Von Holger Holzer/SP-X
Einsteigen und entspannen – das Autofahren dürfte in naher Zukunft eine recht relaxte Angelegenheit werden. Oder vielleicht doch nicht? Das geplante neue Gesetz zum autonomen Fahren verspricht vielleicht mehr als es halten könnte. IT-Rechtsexperte Malte Grützmacher erläutert, worauf sich Nutzer einstellen müssen.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt gibt sich hinsichtlich des Ende Januar vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurfs positiv gestimmt: "Wir ermöglichen damit, dass der Fahrer während der hochautomatisierten Fahrt die Hände vom Lenker nehmen darf, um etwa im Internet zu surfen oder E-Mails zu checken." Ganz so einfach ist die Rechtslage aber nicht, findet Rechtsanwalt Grützmacher. Der Hamburger Jurist ist Fachmann für IT-Recht und bezeichnet ein solches Verhalten als sehr riskant. "Der Gesetzentwurf erlaubt eben noch nicht das vollautonome Fahren, sondern nur hoch- beziehungsweise vollautomatisierte Fahrfunktionen, bei dem der Fahrer nach wie vor gesetzlich angehalten sein kann, ins Geschehen einzugreifen." Und wer mit etwas gänzlich anderem als dem Straßenverkehr beschäftigt ist, braucht möglicherweise zu viel Zeit, das Steuer und die Kontrolle über die Situation wieder zu übernehmen.
Wenn überhaupt, kann der Fahrer nach Grützmachers Ansicht nur bei sehr langsamer Fahrt – etwa beim Stop-and-Go – riskieren, sich mit E-Mails und dem Internet zu beschäftigen. "Aber auch hier kann das System ihn kurzfristig auffordern, die Kontrolle des Fahrzeugs wieder zu übernehmen." Wegdämmern oder sich in einen Text vertiefen – das wird bei automatisierten Fahrzeugen also nicht gehen. Die von der Technik versprochene Entlastung für den Fahrer fällt also zunächst einmal eher gering aus.
Studium der Betriebsanleitung
Und auch abseits vom Lenkrad könnte die neue Technik das Leben erst einmal komplizierter machen. Denn als Fahrer muss man sich künftig möglicherweise zunächst einmal sorgfältig in die Betriebsanleitung seines Autos einlesen. Denn dort finden sich die vom Hersteller festgelegten Regeln zur "bestimmungsgemäßen Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen". An diese muss sich der Fahrer nach dem Willen des Bundesverkehrsministeriums halten, um bei einem eventuellen Unfall nicht in Haftung genommen zu werden. "Es ist zu erwarten, dass jeder Fahrer sich mit den Funktionen jedes Fahrzeugs individuell beschäftigen muss", erläutert Grützmacher. "Insofern wird das Autofahren nicht unbedingt leichter." Letztlich hänge aber viel davon ab, wie benutzerfreundlich der Fahrzeughersteller seine Systeme samt der zugehörigen Anleitungen gestalte.
Doch auch für den Hersteller ergeben sich aus dem Gesetzentwurf zumindest mittelbar wichtige Pflichten. "Er muss zunächst entscheiden, was noch hoch- oder vollautomatisierte Funktionen sind und was schon das noch nicht legalisierte vollautonome Fahren erlauben würde", so Grützmacher. Auch müsse er schon nach allgemeinem Recht nicht nur für eine fehlerfreie Technik sorgen, sondern zudem die bestimmungsgemäße Nutzung absichern und verständlich dokumentieren.
Um Streitigkeiten um konkrete Unfälle vor Gericht klären zu können, will Dobrindt für alle Roboterautos eine Blackbox vorschreiben, die Unfalldaten speichert. Für drei Jahre. Grützmacher erscheint das exzessiv lang. "Bei den meisten Unfallsituationen wird man das Bedürfnis zum Auslesen der Blackbox viel schneller haben. Interessant ist dann, was ist, wenn der Fahrer sich weigert, die Daten preis zu geben. Denkbar ist, dass die Gerichte gegebenenfalls mit einer sogenannten Beweislastumkehr arbeiten." Der Fahrer müsste dann also seine Unschuld aktiv beweisen. Allerdings zweifelt der Jurist ganz allgemein an der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der vorgesehenen exzessiven Speicherung der Daten.
Klar verständliche Fahrfunktionen
Insgesamt sieht der Experte den Gesetzentwurf als einen ersten, behutsamen Schritt in Richtung autonomes Fahren. "Ob die Akzeptanz der Technik damit erhöht werden kann, hängt auch davon ab, ob es den Herstellern gelingt, einen Weg zu finden, den Autofahrern klar verständliche Fahrfunktionen zu ermöglichen, bei denen gleichwohl beide Seiten einem überschaubaren Risiko ausgesetzt sind."
Ewig gültig sein wird das geplante Gesetz sowieso nicht: Weil es das komplett autonome Fahren noch juristisch ausspart, wird es irgendwann ein Update geben müssen. Das sieht auch Grützmacher so. "Wann das aber der Fall sein wird, hängt vom technischen Fortschritt, der wiederum gegen die von ihm ausgehenden Gefahren abzuwägen ist, ab."