Eine mögliche Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen bietet aus Sicht von Umweltverbänden die Möglichkeit einer grundlegenden Wende in der Verkehrspolitik. "Ich sehe Jamaika als Chance, wenn man den Klimaschutz mit alternativen Antrieben als Chance begreift", sagte der verkehrspolitische Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland, Gerd Lottsiepen, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Das hängt aber ganz wesentlich von der FDP ab. Die FDP muss sich am meisten bewegen."
Die Autoindustrie könne nicht so weiter machen, sagte Lottsiepen mit Blick auf den Diesel-Abgasskandal und den Umbau Richtung Elektromobilität. "Der Umstieg auf emissionsfreie Mobilität ist eine Investition in eine moderne, zukunftsfähige, umweltverträgliche Wirtschaft. Darauf könnten sich die drei Fraktionen doch einigen." Eine "schlimmere Verkehrspolitik" als unter Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) könne man sich nicht vorstellen.
Die Positionen der Parteien liegen bisher aber weit auseinander. Die Grünen wollen ab 2030 keine Diesel und Benziner mehr neu zulassen. Spitzenkandidat Cem Özdemir hatte einen "Einstieg in den Ausstieg" aus dem Verbrennungsmotor zur Koalitionsbedingung erklärt. Die CSU wiederum will keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem ein Enddatum für den Verbrennungsmotor festgehalten ist. Die Liberalen halten ebenfalls nichts von einem Verbot. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte gesagt, der Verbrennungsmotor sei noch "auf Jahrzehnte" wichtig.
Lottsiepen zeigte sich dennoch optimistisch, dass eine Jamaika-Koalition nicht an der Forderung der Grünen scheitern würde: "Die Grünen werden Kompromisse eingehen müssen. Den Umstieg auf Elektromobilität kann man eleganter über schärfere CO2-Grenzwerte erreichen."
Der Umweltverband Greenpeace forderte, das Auslaufen des Verbrennungsmotors sollte mit politischen Vorgaben eingeleitet werden. "In einer Jamaika-Koalition wird Umwelt- und Klimapolitik schon deshalb wichtiger werden, weil CDU und FDP die Grünen anders nicht in einer Regierung halten können", sagte Stefan Krug, Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace.
VDA: "Ohne Verbotsschilder"
Die Autoindustrie dagegen verwies auf die Bedeutung von herkömmlichen Motoren. Sie spielten für die Mobilität noch über viele Jahrzehnte eine wichtige Rolle, zusammen mit neuen Antrieben, erklärte der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Dienstag. Aus Sicht der Industrie komme es darauf an, dass die kommende Bundesregierung den Wandel in der Branche klug begleite – mit "innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen, technologieoffenen Anreizen, aber ohne Verbotsschilder".
Der Automobilindustrie komme als Schlüsselindustrie für Deutschland mit mehr als 800 000 Beschäftigten eine besondere Bedeutung zu, erklärte der VDA. "Moderne Verbrennungsmotoren finanzieren die automobile Gegenwart und Zukunft. Diesen Zusammenhang sollten alle Akteure im Auge behalten." (dpa)