_ Für Leasingnehmer, die nach IFRS bilanzieren, gelten ab 2019 neue Regelungen. Dreh- und Angelpunkt ist IFRS 16. Demnach hat der Leasingnehmer beim bisher bilanzneutralen Operating Leasing künftig anteilig die Leasingverbindlichkeit und das Nutzungsrecht über Verträge mit Laufzeiten von länger als zwölf Monaten in den Büchern aufzunehmen und auszuweisen. Ist dies richtig skizziert und können Sie die neuen Vorgaben näher erläutern?
Peter Adolph: Korrekt. Das International Accounting Standards Board, kurz: IASB, verfolgt als Gremium mit internationalen Rechnungslegungsexperten mit der Vorschrift IFRS 16 das Ziel, die Bilanzneutralität der großen Mehrheit der Leasingverhältnisse zu beenden. Das duale Modell mit Finance Leasing und Operating Leasing des IAS 17 weicht einem einheitlichen Bilanzierungsansatz, der auch bisher als klassische Mietverhältnisse eingestufte Verträge, wie beispielsweise Flotten-Mietverträge, trifft. Bei dem sogenannten Nutzungsrechtsansatz wird nicht das gesamte Objekt, sondern das Nutzungsrecht des Leasingnehmers an diesem Objekt betrachtet. Der Finanzierungscharakter des Leasings soll sich künftig auch in den Büchern der Leasingnehmer wiederfinden. Eine zentrale Rolle werden die Identifizierbarkeit des Leasinggegenstandes und die Kontrolle über diesen Gegenstand spielen. Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, so handelt es sich nicht um ein Leasinggeschäft und IFRS 16 ist nicht anzuwenden.
_ Wie ist ein Leasinggeschäft künftig in der Bilanz und der Gewinnund Verlustrechnung (GuV) darzustellen?
Tobias Rischar: Ein Leasinggeschäft wird zukünftig unabhängig von seiner Ausgestaltung grundsätzlich als Finanzierungsgeschäft gesehen. Dementsprechend wird eine Verbindlichkeit zur Zahlung der Leasingraten passiviert. Mögliche Verpflichtungen aus Kündigungs- und Verlängerungsoptionen sowie Restwertgarantien sind hier ebenfalls zu berücksichtigen. Korrespondierend wird auf der Aktivseite der Bilanz das Recht zur Nutzung des zugrundeliegenden Gegenstandes angesetzt.
Der Finanzierungscharakter spiegelt sich auch in der GuV über eine lineare Abschreibung des Nutzungsrechts und die Verminderung der Verbindlichkeit nach der Zinseszins-Methode wider. Im Prinzip also wie bei einem Finance Lease nach IAS 17, jedoch ohne die Notwendigkeit der Finanzierung des kompletten Objekts.
_ Können Sie die Wirkung auf die Kennzahlengrößen schildern?
P. Adolph: Unternehmen, die nach IFRS bisher auf Operating Leasing setzen, steht eine Bilanzverlängerung durch einen Anstieg der Gesamtaktiva und der Verbindlichkeiten bevor. Negative Effekte können sich ergeben, wenn ein Unternehmen einen starken Fokus auf kapitalbasierte Kennzahlen wie die Eigenkapitalquote oder den Verschuldungsgrad legt. Diese werden sich nämlich durch die Bilanzverlängerung verschlechtern. Einer möglicherweise negativen Außenwirkung muss hier natürlich entgegengewirkt werden.
Ist für das Unternehmen allerdings weniger der Verschuldungsgrad entscheidend, sondern mehr die Ergebnisgrößen wie das EBIT, hat der neue Standard positive Effekte. Gerade das operative Ergebnis beziehungsweise das EBIT profitiert von den Änderungen, da es nur durch die Abschreibung des Nutzungsrechts, nicht aber durch den Zinsanteil belastet wird.
Vor Abschreibungen ist gar eine komplette Entlastung zu sehen, zum Beispiel beim EBITDA. Der für Finanzierungsleasingverhältnisse typische Vorverlagerungs-Effekt des Aufwandes gegenüber der linearen Aufwandserfassung bei Operating Leasing kann durchaus eine Rolle spielen, wird sich aber in einem eingeschwungenen Portfolio mit unterschiedlichen Laufzeiten der Verträge nicht sonderlich negativ auswirken. Unternehmen, die von den Änderungen unmittelbar betroffen sind, werden daher allein aufgrund des IFRS 16 sicherlich nicht vom Leasing Abschied nehmen. Der positive Effekt in der GuV wird bei den Unternehmen oftmals höher bewertet als die Auswirkungen auf der Passivseite der Bilanz. Ratingagenturen und Banken haben auch bisher über Schätzungen und Berechnungen entsprechende Anpassungen der Unternehmensverbindlichkeiten vorgenommen; negative Auswirkungen in der Bonität sind hier nicht zu befürchten. Und weitere Vorteile des Leasings neben der Bilanzneutralität, wie zum Beispiel die Schonung der Liquidität und die Aktualität der Betriebsausstattung, bleiben ja erhalten.
