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Juice-Gründer Erni im Interview: Alles in einem

21.07.2021 10:50 Uhr
Juice-Gründer Erni im Interview: Alles in einem
Christoph Erni
© Foto: Juice

Mit dem Juice Booster kam vor Jahren das "Schweizer Taschenmesser" für E-Mobilisten. Wir sprachen mit Gründer und CEO Christoph Erni, wie er nun nach dem Universalladekabel mit der j+ pilot-App abermals einen Meilenstein setzen will.

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Von Autoflotte-Chefredakteur Michael Blumenstein

Herr Erni, Sie haben kürzlich die j+ pilot-App gelauncht. Was kann die App?

Christoph Erni: Unsere neue j+ pilot-App konzentriert sich auf alle relevanten Informationen zum Fahrzeug wie Fahrverhalten, Ladevorgänge und beispielsweise Energieverbrauch. Zugleich dient sie als Schlüssel zu Ladestationen, die wir mit tagesaktuellen Preisen sicht- und ansteuerbar machen. Zudem, das ist gerade für Dienstwagenfahrer relevant, haben wir auf Wunsch ein finanzamtkonformes elektronisches Fahrtenbuch in die App integriert, das Tausenden enorm das Leben erleichtert. Damit entfällt ein mühsames Nacherfassen der gefahrenen Strecken. Sowohl ein physisches Fahrtenbuch im Handschuhfach als auch eine separate Bezahl-App werden obsolet.

In der App sehe ich, wie viel ich bei „meinem“ Anbieter lade, selbst wenn ich gerade nicht dessen App nutze. Wie bekommen Sie an diese Informationen?

C. Erni: Wir führen eine eigene Datenbank und die ist vernetzt mit Chargeprice. Das ist eine internationale Datenbank mit allen aktuellen Ladepreisen. Angezeigt werden jedoch immer alle Ladestationen, auch dann, wenn sie eventuell nicht die passende Karte haben sollten – was bei den großen Karten-Anbietern unwahrscheinlich ist. Das System erkennt den Ladepunkt automatisch und man kann sogar – wenn man Vertragspartner mehrerer Anbieter ist – vor dem Ladestart den gewünschten/günstigsten auswählen. Und sofort berechnet unsere App beispielsweise den Preis der gesamten Batterieladung – denn die Ladestand-Informationen vom Fahrzeug werden in unserer App verarbeitet.

Welche technische Grundlage muss ein Fuhrpark für die Nutzung mitbringen?

C. Erni: Ich selber komme ja aus der IT. Daher haben wir bei der Programmierung stets aus der Usersicht gedacht. Wie würde ich – also der User – diese App am liebsten nutzen? Vor allem dann, wenn man es zuvor noch nie gemacht hat. Bisher wurde oft überlegt, wie man es technisch umsetzen muss.

Wir wollen eine App für alles anbieten, damit man nicht überlegen muss, welche App ich nun fürs Laden oder zum Einsehen von Informationen oder fürs Fahrtenbuch öffnen muss. Denn all das ist aus einer Welt und als Nutzer möchte ich alles in einer Anwendung haben. Und der Fuhrparkmanager will auch nicht überlegen, in welche Softwareprogramme er gehen muss, um den Fuhrpark zu verwalten.

Wo liegt der Preis für den Nutzer?

C. Erni: Das teuerste Produkt wird bei fünf Euro pro Monat liegen und ist dann finanzamtkonform.

Sie haben kürzlich einen IT-Entwickler hinzugekauft, was heutzutage eher ungewöhnlich ist. Warum dieser Zukauf?

C. Erni: Absolut. Wir haben aktuell eine gute Ausgangslage und wollen im Rennen vorne bleiben. Wenn wir jemanden treffen, der vom Spirit und von der Denkweise zu uns passt, ist es eine Win-Win-Situation. Wir haben daher ein Team von Spezialisten hinzugekauft und mit unseren eigenen Leuten ergänzt. Und das ist auch der richtige Weg. Einerseits wachsen wir aus eigener Kraft sehr schnell und dann kommt die Phase, wo man Spitzenleute hinzuholen will. Und wenn beide Seiten das auch aus dem Bauch raus spüren, klappt das. Anders als wenn man jemanden hinzukauft, um Kontrolle über dieses zugekaufte Unternehmen zu bekommen.

Wie viele Mitarbeiter arbeiten bei Juice?

