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Mehrkosten unausweichlich?

01.02.2017 06:00 Uhr
Mehrkosten unausweichlich?

Kfz-Versicherer rechnen durch Zunahme der technischen Helfer in Pkw mit höheren Aufwendungen pro Glasschaden in den kommenden Jahren. Ausweg für Flotten: Schadenprävention.

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_ Obwohl Fahrzeughalter und -nutzer hierzulande für Häufigkeit und Kosten von Glasschäden sensibilisiert sind, verharrt die Schadensart bei Pkw auf hohem Niveau. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) war Glasbruch mit 2,156 Millionen Fälle in 2015 wieder die Ursache Nummer eins unter den Teilkasko-Schäden - weit vor Sturm-, Hagel-, Wildschäden oder Teilediebstahl. Die dafür gezahlten Versicherungsleistungen: rund 1,136 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies jeweils einer leichten Verbesserung der Werte von rund zwei Prozent (2014: 2,195 Millionen Fälle / 1,117 Milliarden Euro). Separate Zahlen über die Glasschäden im Flottenmarkt nennt der GDV nicht.

Glasschäden im Flottensegment

Eine Umfrage unter den Flottenversicherern weist die Richtung, wohin sich Zahl und Volumen der Versicherungsleistungen von Glasbruch speziell im gewerblichen Segment 2016 und 2015 entwickelt haben. Einige Anbieter wie Allianz, Gothaer, HDI, Provinzial Rheinland, VHV, Württembergische und Zurich machen dazu zwar keine fassbaren Angaben. Sie teilen aber allgemein mit, dass Anzahl und Aufwendungen für Glasschäden gewachsen seien (Allianz, Provinzial Rheinland) beziehungsweise der Bereich den größten Block an Kaskoschäden (HDI, Provinzial Rheinland, Württembergische) bilde. Die VHV registriert im Flottensegment ferner einen durchschnittlich gestiegenen Schadensaufwand für Glasschäden.

Konkreter wird die Axa. Hier summieren sich die Glasschäden auf zirka 50 Prozent der Fälle in 2015. Bei der Ergo entfallen im Kfz-Flottengeschäft sogar drei Viertel aller Teilkasko-Schäden auf Glasbruch. Absolut belaufen sich die Fälle jeweils auf rund 20.000 in 2015 und 2016. Die Schadenzahlen seien dabei in Korrelation mit dem Bestandswachstum jedoch leicht rückläufig und die Entschädigungsleistungen bewegten sich konstant im hohen einstelligen Millionenbereich. Thomas Viegelahn, Dienstleistermanagement Schaden der R+V, führt etwa 90.000 Glasschäden auf das gewerbliche Segment zurück, die einen Schadensaufwand von zirka 40 Millionen Euro verursacht haben.

Innovationen treiben Ausgaben

Zugleich gehen die Kfz-Versicherer davon aus, dass die Rechnungen für Glasschäden in den kommenden Jahren steigen. Vorreiter werden dabei wohl Fuhrparks sein, in denen Modelle mit den neuesten technischen Innovationen wie Fahrerassistenzsysteme zuerst Einzug halten. So konstatiert Karin Brandl, Leiterin Kraft-Schaden bei der Allianz Versicherung, einen "Kostenanstieg bei Fahrzeugen mit Fahrerassistenzsystem, bei denen zum Beispiel eine Kalibrierung nach Austausch der Windschutzscheibe erfolgen muss." Und Hendrik Saeger, Leiter Firmenkundengeschäft Kraftfahrt Flotte der Axa, sagt: "Wir stellen durch die technische Entwicklung eine Steigerung der Durchschnittskosten fest. Positionen, wie zum Beispiel Kalibrierungen von Head-up-Displays, sind neu und erhöhen die Aufwendungen bei Glasschäden." Gleiches registriert Sebastian Kittner, Abteilungsleiter Kraftfahrt Flottengeschäft Produktmanagement der Ergo. Er ergänzt: "Zusätzlich zu den Mehrarbeiten ist auch der Basispreis höher. Je nach Fahrzeugtyp betragen die Mehrkosten oftmals mehrere hundert Euro."

Dr. Thomas Winkler, Chief Underwriter Kraftfahrt der Gothaer, beobachtet schon länger die Kostensteigerung bei Front- und Windschutzscheiben durch technische Einheiten, die an, auf und in der Frontscheibe verbaut werden. "Es begann vor vielen Jahren mit dem Regensensor, dann folgten Antennen- und Heizsysteme in der Scheibe und endet aktuell mit der aufwendigen Justierung von optischen Systemen an der Scheibe", so Winkler. "Demnächst wird es integrierte Kamera-LED-Lichtsegment-Scheinwerfer geben, die technisch und preislich in neue Dimensionen vorstoßen."

Bezifferbare Mehrkosten

Matthias Küchemann, Leiter Kraftfahrtversicherung Vertrag, Geschäftsfeld Industrie der HDI, nennt ebenfalls Zahlen: "Vor der Zeit der Fahrerassistenzsysteme bewegten sich die Kosten für die Erneuerung der Frontscheibe im einstelligen Tausend-Euro-Bereich. Heute haben sich die Kosten bei einem Mittelklassewagen mindestens verdoppelt." Und Simon Bünker, Abteilungsleiter Schaden der VHV, konstatiert aufgrund der zunehmenden Durchdringung von Flotten mit Assistenzsystemen:"Glasschäden über 2.000 Euro sind bereits heute keine Seltenheit mehr."