_ Wie sind in diesem Kontext Serviceverträge und -bestandteile in Leasingverträgen zu behandeln und gegebenenfalls zu trennen?
T. Rischar: Serviceverträge oder -bestandteile in Leasingverträgen sind generell sofort aufwandswirksam zu erfassen. Besondere Bedeutung kommt künftig also genau der Trennung von Leasing- und Servicebestandteilen zu, weil die beiden Komponenten unterschiedliche Wege in der Bilanzierung gehen: Der Leasinganteil wird passiviert und das Nutzungsrecht entsprechend abgeschrieben, während der Serviceaufwand sofort erfolgswirksam erfasst werden kann. Die Trennung der Bestandteile erfolgt entweder auf Basis der beobachtbaren relativen Einzelveräußerungspreise oder über eine qualifizierte Schätzung, wenn keine objektiven Preise vorliegen. Allerdings kann sich der Leasingnehmer auch für jede Klasse von Vermögenswerten dafür entscheiden, Leasing- und Servicekomponenten insgesamt als Leasingverhältnis zu aktivieren, um ein aufwändiges Trennungsverfahren zu vermeiden. Grundsätzlich sollten Leasingnehmer hier vor allem auch ihre Intention bezüglich der finanziellen Kenngrößen beachten: Ein Bilanzansatz verschlechtert zwar die bilanzorientierten Kennzahlen, aber in der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Kapitalflussrechnung kommt es durch die neue Leasingbilanzierung zu einer Verbesserung im operativen Bereich.
_ Wann liegt dann Service vor? Können Sie Beispiele für die Bedeutung im Flottengeschäft nennen?
P. Adolph: Ein Service liegt vereinfacht gesagt immer dann vor, wenn ein Bestandteil nicht die Voraussetzungen des IFRS 16 erfüllt. Im Falle einer vereinbarten Wartung beim Fahrzeugleasing ist dies eindeutig, da hier kein Objekt vermietet wird, sondern eine reine Dienstleistung für das Objekt im Vertrag vereinbart wird.
Aber auch bei einem gemieteten Objekt kann es sich in Wahrheit um einen Service statt um Leasing handeln. Bei Vertragsabschluss ist hier zunächst vor allem zu prüfen, ob das Kontrollkriterium für das Leasingobjekt erfüllt ist oder ob es sich nicht doch eher insgesamt um eine reine Dienstleistung handelt, die nicht zu aktivieren ist.
Eine reine Dienstleistung ist ebenso gegeben, wenn das Leasingobjekt, wie zum Beispiel ein Pkw, vom Leasinggeber jederzeit ausgetauscht werden kann, das heißt ein substanzielles Austauschrecht vorliegt. Dies kann vor allem für die Überlassung von Fahrzeugflotten der Fall sein. Voraussetzung für ein substanzielles Austauschrecht ist neben der vertraglichen Vereinbarung, dass der Leasinggeber auch praktisch die Möglichkeit für einen Austausch besitzt, also auch entsprechend Alternativobjekte zur Verfügung stehen.
Zusätzlich muss ein möglicher Austausch für den Leasinggeber wirtschaftlich sinnvoll sein und der Leasingnehmer muss dies beurteilen können. Damit ist zwar klar, dass das IASB dieses"Schlupfloch" generell eng auslegt. Die Bedenken können aber unseres Erachtens am besten ausgeräumt werden, wenn auch tatsächlich in der Praxis ausgetauscht wird; dabei gehen wir davon aus, dass eine Austauschquote von zehn Prozent der Flotte hierfür ausreichend sein dürfte. Ein vertraglich vereinbarter Austausch im Gewährleistungsfall oder bei technischen Neuerungen zählt allerdings nicht als substanzielles Austauschrecht.
_ Welche Fallstricke können damit für betroffene Unternehmen entstehen? Und wie sind diese zu vermeiden?
P. Adolph: Die angesprochenen Veränderungen können, ohne dass ein tatsächlicher Substanzverlust vorliegt, mögliche Kapitalgeber verunsichern, die oft kapitalbasierte Kennzahlen in ihrer Betrachtung verwenden. Wie allerdings erwähnt, beziehen Ratingagenturen und Analysten sowie institutionelle Kapitalgeber dies bereits mit ein.
