Softwaremanipulationen wie beim Diesel-Skandal von Volkswagen können laut TÜV-Nord-Chef Guido Rettig in Zukunft auch mit umfangreicheren Tests nicht generell verhindert werden. "Die Prüfung der Motorsoftware wäre für uns Prüfer erst einmal ein Riesenaufwand", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. "Wir wissen, was wir prüfen müssen. Aber es stimmt auch: Gegen kriminelle Energie ist man nicht per se gewappnet."
Grundsätzlich müsse die Automobilindustrie - genau wie andere Branchen auch - gegenüber den Prüforganisationen transparenter werden, betonte Rettig. "Viele Unternehmen gewähren uns heute bereits Einblicke in ihre Quellcodes. Für unabhängige Prüfungen ist das unausweichlich." Die Automobilindustrie sei deutlich zurückhaltender. Da wird die Politik viel Druck machen müssen. Ich kenne aber keine substanziellen Gründe, die ernsthaft dagegen sprechen."
Seit dem Dieselskandal bei Volkswagen sind die Abgasmessungen hierzulande als zu lasch in die Kritik geraten. Bislang beauftragt das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Dienstleister wie den TÜV oder die Dekra mit Abgasmessungen und bewertet lediglich die Ergebnisse. VW hatte in rund elf Millionen Autos eine Software eingebaut, um Abgastests zu überlisten. Das Programm erkennt, wenn ein Autos auf dem Prüfstand steht und korrigiert dann die Motorleistung und damit die Verbrauchswerte verbotenerweise zwischenzeitlich nach unten.
"Die Hersteller müssen inzwischen rechtlich verbindliche Erklärungen gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt abgeben", sagte Rettig. "Darin bestätigen sie, dass in der Software keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorhanden sind."
Vertrauen angekratzt
Generell sei nach dem Dieselskandal das Vertrauen angekratzt. "Das Unvorstellbare hat uns sehr getroffen", sagte er. "Wir brauchen klare Spielregeln, die für alle gleichermaßen gelten." Das fange bei Regularien für die Softwareherstellung an, dazu gehöre auch der Kooperationswille der Hersteller.
Unabhängig von den Herausforderungen in der Auto-Industrie werde die fortschreitende Digitalisierung auch bei Prüfunternehmen in den kommenden zehn Jahren "vieles auf den Kopf stellen", betonte Rettig. Die Arbeit der TÜV-Ingenieure werde sich verändern. "Manche Tätigkeiten wird die Digitalisierung überflüssig machen, gerade im Bereich IT-Sicherheit werden neue Aufgaben dazukommen."
Rettig sieht in den Veränderungen auch eine Chance: "Für uns ergeben sich durch die Digitalisierung neue Geschäftsmodelle. Heute muss ein TÜV-Ingenieur nach einer umfassenden Ausbildung auf ein Windrad klettern, um die Festigkeit des Materials zu prüfen. Jetzt testen wir Drohnen, die diese Aufgaben mit Kameras übernehmen können." Bereits in einigen Jahren könnten Sensoren an den Rotorblättern rund um die Uhr Daten über den Zustand der Windenergieanlage senden.
"Meine These: In zehn Jahren können wir viele Prüfungen von einem beliebigen Ort aus durchführen", so Rettig weiter. Diese Zeit würde zur Umstellung der gesetzlichen Vorgaben und Genehmigungsverfahren benötigt. "Ich trete auch für Übergangsfristen ein, das ist auch eine Frage der sozialen Verantwortung. Unsere Mitarbeitenden benötigen Zeit, sich mit neuen Regelungen und digitalen Prüftechniken vertraut zu machen." (dpa)