Sandra Böhm, Bereichsleiterin Kraftfahrt und Rechtsschutz der Provinzial Rheinland meint zu den steigenden Versicherungsleistungen aus Glasbruchschäden: "Die technische Entwicklung der Fahrerassistenzsysteme bedingt eine inzwischen auch in den Zahlen spürbare und deutlich über dem im sonstigen Reparatursegment liegende Kostensteigerung. Der Anstieg der durchschnittlichen Kosten für einen Glasschaden liegt bei über vier Prozent."

Schadensursachen und Lösungen

Gleichwohl sind die Ursachen für die überproportional steigende Anzahl der Fälle für Böhm nicht eindeutig bestimmbar:"Ob neuere Scheiben anfälliger sind für Schäden oder die Straßenverhältnisse schlechter werden? Ob Autofahrer verstärkt auf Macken im Glas achten oder Glasbruchschäden schneller auffallen, weil gleichzeitig auch technische Messinstrumente, zum Beispiel der Regensensor, beschädigt werden? Oder ob Werkstätten gerne Glasbruchschäden feststellen, weil hier noch Geld verdient werden kann? Alle diese Fragen können wir nicht klar beantworten." Dennoch könnten Auswege geebnet werden, etwa mit alternativen Reparaturmethoden, höherem Selbstbehalt sowie Riskmanagement-Maßnahmen.

Das empfiehlt auch Timon Schneider, Product Management Motor der Zurich. Schließlich rechnet er durch Fahrerassistenzsysteme mit Auswirkungen auf Material, Arbeitswerte und Werkzeug, die in Kostensteigerungen von zirka 25 bis 50 Prozent münden können."Wenn es sich um ein Fahrzeugmodell mit fest eingebauter Kamera handelt sowie noch weitere Systeme vorhanden sind, zum Beispiel Regensensor und Head-up-Display, dann können sich die Austauschkosten sogar leicht verdoppeln." Instrumente zum Gegensteuern Neben Riskmanagement zur Reduzierung der Schadenfrequenz und Prävention, höheren Selbstbehalten oder dem Ausschluss von Glasschäden aus den Rahmenverträgen bildet nach Meinung der meisten Flottenversicherer die aktive Steuerung der Glasschäden zu Spezialdienstleistern wie Carglass & Co. ein probates Mittel, um die Kosten zu bremsen respektive zu senken. Dabei lautet die Prämisse: Glasschäden reparieren, wo immer es zulässig und machbar ist, bevor ein Austausch der Scheibe erfolgt. Zudem gibt es oft Sonderkonditionen für das Flottensegment.

Ein Ruck in der konsequenten Schadensteuerung von Flotten ist unter anderem mit Eintritt der Innovation Group in den deutschen Markt vor gut 20 Jahren durch die Branche gegangen. Heute greifen rund 110 Fuhrparks und 40 Versicherungsgesellschaften mit 48 Marken auf die Dienste des Unternehmens mit Sitz in Stuttgart zurück. Für diese werden sowohl Reparatur als auch Schadenmanagement übernommen. Die Bausteine reichen von der 24-Stunden-Hotline für Fahrer und die Schadensaufnahme über Werkstattsteuerung, technische Prüfung und Freigabe der Kostenvoranschläge bis hin zur Überwachung des Reparaturprozesses, Rechnungsprüfung und -stellung inklusive Schadenportal plus Kundenreporting. Flankiert wird dies durch das eigene Autoglas-Franchisesystem Wintec mit rund 330 Stationen im Bundesgebiet.

"Generell geht es darum, dem Dienstwagennutzer eine Kontaktnummer für alle Probleme rund um den Firmenwagen zur Verfügung stellen. Wir filtern dann nach Schilderung der Umstände und versorgen den Fahrer mit den notwendigen Informationen. Denn der Flottenkunde möchte durch das Schadenmanagement einfache Prozesse, Transparenz vom ersten Anruf bis zur Bezahlung und deutlich günstigere Reparatur und Mobilitätskosten", sagt Innovation-Geschäftsführer Marco Weitner.

Wie sich Steuerung von Glasschäden lohnt

Dass sich die Schadensteuerung konkret bei Glasschäden für Flotten finanziell auszahlen kann, veranschaulicht Weitner anhand einer Musterkalkulation. Demnach kostet ein Glasschaden, gemessen an den aktuellen Kaskozahlen des GDV für Glasbruch in 2015, mit zirka 2,2 Millionen Schadenfällen und einem Leistungsvolumen von rund 1,1 Milliarden Euro im Schnitt 500 Euro. "Bei uns kostet ein Glasschaden durchschnittlich 392 Euro", erläutert Weitner. "Dadurch ergibt sich ein Einsparpotenzial von mehr als 100 Euro, also rund 20 Prozent, pro Fall. Die Schadensteuerung führt so für alle zu einer Win-win-Situation."

Dafür haben Flotten zwei Mindestanforderungen zu erfüllen. "Zum einen sprechen wir in der Regel immer von Fuhrparks ab 100 Pkw aufwärts. Hier entfalten die Produkte Reparatur und Schadenmanagement ihre volle Wirkung. Ungeachtet dessen haben wir auch kleinere Fuhrparks im Portfolio. Diese laufen über einen einheitlichen Prozess, um den Handlings-Aufwand zu reduzieren", erläutert Weitner. Zum anderen muss in den Fuhrparks die Bereitschaft bestehen, alle Karosserie-, Lack- und Glasschäden einzusteuern. Dann können Prozess und Einsparpotenzial gewährleistet werden.

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