Selbst ist der Mann
Der preisgünstige Alternativkraftstoff Autogas wird angesichts eines rasant angewachsenen, mittlerweile engmaschigen Tankstellennetzes für Flotten immer interessanter. Heißer Insider-Tipp: das Mieten einer eigenen Tankstelle. Es ist günstiger, als man denkt, spart Zeit und lohnt sich bereits ab fünf Fahrzeugen.
Die Taxi Kanther GmbH ist eines von drei Taxiunternehmen in Neukirchen-Vluyn am Nieder-rhein. Von seinen beiden Mitbewerbern wird Chef Thomas Kanther müde belächelt. Weil er auf Autogas gesetzt hat und jetzt die Spritpreise vergleichsweise niedrig sind. Thomas Kanther dagegen versteht seine Kollegen nicht. Seine Bilanz zeigt, dass er auch jetzt seine inzwischen 14 Fahrzeuge mit Autogas deutlich günstiger betreibt als mit Diesel.
Autogas hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland unangefochten als Alternativkraftstoff Nummer eins durchgesetzt. Aktuell gehen Brancheninsider von etwa 380.000 Autogasfahrzeugen auf deutschen Straßen aus. Zum letzten Jahreswechsel 08/09 meldete das Kraftfahrtbundesamt (KBA) erst rund 320.000.
Laut Internetportal www.gastankstellen.de kann momentan an rund 5.500 Tankstellen Autogas getankt werden, bei immerhin gut 3.700 davon handelt es sich um ganz normalen Straßen- und Autobahntankstellen. Bei 14.800 Tankstellen insgesamt ist das ziemlich exakt jede vierte. Bei den übrigen handelt es sich überwiegend um reine Autogastankstellen bei Umrüstbetrieben und Flüssiggasvertrieben mit oft eingeschränkten Öffnungszeiten oder „versteckten“ Standorten in Industriegebieten.
Was macht den Erfolg von Autogas, im „Fachchinesisch“ auch LPG (Liquified Petroleum Gas) genannt, aus? Vor allem wirtschaftliche Gründe sprechen vordergründig für diese Energie. Aktuell ist der Liter im Durchschnitt für etwa 60 Cent zu haben, das sind gerade mal rund 45 Prozent von dem, was ein Liter Benzin/Super an der Tankstelle kostet. Und auch im vergangenen Jahr, als sich herkömmlicher Ottokraftstoff auf bis zu 1,60 Euro verteuerte, verharrte LPG an den meisten Tankstellen um 75 Cent.
Grund für die fast immer 50 Prozent und mehr betragende Differenz ist die bis zum 31. Dezember 2018 geltende Steuerbegünstigung für den Alternativkraftstoff. Nur knapp zehn Cent Energiesteuer entfallen auf den Liter Autogas, statt 65,41 Cent wie bei Ottokraftstoffen. Da auf die Steuer ja auch noch die Mehrwertsteuer erhoben wird, liegt der fiskalische Preisvorteil von LPG für den Endverbraucher bei rund 66 Cent pro Liter. Und diese Ersparnis geben die Autogasversorger an ihre Kunden weiter.
„Vater Staat“ bevorzugt Autogasfahrer nicht ohne Grund. Entscheidend für den Gesetzgeber waren die Vorteile im Klima- und Umweltschutz. Verbrennt ein Liter Autogas, entstehen 1.780 Gramm CO2, bei Benzin sind es 2.380 Gramm. Rund 15 Prozent beträgt die CO2-Einsparung zugunsten des Klimas – auch unter Berücksichtigung des Autogas-typischen Mehrverbrauchs – erfahrungsgemaß zwischen 10 und 15 Prozent – wegen seiner geringeren spezifischen Dichte. Überschlägig spart folglich ein Autogasfahrzeug der Mittelklasse etwa 25 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer ein. Bei häufig und gut genutzten Firmenfahrzeugen kommt da schnell eine halbe bis eine Tonne CO2-Reduzierung zusammen.
Auch bei vielen anderen Schadstoffen schneidet LPG hervorragend ab: Der Ausstoß von NOx, Schwefelverbindungen und Feinstaub ist ebenfalls deutlich reduziert – teilweise um bis zu 80 Prozent. „Wer also auf Autogas umstellt, kann zu Recht von seiner ,grünen Flotte‘ sprechen“, betont Wolfang Fritsch-Albert, Vorstandsvorsitzender des Autogas-Marktführers Westfalen AG. Dies sei ein gutes Argument vor allem in Ballungsräumen und lasse sich in manchen Branchen auch werblich nutzen.
Diese Umweltfreundlichkeit ist auch ein wichtiger Grund für Thomas Kanther, der einen Teil seines Umsatzes mit der Beförderung lernauffälliger Schüler sowie mit Krankenfahrten macht. Der 45-Jährige, der sich 1992 zusammen mit seinem ein Jahr älteren Bruder Ralf selbstständig gemacht hatte, liebäugelte schon sehr früh mit Autogas. „Das spukte immer bei mir im Hinterkopf herum“, erzählt er, schließlich sind die Niederlande nicht weit und seine holländischen Kollegen wissen seit vielen Jahren Autogas zu schätzen. Doch in Deutschland fehlte die nötige Infrastruktur, sprich die Tankstellen.