C. Erni: Weltweit rund 180, in der Schweiz 86 und wir haben mehr als 40 Stellen ausgeschrieben. Es gibt noch viel zu tun und im Moment ist der Wachstumspfad gut und passt dazu. Die nächsten zwei Jahre werden für uns noch ein Sprint.

Zurück zur App. Kann ich als Fuhrparkleiter am Rechner alles managen und zusätzlich den dienstwagenberechtigten Personen die App an die Hand geben?

C. Erni: Ja, genau das war das Ziel. Fuhrparkmanager können ihre Fahrer administrieren und die Fahrer können sämtliche Fahrten auch selbst bearbeiten, das ganze Fahrtenbuch ist ja mit drin. Die ersten vier Monate bieten wir kostenfrei an. Danach gibt es die erwähnt geringen Fees. Aus unserer Sicht muss man das heute so machen, denn die Kosten sollen nicht in den Himmel wachsen. Wir sehen das ja auch bei uns als Startup und mittlerweile mittelgroßes Unternehmen selbst. Diese Overheadkosten kann keiner gebrauchen, denn die summieren sich. Hier fünf, da zehn Euro und am Schluss habe ich einen Betrag pro Person, der auch anders eingesetzt werden könnte.

Wie kommen Sie an die Fahrzeugdaten?

C. Erni: Die Daten kommen aus dem Fahrzeug, das dem Nutzer gehört. Also wäre es eigentlich korrekt, wenn alle Autohersteller die Datensätze frei zur Verfügung stellen. Jetzt gibt es ein paar, die stellen mehr zur Verfügung, andere weniger. Wir haben pragmatisch begonnen und integrieren immer mehr Autos.

Bekommen wir die Daten nicht vom Hersteller, werden wir künftig einen optional erhältlichen Dongle anbieten. Das ist einfach und ebenfalls legitim. So oder so kommen wir an die Fahrzeugdaten – wenn der User sie freigibt natürlich. Und daher kommen ständig E-Fahrzeuge hinzu. Mit der Dongle-Lösung können wir übrigens auch Verbrennerfahrzeuge bedienen, die eben heute oft auch noch im Fuhrpark sind. Wir sind nicht so verbohrt, dass wir sagen: Elektromobilität ist gut und alles andere ist böse. Diesen Hardcore-Veganer-Approach haben wir nicht. Unsere Aufgabe ist nicht, die Leute zu maßregeln. Und wenn noch der alte Verbrenner im Fuhrpark ist, muss er den ja auch managen können, und das klappt mit unserer Lösung ebenfalls.

Mit der App werden die Ladeverluste sichtbar, der "Vampire Drain". Wie viel Strom geht beim Laden verloren?

C. Erni: Es hängt von vielen Faktoren ab. Die Spitzenwerte liegen bei 25 Prozent. Das sind beispielsweise Ladevorgänge über Nacht, mit Fahrzeugen die alle vier Tage nur fünf Kilometer fahren. Dann ist das Verhältnis extrem. Bei Tesla wird beispielsweise auch im Stand die Batterie „konditioniert“, das kostet Strom. Andere wiederum, vor allem deutsche Autos, haben auch im Stand sehr wenig Verbrauch und wenn man mit diesen viele Langstrecken fährt, kann das bis auf ein Prozent runtergehen. Ein wichtiger Aspekt ist auch, mit wie viel Ampere und Phasen ich lade und ob im Winter die Batterie zusätzlich geheizt werden muss und Ähnliches.

Das bedeutet, dass Wallboxen im Unternehmen eher in Parkhäusern als auf Freiflächen installiert werden sollten?

C. Erni: Das wäre ideal. Oder man hat außen ein cleveres Lastmanagement. Gerade der Aspekt Lastmanagement ist entscheidend und hierbei steht die Branche noch am Anfang. Denn die Software wird den Unterschied machen. Aber das bedeutet ebenso, dass die Wallbox diese Software nutzen können muss. Nicht alle können das heute. Sogar die nicht, die kfw-gefördert sind. Und die „dummen“ Ladestationen werden aussterben. Deswegen kam unser Ansatz mit der App, die ein Teil der Lösung sein wird, um den Überblick zu behalten. Und wenn die Software dann „lernt“, dass ich jeden Freitagabend von der Arbeit komme und zuhause laden will oder am Mittwochmorgen immer nach München fahre, sammle ich solche Informationen langfristig und habe eine Datenbasis, die wiederum auch das Netzmanagement einfacher macht.

