Japanisches Blatt
Ende 2011 will der Stromer Nissan Leaf hierzulande durchstarten. Wir waren mit ihm schon unterwegs.
Zocker, die beim Kartenspiel nur ein halbwegs gutes Blatt in den Händen halten, müssen schon richtig gut bluffen können, um zu gewinnen. Hier und da ein paar beeindruckende Showeffekte am Kartentisch, dann könnte die gewählte Taktik aufgehen.
Ganz ohne Showeffekte kommt hingegen Nissan aus, was das derzeit landauf, landab diskutierte Thema Elektromobilität angeht. Der Importeur hält mit seinem japanischen Blatt (Leaf: englisch für Blatt) einen E-Trumpf in den Händen. Ein von Beginn an als Großserien-Elektroauto konzipiertes Fahrzeug. Keine Studie, kein Prototyp, kein Umbau.
Allerdings müssen sich heimische Fuhrparkbetreiber noch bis Ende 2011 gedulden, bis der Stromer rein elektrisch in den Verkaufsraum rollt. Insbesondere an Gewerbe- und Flottenkunden im städtischen Bereich sowie an Fuhrparks mit umweltbewussten Car Policys adressiert Nissan seinen vollwertigen E-Fünfsitzer (siehe rechts stehendes Interview mit Arthur Wirtz).
Doch welches Budget sollten vorausschauende Flottenchefs für die fünftürige Schrägheck-Limousine, die nur in einer Ausstattung vorfährt, einplanen?
Einen Kurs in Höhe von rund 35.000 Euro – inklusive Batterie – dürften die Japaner für den 4,45 Meter langen Leaf aufrufen – orientiert man sich an den europäischen Nachbarn, bei denen das Elektroauto Incentive-getrieben früher auf den Markt kommt.
So weit, so gut. Denn vor allem in der Praxis muss der Neuling seine Trümpfe ausspielen. Erstes Kriterium: die Reichweite. Einen Wert von 160 Kilometern gibt der Autobauer hier an. Wer im Sommer jedoch gut gekühlt und im Winter wohl temperiert von A nach B reisen möchte, sollte von 100 bis 120 Kilometern ausgehen. Erfreulich: Mit Hilfe von Rekuperation lässt sich die Reichweite strecken, wie die erste Ausfahrt zeigte.
Überraschend agil und komfortabel chauffiert einen der C-Segment-Vertreter durch den City-Verkehr, von dem man deutlich mehr Geräusche als sonst mitbekommt, weil das Elektroauto herrlich leise die Kilometer herunterspult. Ein leichtes Windsäuseln hier, ein paar Abrollgeräusche dort, das ist alles – auch auf der Autobahn.
Eine geräuscharme und deswegen noch ungewohnte Art der Fortbewegung – auch für diejenigen Passanten, die sich beim Überqueren der Straße instinktiv am Motorbrummen orientieren. Damit es hier nicht zu Unfällen mit unaufmerksamen oder sehbehinderten Fußgängern kommt, gibt der Leaf bis 30 km/h unaufdringliche Sounds von sich.
Erweckt man den Japaner via Starterknopf zum Leben, ertönt eine Melodie, die sofort Assoziationen zum PC im Büro hervorruft. Dazu passt das verspielte wie futuristisch anmutende Cockpit, doch unbehaglich fühlt man sich hier nicht. Einzig der Fahrprogramm-Drehschalter ist zunächst gewöhnungsbedürftig.
Vom Start weg stehen 280 Nm Drehmoment bereit, beeindruckend, sobald im Stadtverkehr die Ampel auf Grün schaltet. Dank des 109 PS starken E-Motors soll der Sprint von null auf Tempo 100 in 11,9 Sekunden gelingen, bei etwa 145 km/h ist dann Schluss. Auch der Stopp an der Ladestation macht keine Probleme: Drei blaue Leuchten verraten, dass die 48 im Unterboden verbauten Lithium-Ionen-Module Strom „zapfen“.
Und die Praktikabilität? Der Leaf bringt 330 Liter im Ladeabteil unter, bei umgeklappter Rückbank 680 Liter. Kleines Manko: die rund 30 Zentimeter hohe Wand hinter den Fondsitzen und damit keine ebene Fläche.
In Serie spendiert Nissan seinem Leaf u. a. ESP, ASP, ein Airbag-System, eine Rückfahrkamera sowie ein Navi.
Diesel versus Elektro? Der stechende Trumpf Nissan Leaf wird Flottenchefs zum TCO-Kalkulieren animieren. pn
Nachgefragt bei Arthur Wirtz, Manager Fleet bei der Nissan Center Europe GmbH
- Ausgabe 12/2010 Seite 44 (555.0 KB, PDF)