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Punktereduzierung auf null?

31.08.2011 12:02 Uhr

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Punktereduzierung auf null?

§ 4 StVG besagt, dass bei Erreichen von 18 Punkten im Verkehrszentralregister die Fahrerlaubnis zu entziehen ist. Sie darf frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung wiedererteilt werden. Bei einer behördlichen Entziehung werden dabei die alten Punkte gelöscht. Kann man, um den Verlust seines Arbeitsplatzes zu verhindern, diese Frist umgehen und trotzdem eine Löschung der alten Punkte erreichen, etwa durch eine „vorbeugende“ freiwillige Abgabe des Führerscheins?

Im mittlerweile vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschiedenen Fall hatte die Fahrerlaubnisbehörde von einem Autofahrer wegen wiederholter Zuwiderhandlungen ein medizinisch-psychologisches Gutachten verlangt und darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf mangelnde Fahreignung geschlossen und die Fahrerlaubnis entzogen werde. Aus finanziellen Gründen und weil er ohnehin ein Fahrverbot antreten musste, verzichtete der Betroffene auf seine Fahrerlaubnis und gab den Führerschein im Februar 2006 bei der Fahrerlaubnisbehörde ab.

Nachdem die Eignungsbegutachtung durchgeführt war, erhielt er im September 2006 eine neue Fahrerlaubnis (ohne die bei behördlicher Entziehung geltende Sechsmonatsfrist), wurde aber im Oktober 2007 gleich wieder zur Teilnahme an einem Aufbauseminar wegen Überschreitens von 14 Punkten verpflichtet. Seine „alten“ Punkte wurden bei der vorherigen „freiwilligen“ Abgabe des Führerscheins – einer Entziehung war der Betroffene ja zuvorgekommen – nicht gelöscht. Ärgerlich, denn dieser Versuch galt bei berufsbedingten Vielfahrern oftmals als letzter Rettungsanker, um eine sechsmonatige Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu umgehen. Der Betroffene wendete dagegen ein, dass sein Punktekonto wegen des Verzichts auf null zu reduzieren gewesen wäre.

„Verfahrenstrick“ funktioniert nicht mehr

Das BVerwG hatte daher zu klären, inwieweit § 4 Abs. 2 StVG, also die Löschung der Punkte nach einer behördlichen Fahrerlaubnisentziehung, auch anwendbar ist, wenn der Betroffene selbst auf seine Fahrerlaubnis verzichtet, um deren drohende Entziehung zu vermeiden. Nur bei einer behördlichen Entziehung werden die Punkte für die vor einer solchen Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht.

Das BVerwG hat am 3. März 2011 entschieden (Aktenzeichen: 3 C 1.10), dass bei einem freiwilligen Verzicht auf eine Fahrerlaubnis – anders als bei einer Entziehung durch die Verwaltungsbehörde – die im Verkehrszentralregister gespeicherten Punkte nicht auf null zu reduzieren sind – also nicht gelöscht werden. Dies gelte auch dann, wenn der Verzicht zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden und zwingenden Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt ist. Eine Umgehung der Sechsmonatsfrist bei gleichzeitiger Reduzierung des Punktekontos auf null kommt damit als „Verfahrenstrick“ nicht (mehr) in Betracht.

Damit wurde die vorinstanzliche Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, Aktenzeichen: 11 BV 08.2502) aufgehoben. Nach der amtlichen Begründung zu § 4 StVG „werden die Punkte nicht gelöscht, wenn statt der Entziehung der Fahrerlaubnis lediglich hierauf verzichtet wurde“.

Diese bewusste unterschiedliche Behandlung soll gerade vermeiden, dass auf die Fahrerlaubnis aus taktischen Erwägungen verzichtet wird, um dadurch die Maßnahmen des Punktsystems und die Sechsmonatsfrist für die Wiedererteilung gemäß § 4 Abs. 10 S. 1 StVG nach Entziehung zu unterlaufen.

Auch wenn bei einer Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis auf die Möglichkeit des Verzichtes mit Verzichtserklärung hingewiesen wird, so dient dies nur dem Angebot, die mit einer Entziehung verbundenen Gebühren zu vermeiden. Dieser Verzicht dient aber gerade nicht dazu, das Punktsystem zu umgehen.

Bereits der Arbeitskreis VII des 47. Verkehrsgerichtstages 2009 hatte sich dafür ausgesprochen, die Löschung der Punkte in § 4 StVG auch für den Verzicht zur Vermeidung der Entziehung der Fahrerlaubnis vorzusehen.

Der BayVGH hatte dagegen noch die Auffassung vertreten, dass § 4 StVG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung in Verzichtsfällen dann anzuwenden ist, wenn seine Nichtanwendung einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeuten würde. Dies sei der Fall, wenn „einem Betroffenen die Löschung der Punkte verwehrt bliebe, der nach dem Verzicht auf die Fahrerlaubnis und der Ablieferung seines Führerscheins die Voraussetzungen für deren Wiedererteilung erfüllt und dem die Fahrerlaubnis auch tatsächlich wiedererteilt wird“.

