_ Die Ausgaben sind immer ein gewichtiges Argument, wenn eine Entscheidung zu treffen ist. Als der Fuhrpark der MTU Friedrichshafen im Laufe der Jahre in Deutschland auf insgesamt 850 Fahrzeuge anwuchs und sich die Frage stellte, wie das Schadenmanagement in Zukunft bewerkstelligt werden kann, ging es aber nicht nur um die Kosten, sondern ebenso um die hohe Prozessqualität, die Fleetmanager Roland Wiggenhauser als gelernter Karosserie- und Fahrzeugbauer über die Jahre aufgebaut hatte.
Überlegt hat Wiggenhauser schon, ob er diese Dienstleistung bei einer Leasing- oder Fuhrparkmanagementgesellschaft zukaufen oder den Bereich an einen externen Schadendienstleister outsourcen soll. "Das hat mir aber beides nicht zugesagt, weil ich die Art und Weise, wie die das machen, für sehr oberflächlich halte", sagt Fleetmanager Wiggenhauser.
Nur "Nullachtfünfzehn-Abwicklung"
In einem Bereich des Fuhrparks mit 100 identisch ausgestatteten Fahrzeugen hat er mal getestet, wie es ist, die Schäden von einer Non-Captive-Leasinggesellschaft managen zu lassen."Die haben auch am Anfang einen guten Eindruck gemacht", sagt Wiggenhauser."Nur, es hat sich bestätigt: Sie können es einfach nicht, sie können nur ihre Nullachtfünfzehn-Abwicklung", so Wiggenhauser weiter. Er sieht es nicht ein, eine Management-Fee von vier bis acht Euro pro Monat und Fahrzeug zu bezahlen, wenn seine Dienstwagennutzer dann im Schadenfall von der Hotline gesagt bekommen, sie mögen doch bitte gleich ins Mercedes-Autohaus damit fahren. Dafür will er nicht bezahlen müssen und zum Dank dann eine "vergoldete Rechnung" zurückbekommen.
Wichtig war ihm neben einem sensiblen Umgang mit den Kosten auch, dass die von ihm in höchster Perfektion eingeführten Abläufe im Schadenmanagement beibehalten werden. Das erschien ihm mit einem externen Dienstleister nicht möglich, weswegen er sich seine eigene Lösung konstruiert hat.
Interner externer Schadenmanager
Seit 2011 bearbeitet Thomas Kleint, ein Mitarbeiter von TÜV Süd Auto Service, der fünf Mal die Woche einen halben Tag am Standort Friedrichshafen ist, die Schadenfälle der Dienstwagen. "Der beste Implant, den ich jemals gemacht habe", freut sich Wiggenhauser auch sechs Jahre später noch über seine Entscheidung. Entweder begutachtet Kleint die Schäden direkt vor Ort oder bewertet sie anhand von Fotos, die er von den MTU-Tochtergesellschaften an den Außenstandorten in ganz Deutschland geschickt bekommt. Nach Prüfung der Schadenmeldung auf Plausibilität entscheidet der Mitarbeiter von TÜV Süd Auto Service über verschiedene Reparaturwege und steuert sie in das von MTU aufgebaute Werkstattnetz ein, koordiniert alle Abläufe und Termine, kümmert sich um Ersatzmobilität und bereitet die Schadensakte für die weitere Versicherungsabwicklung vor.
Meist sind Reparaturen in Lackierbetrieben möglich, denn die häufigsten Schäden sind kleinere Anfahr- und Streifschäden am Stoßfänger oder Kotflügel.
Die Reparatur in freien Lackierbetrieben ist laut Berechnungen von Wiggenhauser rund 30 Prozent günstiger als in einer Markenwerkstatt, die ihrerseits oftmals selbst keine eigene Lackiererei mehr betreibt und solche Arbeiten ausgliedert.
Rückgabe im Blick
Bei der Reparatur haben TÜV Süd Auto Service und MTU immer auch die Rückgabekosten am Ende der Leasinglaufzeit im Blick. Sie lassen so reparieren, dass nur"sinnvolle" Minderwerte entstehen.
Wiggenhausers eigene Methode: "Edel-Smart Repair" - lackiert wird großflächiger als bei Smart-Repair, aber nur ein Teil des beschädigten Karosserieteils. So werden beispielsweise halbe Stoßfänger sowie Türen lackiert, also unter- oder oberhalb der Zierleiste, oder halbe Heckdeckel bis zur nächsten Kante. "Manche Werkstätten meinen ja, wenn sie vorne den Kotflügel lackieren, dann müssten sie am besten beide Türen und den hinteren Kotflügel auch noch in derselben Farbe lackieren, weil sie den Farbton nicht treffen. Das gibt es bei uns nicht. Und unser Konzept funktioniert - wir geben die Autos einwandfrei zurück", erläutert Wiggenhauser.
