firmentiefgarage die Bremse reinhaut. Der Abstandstempomat ACC bremst auch gerne mal auf der zweispurigen Autobahn, wenn der Lkw auf der rechten Spur nah an die Mittellinie kommt, ohne diese zu überfahren. Viele Assistenzsysteme - nicht nur im Scala - sind zu scharf abgestimmt und verursachen damit eher Verdruss, als dass sie helfen. Denn oftmals ist die erste Aktion nach dem Losfahren das Ausschalten einiger Systeme. Hier müsste mittlerweile mehr möglich sein. Sonst wird der"Traum" vom automatisierten Fahren auch in 20 Jahren noch geträumt werden.
Unsere Empfehlung lautet ganz klar: Wer häufig dieselben Strecken fährt - auf der eine CNG-Tankstelle vorhanden ist -, fährt mit dem Scala G-Tec komfortabler, sauberer und günstiger pro Kilometer. Zudem ist er in der Anschaffung 2.500 Euro netto günstiger als der TDI mit Handschaltung und kostet etwas mehr als 4.000 Euro weniger als der TDI mit DSG. Für 22.000 Euro gibt es den G-Tec in der Ausstattungslinie Ambition samt einiger sinnvoller Extras und schicken Details.
Skoda Scala 1.0 G-Tec (CNG)
+ sehr sauber
+ Fahrwerk harmonischer
+ angenehmer Motorklang
- Reichweite eingeschränkt
- dünnes Tankstellennetz
- nur mit Schaltgetriebe
Skoda Scala 1.6 TDI
+ 1.200 km mit einer Tankfüllung
+ sehr flott
+ Doppelkupplungsgetriebe erhältlich
- brummiger, teils lauter Diesel
- Fahrwerk unharmonischer
- benötigt AdBlue
Skoda Scala Style TGI 90
Testwagenpreis: 26.671 Euro
R3/999 cm³ | 66 kW/90 PS | 160 Nm ab 1.800 U/min | 6-Gang | 12,4 s 182 km/h | WLTP 3,7 kg CNG | 102 g/km 4.362 x 1.793 x 1.497 mm | 339- 1.282 lKH: 14 | TK: 18 | VK: 17
Effizienz: A+
Wartung: jährlich/30.000 km
Garantie: 2 Jahre
Skoda Scala Style TDI DSG
Testwagenpreis: 32.218 Euro
R4/1.598 cm³ | 85 kW/115 PS | 250 Nm ab 1.500 U/min | 6-Gang-DSG | 10,1 s 200 km/h | WLTP 5 D | 131 g/km 4.362 x 1.793 x 1.497 mm | 467 – 1.410 l KH: 15 | TK: 19 | VK: 18
Effizienz: A
Wartung: jährlich/30.000 km
Garantie: 2 Jahre
- Ausgabe 07/2020 Seite 30 (420.2 KB, PDF)