Zuvor hatten bereits das Verwaltungsgericht Freiburg (Beschluss vom 11. September 2008, Aktenzeichen 1 K 1546/08) und das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Beschluss vom 21. Juli 2009, Aktenzeichen 9 L 564/09) eine Löschung der Punkte im Falles des Verzichts bejaht und hierbei sogar eine planwidrige Regelungslücke angenommen.

Bewusste Entscheidung gegen die Löschung

Mit seinem Urteil hat das BVerwG abschließend entschieden, dass der Gesetzgeber bei Verzichtsfällen bewusst von einer Löschung der Punkte abgesehen hat. Eine analoge Anwendung scheidet aus. Es fehlt an einer für eine Analogie vorausgesetzten unbewussten Regelungslücke. Auch bedarf es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keiner erweiternden Auslegung der Löschungsregelung aus Gründen der Gleichbehandlung, weil die vom Gesetzgeber in § 4 StVG vorgesehene Differenzierung zwischen einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis und deren Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde sachlich gerechtfertigt sei.

Damit ist der Verzicht auf die Fahrerlaubnis als geschickter juristischer Schachzug für den Erhalt punktebelasteter Vielfahrer nicht möglich. Die beste Maßnahme zum Erhalt der eigenen Fahrerlaubnis ist damit immer noch schlicht verkehrsgerechtes Verhalten.

Dr. Michael Ludovisy

Verzicht auf Fahrerlaubnis

+++Urteile+++Urteile+++Urteile+++

Parallelvollstreckung von Fahrverboten in Mischfällen

Bei der Vollstreckung von Fahrverboten in sogenannten Mischfällen, also beim Aufeinandertreffen nach § 25 a II S. 1 und § 25 II S. 1 StVG, (mit/ohne Viermonatsfrist) gilt aufgrund der gesetzlichen Regelungssystematik, dass § 25 II a S. 2 StVG keine Anwendung findet und der Parallelvollzug zulässig ist. Angesichts der Regelung des § 25 II S. 1 StVG ist es nicht als missbräuchlich anzusehen, wenn ein Wiederholungstäter, gegen den mehrere Fahrverbote ohne Viermonatsfrist festgesetzt sind, den Rechtskrafteintritt durch Einspruchs- und Beschwerdeeinlegung beziehungsweise -rücknahme dieser Rechtsbehelfe und Rechtsmittel zeitlich so steuert, dass die zugrunde liegenden Bußgeldentscheidungen gleichzeitig rechtskräftig und die verschiedenen Fahrverbote gleichzeitig wirksam und parallel vollzogen werden.

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Aktivierte Zündung gilt als Inbetriebnahme

Ein Fahrzeug befindet sich bereits in Betrieb im Sinne von § 7 I StVG, wenn der Fahrer bei eingelegtem Gang die Zündung aktiviert, ohne hierbei die Kupplung zu treten, und das Fahrzeug deshalb in Bewegung gerät und ein anderes Fahrzeug beschädigt. Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 I StVG umfasst daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Fahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadengeschehen in dieser Weise durch dieses mitgeprägt wurde.

AG Berlin-Mitte, Aktenzeichen 106 C 3150/09; SP 2011, 139

+++Urteile+++Urteile+++Urteile+++Urteile+++Urteile+++

Keine Versicherung bei alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit

Die Kürzung der Versicherungsleistung um 100 Prozent kann berechtigt sein, wenn der Versicherungsnehmer einer Kfz-Vollkaskoversicherung das versicherte Fahrzeug grob fahrlässig im Zustand der durch Alkoholgenuss herbeigeführten absoluten Fahruntüchtigkeit beschädigt hat. Das Führen eines Fahrzeugs im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit ist grundsätzlich grob fahrlässig. Grob fahrlässiges Handeln des Klägers sieht der Senat allerdings nicht darin, dass der Kläger keine hinreichenden Maßnahmen getroffen hat, sich selbst eine Fahrt im alkoholisierten Zustand unmöglich zu machen. Der Senat ist der Auffassung, dass im absolut fahruntüchtigen Zustand eine Kürzung um 100 Prozent gerechtfertigt ist. Ein solcher Verkehrsverstoß gehört nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt. Es handelt sich um ein besonders gefahrenträchtiges Verhalten.

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Alleinhaftung des Radlers auf dem Gehweg

Ein verbotswidrig auf dem Bürgersteig fahrender Radfahrer hat den durch den Zusammenstoß mit dem aus einer Hofeinfahrt herausfahrenden Fahrzeug entstandenen Schaden allein zu tragen, wenn den Autofahrer kein Verschulden trifft. Die bloße Betriebsgefahr des Autos tritt in diesem Fall vollständig zurück. Bürgersteige sind für Fußgänger und fahrradfahrende Kinder bis zehn Jahre bestimmt, nicht aber für erwachsene Radfahrer. Selbst wenn den Fahrzeugführer ein geringfügiges Mitverschulden wegen eines minimal überhöhten Ausfahrttempos oder einer um Sekundenbruchteile verzögerten Bremsreaktion träfe, würde dieses einschließlich der Betriebsgefahr des Fahrzeugs gegenüber dem Verursachungs- und Verschuldensanteil des leichtsinnig handelnden Radfahrers zurücktreten.

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Herausgabe des Dienstwagens bei Kündigung des Arbeitgebers

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LAG Nürnberg, Aktenzeichen 7 SA 521/10, ADAJUR-Archiv

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