Das änderte sich 2002 für Kanther. Denn von diesem Zeitpunkt an gab es im sieben Kilometer entfernten Moers sogar zwei Autogas-Zapfsäulen. 2004 ließ er den ersten Renault Scénic auf LPG umrüsten und setzt auch heute noch überwiegend auf Fahrzeuge der französischen Marke.
„Das war wichtig wegen der Garantie“, erklärt Kanther, denn manch anderer Autohersteller wollte und will auch heute noch von Umrüstungen nichts wissen.
Seitdem verglich Thomas Kanther wöchentlich akkurat die Tankkosten – mit dem Ergebnis, dass inzwischen 14 seiner 23 Fahrzeuge mit LPG unterwegs sind. Der Rest fährt (noch) mit Diesel. Es ist zum Teil Altbestand, der aber auch beim nächsten Wechsel gegen Benziner getauscht wird, die dann umgerüstet werden. Und es sind drei Mercedes, bei denen es mit den Stuttgartern Garantieprobleme geben könnte.
Am Beispiel eines Renault-Traffic- Busses rechnet Thomas Kanther vor, dass sich Autogas selbst bei den aktuellen Kraftstoffpreisen lohnt. 14 Liter Autogas braucht der Bus auf 100 Kilometern. Bei einem Preis von netto 50 Cent pro Liter sind das sieben Euro. Als Diesel würde er neun bis zehn Liter verbrauchen und läge damit bei rund zehn Euro. „Pro Monat spare ich mit jedem Fahrzeug rund 100 Euro“, erläutert der 45-Jährige. Mitte 2008, als die Dieselpreise mit 1,50 Euro pro Liter Rekordniveau erreichten, waren es bis zu 250 Euro. Dazu kommt die Kfz-Steuer-Ersparnis. Sie beträgt bei dem Bus jährlich etwa 240 Euro.
Kanther spart zudem noch durch eine andere Maßnahme kräftig: 2007 beim Umzug auf ein neues Firmengelände hat er eine eigene Betriebstankstelle mit 4.000-Liter-Tank installieren lassen. Das bedeutet nochmal mindestens fünf Cent pro Liter niedrigere Kraftstoffkosten gegenüber einer öffentlichen Tankstelle. Dazu kommt vor allem der Faktor Zeit, denn seine Fahrer müssen nicht extra zum Tanken fahren. Und Zeit ist bekanntlich Geld.
„Eine solche Anlage lohnt sich bereits ab etwa fünf Fahrzeugen“, zeigt Klaus Oberste-Wilms, Leiter Geschäftsbereich Westfalengas bei der Westfalen AG, die verschiedenen Möglichkeiten auf: Eine Kompaktanlage mit nicht eichfähigem Rollenzählwerk und 2.700-Liter-Lagerbehälter wird einschließlich Fullservice-Wartungspauschale für rund 110 Euro monatlich vermietet. Dazu kommen noch Vorkosten von etwa 1.200 Euro zur Genehmigung, Installation und Inbetriebnahme der Anlage, die komplett von Westfalengas erstellt wird.
Ab etwa 25 Fahrzeugen sinnvoll (aber kein Muss) ist eine Flüssiggas-Zapfsäule mit integriertem Tankautomaten, ähnlich wie an einer Tankstelle. Dadurch ist eine elektronische Erfassung der Tankdaten und damit die Zuordnung der Tankungen zu den einzelnen Fahrzeugen möglich. Die Anlage hat einen 6.400-Liter-Tank und eine Pumpe mit Magnetkupplung, weshalb die Pumpe nicht wöchentlich durch den Betreiber überprüft werden muss. Die Monatsmiete liegt einschließlich Fullservice bei 175 Euro, die Vorkosten bewegen sich um die 2.000 Euro.
Obwohl er „nur“ acht Kleinwagen – sechs Kia Picanto und zwei VW Fox – im Einsatz hat, ist Bernd Szekular, Inhaber eines ambulanten Pflegedienstes im münsterländischen Lengerich, mit seiner Entscheidung für eine Betriebstankstelle bestens zufrieden. „Das rechnet sich auf jeden Fall“, sagt der Unternehmer überzeugt.
Rund 30.000 Kilometer pro Jahr laufen seine Fahrzeuge im Schnitt. Da es viele Kurzstrecken gebe, sei an den beim Picanto angegebenen Norm-Verbrauch von 5,0 Liter pro 100 Kilometer nicht zu denken. Mit Benzin brauche er 7,4 Liter und mit Autogas 8,2 Liter. Daher liege die Kostenersparnis für ihn bei 40 Prozent. Die ersten Kleinwagen hat Szekular schon vor viereinhalb Jahren umrüsten lassen, jetzt stehen die ersten Wechsel an. Für den Lengericher ist klar: „Die werden wieder alle auf Gas fahren.“
Waren in früheren Jahren fast ausschließlich für den Autogasbetrieb nachgerüstete Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs, so hat seit 2008 das Angebot LPG-tauglicher Pkw, die direkt vom Hersteller oder Importeur entsprechend ausgerüstet werden (OEM-Fahrzeuge), deutlich zugenommen. Insgesamt etwa 100 Modelle werden derzeit angeboten – inzwischen auch von den deutschen Volumenherstellern Ford, Opel und VW. Auf der IAA waren sogar auf den Ständen von Kia und Hyundai schon die ersten LPG-Hybrid-Modelle zu sehen. Leider werden sie bislang nur in Korea angeboten.
Gregor Mausolf
- Ausgabe 11/2009 Seite 58 (310.4 KB, PDF)