Die j+ pilot-App ist zugleich als finanzamtkonformes Fahrtenbuch nutzbar.
© Foto: Juice

Wie lange hält eine Wallbox?

C. Erni: Es gibt Wallboxen die mechanisch aufgeben, weil sich irgendwo Feuchtigkeit reinschleicht. Und dann gibt es die, die softwaremäßig nicht mithalten können. Und die ohne Intelligenz müssen schon vom Gesetzgeber früher ausgetauscht werden. Von unseren Systemen kann ich sagen, dass wir sie auf 15 bis 20 Jahre ausgelegt haben. Als Schweizer stehen wir immer unter Generalverdacht, hochpreisig zu sein, da muss also in jedem Fall die Qualität stimmen. Und bei den Preisen bewegen wir uns trotzdem irgendwo im Mittelfeld.

Qualität bedeutet oft Nachhaltigkeit und spart Ressourcen. Ist auch das ein Aspekt für Juice Technology?

C. Erni: Man bringt die E-Mobilität immer mit Nachhaltigkeit zusammen, richtig. Und daher verwenden wir Materialien, die Langlebigkeit versprechen und sich beispielsweise sauber trennen lassen. Die Aufgabe von uns Herstellern muss sein, dass ich jetzt die Anforderungen des nächsten Jahrzehnts berücksichtige und auch Prozessoren darauf auslege, dass in Zukunft Updates aufgespielt werden können und damit eine lange Verwendung sichergestellt wird.

Das ist ja ein Punkt der aktuellen Schnelllader an Autobahnen. Die alten mit 50 kW werden durch Superschnelllader ersetzt. Das ist dann auch nicht in Ihrem Sinne, oder?

C. Erni: Die Ladegeschwindigkeit wird nach wie vor überschätzt. Wenn ich irgendwo hinfahre, rechne ich eine Pause zwischendrin ein und erledige in der Zeit Dinge, die ich am Ende der Strecke eh erledigen müsste. Ich muss also am Ziel keine Zeit aufholen, ich verteile die Zeit nur anders. 50-kW-Ladestationen reichen meist aus, auch weil viele Fahrzeuge auf Dauer eh nicht mehr aufnehmen können. Und sie helfen, dass die Peaks nicht so stark sind – im Vergleich zu 150- oder 300-kW-Schnellladern.

Kann die j+ pilot-App auch eigentlich auch ohne Ihre Juice-Infrastruktur genutzt werden?

C. Erni: Das ist grundsätzlich möglich, jedoch gibt es über das offene Protokoll dann Einschränkungen. Über unsere eigenen Stationen ist hingegen eine nahtlose Integration möglich. Denn in einer geschlossenen Welt funktioniert vieles zuverlässiger. Und die Leute interessiert vor allem, dass es einfach funktioniert.

Wir sind uns bewusst: Was wir bauen, hat einen eingeschränkten Sex-Appeal. Aber wir versuchen den Leuten zu verdeutlichen, dass es eine Bedeutung hat. Gerade jetzt am Anfang, wo sich die Spreu vom Weizen trennt. Und wir versuchen es so zu machen, dass der Fuhrparkmanager keinen Aufwand hat. Mit unseren eigenen Stationen sind wir uns sicher, dass alles einwandfrei funktioniert. Bestehende Stationen können wir im Rahmen unseres Mietmodells selbstverständlich integrieren. Aber wir kaufen hier auf Wunsch auch alte Stationen zurück und installieren dann unsere, damit wir die 100%ige Sicherheit haben.

Ab wie vielen Fahrzeugen lohnt sich ein Lastmanagement?

C. Erni: Bei uns zuhause hat es sich bereits ab zwei Fahrzeugen gelohnt. Denn mit dem Lastmanagement muss man sich um nichts mehr kümmern und genau das will ich ja mit einem E-Auto: weniger Sorgen haben. Wie mit dem Handy. Abends einstöpseln und morgens geht es los. Wie das lädt, ist mir egal. Irgendwann hat man die Fan- und Nerdphase überwunden und es soll einfach funktionieren. Unsere nächste mobile Ladestation – eigentlich eine mobile Wallbox – der Juice Booster 3 air hat daher auch ein Lastmanagement , das mehrere Geräte spielend verbindet – so etwas ist also auch ohne stationäre Wallbox möglich, was gerade kleinen Flotten zugutekommt.

Besten Dank für Ihre Zeit, Herr Erni.

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