Bei den wenigen großen Schäden, bei denen die Fahrzeuge auf die Richtbank müssen, steuert der Schadenmanager von TÜV Süd Auto Service in die Herstellerwerkstätten ein.
Außerdem kontrolliert er alle Rechnungen, was sich für MTU auszahlt. Denn viele müssten korrigiert werden, weil Kostenpositionen mehrfach auftauchen oder die Rechnungssumme aus anderen Gründen zu hoch ausfällt. "Ich habe mit vielen externen Schadenmanagementdienstleistern gesprochen: Die versprechen auch, dass sie das alles machen. Aber tatsächlich findet es nur in den wenigsten Fällen statt", findet Wiggenhauser. Einem externen Schadenmanagementdienstleister sei nicht daran gelegen, die Schadenkosten niedrig zu halten.
Interne Schadenmeldung
Ist ein Dienstwagenfahrer von MTU in einen Unfall verwickelt, meldet er den Schaden bei Thomas Kleint. Außerhalb der Geschäftszeiten kann er beim Werkschutz von MTU anrufen, der an 365 Tagen rund um die Uhr besetzt ist. Dieser weiß anhand fest definierter Abläufe, was zu tun ist. In über 90 Prozent der Unfälle seien die Fahrzeuge noch fahrbereit.
Bagatellschäden nimmt der Werkschutz selbst auf. Bei Personenschäden kontaktiert er die Fuhrpark-Abteilung, denn verletzte Mitarbeiter hätten bei MTU höchste Priorität. "Wenn ein Mitarbeiter bei einem Unfall verletzt wird und ich habe das Schadenmanagement nach außen gegeben, dauert es oftmals viel zu lang, bis das die Personalabteilung vom jeweiligen Unternehmen erfährt. Bei uns läuft mit einem Anruf die ganze Maschinerie an, dann laufen die kompletten HR-Prozesse durch bis zum Vorstand", sagt Wiggenhauser.
Schlechte Erfahrungen hat er früher auch mit den Schaden-Hotlines der Leasinggeber gemacht, die nach Büroschluss und am Wochenende an einen Unterdienstleister umgeleitet würden, der wiederum die vertraglichen Vereinbarungen nicht kenne und folglich nicht danach handele. Doch gerade dann, nämlich abends, am Wochenende und an Feiertagen, passieren laut Wiggenhauser die meisten Unfälle.
Dreifach gespart
Würde MTU das Schadenmanagement aus der Hand geben, kämen allein für die Management-Fee für die 850 Fahrzeuge jährlich mehr Kosten zusammen als für die Teilzeit-Implant-Lösung mit dem Mitarbeiter von TÜV Süd Auto Service.
Ein noch entscheidenderer monetärer Vorteil ist, dass MTU und Thomas Kleint die Reparaturen selber steuern können, die Rechnungen konsequent kontrollieren und durch beides Kosten senken. "Es ist gängige Praxis, dass wir an jedem Schaden einen hohen vierstelligen Wert einsparen", sagt Wiggenhauser. Und so hätten sich bereits schon nach wenigen Tagen eines jeden Monats die Ausgaben für den Implant gerechnet.
Positiver Nebeneffekt dieses Verfahrens ist, dass sowohl die Unfälle als auch deren Abwicklung so transparent werden, dass MTU daraus Nutzen für die Schadenprävention ziehen kann. So hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren nicht nur die Höhe der Aufwendungen pro Schaden reduzieren können, sondern auch die Zahl der eingetretenen Schäden.
Und so konnte MTU als dritten Kostenblock auch die Ausgaben für die Kfz-Versicherung verringern, die seit zwei Jahren bei der Allianz unter Vertrag ist. "Je detaillierter jemand wie Herr Wiggenhauser das Thema Schadenmanagement steuert, desto detaillierter ist auch die Grundlage, mit der er individuell arbeiten kann. Und mit einer hervorragenden Datenbasis aus den eingetretenen Unfallschäden lässt es sich natürlich hervorragend in Sachen Prävention arbeiten. Um diese unternehmensindividuelle Datenbasis sicherzustellen, müssten die meisten mir bekannten externen Schadenmanagement-Dienstleister sehr arbeitsintensive eigene Prozesse aufsetzen", sagt Ralph Feldbauer, Chef-Riskmanager der Allianz.
Auf jeden Fuhrpark übertragbar
Ist diese Lösung, die auf den ersten Blick sehr individuell erscheint, auch auf andere Fuhrparks dieser Größenordnung übertragbar? "Ein Copy & Paste ist auf jeden Fall möglich", ist Wiggenhauser überzeugt, glaubt aber, dass viele sich noch scheuten, das so zu machen wie er."Die sind vielleicht noch nicht so kostengetrieben und denken: ,Naja, lassen wir das Schadenmanagement über einen externen Dienstleister laufen.' Aber da wird sehr, sehr viel Geld verbrannt."
- Ausgabe 05/2017 Seite 36 (264.1 KB, PDF)