_ Mitte Juli gab es eine Weltpremiere im südafrikanischen Kapstadt: Als X-Klasse schickte Daimler einen auf Mercedes-Benz getrimmten Nissan Navara als ersten eigenen Großserien-Pick-up ins Rennen. Damit besitzt der Pick-up mit dem Stern zumindest gute Gene. In jedem Fall haben die Stuttgarter Designer und Ingenieure aber einiges dafür getan, dass sich auch der Neue unter den leichten Nutzfahrzeugen der Schwaben einmal selbst ein Sternchen verdienen kann und dem Premiumanspruch der Stuttgarter Marke gerecht wird.
Wertige Materialanmutung
So haben die Designer die Front- und Heckpartie neu gezeichnet. Zudem hat die Inneneinrichtung der Doppelkabine fast nichts mehr mit dem Ursprungsfahrzeug zu tun, sondern sieht jetzt aus wie ein Mercedes-Benz. Einzig ein paar Schalter und die für einen Daimler unübliche Anordnung von Gangwahlhebel beziehungsweise Schalthebel nebst Handbremse in der Mittelkonsole sind dem Partner Nissan geschuldet. Insgesamt liegt die Materialanmutung über der des Gen-Spenders, erreicht aber nicht ganz das Niveau der Mercedes-Benz Pkw.
Die Techniker haben sich unterdessen vor allem das Fahrwerk vorgeknöpft, das mit einer anderen Feder-Dämpfer-Abstimmung und einer breiteren Spur für mehr Fahrkomfort sorgen soll. An der Vorder- wie an der Hinterachse kommen Schraubenfedern zum Einsatz.
Einstiegsmotor von Nissan
Das Fahrwerk besteht aus einer Doppelquerlenker-Vorderachse und einer laut dem Hersteller "bestens zum Transport schwerer Lasten geeigneten Mehrlenker-Hinterachse mit starrem Achsanteil und hoher Verschränkungsfähigkeit". Zudem setze Mercedes-Benz als einziger Hersteller in diesem Segment serienmäßig auf große, innenbelüftete Scheibenbremsen an beiden Achsen.
Die Einstiegsmotoren indes stammen aus dem Nissan-Regal. Einzig der für nächstes Jahr geplante V6-Diesel kommt von Daimler selbst. Die Technik-Kur hat dem Pick-up gutgetan. Bei einer ersten Tour als Co-Pilot überzeugt das Fahrwerk auch bei den schnellen Kurvenfahrten und dynamischen Ausweichmanövern - nichts schwankt oder schaukelt. Die von einem Leiterrahmen getragene Karosserie ächzt und knarzt auch nicht. Das bleibt auch so auf den kernigen Geländepassagen. Motor, Wind und Abrollgeräusche sind vernehmbar, bewegen sich aber eher auf SUV- als auf Nutzfahrzeugniveau.
Eine gute Tonne
Apropos Nutzfahrzeug: Bei der X-Klasse handelt es sich um einen sogenannten Midsize-Pick-up. Das sind Fahrzeuge mit einer Zuladung von gut einer Tonne. An den Haken kann er - je nach Version - 3,5 Tonnen nehmen. Zwar passt eine Europalette quer zwischen die Radkästen auf das serienmäßig beleuchtete Ladebett. Wäre sie aber mit den für die Europalette zulässigen 1,5 Tonnen beladen, wäre der Neuling schon überladen. In dem mit schwarzem Kunststoff ausgekleideten Heckabteil finden sich ein 12-V-Anschluss und - in der am ehesten für den Einsatz als Nutzfahrzeug georderten Basisausstattung (Pure) - vier Zurrösen. Erst in den beiden gehobenen Ausstattungslinien (Power und Progressive) gibt es serienmäßig Zurrschienen an den Seiten des Ladebetts. Die Zurrschienen im Ladeboden sind aufpreispflichtig. Verfügbar sind zudem ein Trennsystem für das Ladeabteil aus Aluminium sowie verschiedene Lösungen zu dessen Abdeckung (Soft-, Hard- und Rollcover) sowie eine Staubox.
Deutlich teurer als der Navara
Mehr Style, wertigere Materialanmutung und die renovierte Technik haben ihren Preis. Die X-Klasse mit 163 PS (ab 31.340 Euro) liegt deutlich über dem Navara (als "Visia" mit Doppelkabine ab 26.143 Euro), der noch Allrad an Bord hat. Der deutsche Hauptkonkurrent, VWs Raubein Amarok, startet mit 204 PS und Doppelkabine bei 34.450 Euro. Allerdings erreicht die Optionsliste der ab November beim Händler erhältlichen X-Klasse schon Pkw-Niveau, so dass man schnell auf Augenhöhe kommt.
- Ausgabe 09/2017 Seite 46 (244.8 KB, PDF)