Den Änderungen muss außerdem in der unternehmensinternen Planung Rechnung getragen werden. Neben Bilanz- und GuV-Effekten wird zum Beispiel auch der Cashflow beeinflusst, zwar nur in Ausnahmefällen quantitativ, aber auf jeden Fall strukturell. Der operative Cashflow wurde bis dato durch Operating-Lease-Zahlungen verringert. Da der Tilgungsanteil und wahlweise der Zinsanteil der Zahlungen zukünftig dem Finanzierungsbereich zuzuordnen ist, verbessern sich der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit und der Free Cashflow. Eine erste Analysephase spielt eine wichtige Rolle, damit Unternehmen nicht nur sich selbst frühzeitig vorbereiten, sondern auch eine grobe Abschätzung der Effekte an die Stakeholder liefern können und für Nachfragen gerüstet sind.
_ In welchen Fällen hat die Neuregelung keine Gültigkeit beziehungsweise greift sie nicht?
T. Rischar: Der Leasingnehmer ist zum einen nicht dazu verpflichtet, Leasingverhältnisse mit einer Laufzeit von maximal zwölf Monaten in die Bilanz aufzunehmen. Hier müssen aber auch hinreichend sichere Verlängerungsoptionen einbezogen werden. Zum anderen müssen Unternehmen die Regeln nicht auf Leasingverhältnisse von wertmäßig kleineren Objekten wie beispielsweise Laptops oder Einrichtungsgegenständen, sogenannte Small-Ticket-Leases, anwenden. Der IASB hat hier einen Neupreis von etwa 5.000 US-Dollar als Richtwert geliefert. Eine unternehmensindividuelle Auslegung ist aber dennoch geboten.
_ Welche Maßnahmen können und müssen Leasingnehmer generell ergreifen, um sich weiterhin optimal und nach IFRS bilanzschonend aufzustellen?
P. Adolph: Generell können anhand der Berechnungen einer Impact-Analyse bereits Überlegungen zur strategischen Ausrichtung und bilanzoptimalen Struktur des Leasingportfolios angestellt werden, zum Beispiel bei der Wahlrechtsausübung. Daneben kann der Umfang des Umstellungsprojektes hinsichtlich Zeit und Kosten verlässlicher eingeschätzt und geplant werden.
Bei den spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten könnten neben der Trennung von Servicebestandteilen und tendenziell kürzeren Laufzeiten gerade bei Fahrzeugen vermehrt nutzungsabhängige Leasingraten vereinbart werden. Denn variable Raten, die von der Nutzungsintensität des Leasingobjekts abhängen, werden nach IFRS 16 nicht in die Leasingverbindlichkeit aufgenommen.
Zudem wird die Identifizierbarkeit der Objekte verstärkt zum Thema werden. Wird beispielsweise für einen Car-Pool eine bestimmte Anzahl von Autos eines bestimmten Typs benötigt, die der Leasinggeber aber nicht wie üblich über das Nummernschild oder Ähnliches näher spezifiziert, sondern die er beliebig zur Verfügung stellen und austauschen kann, so lässt sich die Anwendung des IFRS 16 vermeiden.
_ Herr Adolph und Herr Rischar, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Annemarie Schneider
Das vollständige Interview mit weiteren Fragen und Antworten finden Sie im E-Paper unter digital.autoflotte.de
Zur Person
Peter Adolph
_ Er hat an der DHBW Stuttgart, der Universität Hohenheim und der Universität Zürich studiert und in Leasingbilanzierung nach IFRS promoviert. Er ist als Partner bei der Unternehmensberatung FAS in Stuttgart für den Bereich Leasing verantwortlich. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Bilanzierung und Steuerung von Leasinggeschäften einschließlich der IT-technischen Umsetzung. Zuvor war er bei KPMG in Frankfurt mit der Prüfung und Beratung von Leasinggesellschaften beschäftigt und leitete die Bereiche Financial Services von Linde in München und der Kion Group in Wiesbaden. Adolph ist nebenberuflich Lehrbeauftragter und Verfasser von Fachbeiträgen und Kommentierungen zur Leasingbilanzierung. Daneben gehört er der Arbeitsgruppe "Internationale Rechnungslegung" des Bundesverbandes deutscher Leasing-Unternehmen (BDL) an.
Zur Person
Tobias Rischar
_ Tobias Rischar hat an der HTW und der Universität des Saarlandes studiert und sich auf internationales Rechnungswesen und Finanzen spezialisiert. Er ist seit 2013 als Senior Consultant bei FAS tätig und berät Kunden zum Thema Leasing mit Schwerpunkt Projektsteuerung und Prozessoptimierung. Er ist nebenberuflich Lehrbeauftragter an der DHBW Stuttgart und Verfasser von Fachbeiträgen zur Leasingbilanzierung.
- Ausgabe 09/2016 Seite 57 (456.6 KB, PDF)