Deutschland ist Kombiland (und SUV-Land). Der Kombianteil beträgt bei einigen Modellen 90 Prozent. Noch Fragen? Kein Wunder, dass der Jaguar XE trotz seiner bildschönen Limousinen-Silhouette zu den Außenseitern gehört. Und das hat in diesem Fall nichts mit dem Brexit zu tun. Wir möchten jedoch eine Lanze brechen. Sagen Sie Ja zur Limousine. Denn Limousinen haben nach wie vor die elegantere Karosserieform, sind aerodynamisch perfektioniert (cw-Wert 0,26 beim XE), sehen edel aus und differenzieren sich voneinander. Kombis hingegen strahlen etwas sehr Nüchternes, ja fast schon Spießiges aus. Da werden die Liter im Kofferraum gezählt, die kaum je genutzt werden, und die Kopffreiheit auf der Rückbank gelobt, die eh fast nie belegt ist. Kombis sind so etwas wie SUV, sie waren nur früher dran. Kombikäufer wollen ebenfalls für Eventualitäten gewappnet sein und am liebsten die eierlegende Wollmilchsau besitzen - wie rational. Schade, denn elegante Limousinen verströmen genau den zurückhaltenden Luxus, der unserem Straßenbild guttun würde. Auch mal in Rot wie im Falle des XE.
Prachtexemplar
Der kürzlich geliftete Jaguar XE ist ein Paradebeispiel für Limousinenbau. Wer sonst sollte es auch besser können als Jaguar, die es seit 1935 praktizieren und bei denen Kombis bis heute nicht so richtig in ihre Welt passen - wenngleich mit dem größeren XF Sportbrake ein recht gelungener im Programm ist. Straff, gut proportioniert und in sich stimmig steht nun aber die 4,68 Meter kurze Mittelklasse-Limousine XE vor uns. Geänderte Stoßfänger an Front und Heck (je zwei Versionen) markieren die Neuerungen des exakt vier Jahre alten Grundgerüsts. In den Front- und Heckleuchten befinden sich nun serienmäßig Leuchtdioden, die einerseits exakter und heller strahlen und gegen Zuzahlung von 630 Euro vorne sogar mit Matrix-Technologie ausgerüstet werden können. Zehn LED-Segmente pro Scheinwerfer schalten sich situationsabhängig einzeln hinzu oder ab und entspannen die Augen.
Im Innenraum setzt sich der unaufdringliche Luxus fort. Sogar die Basis kommt bereits mit Ledersitzen und endlich feinen Interieur-Materialien. Genau so fühlen sich Premiumfahrzeuge an - gut gemacht. Beim Platzangebot gibt's Spielraum nach oben, aber darüber zu schreiben wäre kleinlich. Wer hingegen 1.900 Euro fürs Technologiepaket ausgibt, guckt auf einen 12,3-TFT-Bildschirm, der nach eigenem Gutdünken konfiguriert werden kann, liest Informationen vom Head-up-Display ab und guckt nicht in einen klassischen Innenspiegel, sondern auf einen dort platzierten Bildschirm, der den Rückblick kopftstützenbefreit ermöglicht und eventuell doch vorhandene Fondinsassen ausblendet. Die Bedienung von Klimaangelegenheiten erfolgt ebenfalls "touchend" und das Handy lädt kabellos. Preislich bringt das gut 500 Euro Ersparnis im Vergleich zu den Einzelposten. Dass die Bedienung noch immer etwas anders ist, verzeiht man gerne. Vielleicht kommen diesbezüglich ja auch mal Updates über die Luft. Denn Software over the Air (wir berichteten in unserer Juli-Ausgabe) ist beim XE ebenfalls möglich. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Brite via Smartphoneerkennung und Schlüssel die Eigenheiten des Piloten direkt beim Einsteigen aktivieren kann. Sitzeinstellung (sofern elektrisch), Musikauswahl und andere Komfortfunktionen müssen dann nicht mehr manuell justiert werden. Was auffällt: Der versenkbare und damit äußerst unauffällige Automatik-Drehregler ist einem herkömmlichen Stab-Wählhebel gewichen. Schade, aber angeblich haben das die Kunden verlangt.
Samtpfoten trotz Riesenrädern
Immerhin bleibt die ZF-Achtgang-Automatik unangetastet. Sie ist bei allen Motorvarianten Serie und passt beim Diesel nochmals besser als bei den beiden Benzinern (250- und 300 PS-Vierzylinder). Der D180 ist erste Wahl für Vielfahrer, könnte es aber auch für Wenigfahrer sein. Werden die Zweiliter-Benziner teils dröhnig, behält der identisch große Diesel stets die Contenance und versorgt die Katze mit geschmeidigen 430 Newtonmetern, die bereits ab 1.750 Touren schnurren. Darunter überspielt der Wandlerautomat gekonnt das Turboloch. Beim Ausdrehen bleibt die Katze zahm und legt nachdrücklich an Tempo zu. Vor allem die Version mit Heckantrieb gehört wohl zu den fahraktivsten Mittelklasse-Modellen und huscht behände über die Landstraße. Auf deutschen Autobahnen darf der XE D180 228 km/h rennen. Nicht ganz so flink wie die Ottoversionen, aber deutlich entspannter und sparsamer. Entspannt lautet auch das Stichwort für das Fahrwerk. Leider konnten wir nur das adaptive Fahrwerk fahren.
1.344 Euro kostet es - viel Geld. Aber in diesem Fall perfekt investiert. Im Eco- und Comfort-Modus federt der XE sänftenartig. Uns ist keine Mittelklasse bekannt, die mehr Komfort bietet, ohne ins Schwanken und Wanken zu geraten. Wer die beherzte Gangart präferiert, findet im Sportmodus seinen Freund. Und selbst der ist fahrbar, selbst mit 20-Zoll-Maximalbereifung - toll.
Dass der Spaß Geld kostet, ist klar. Dabei sind 36.715 Euro inklusive 18er-Alus, LED-Licht, Leder und Automatik fair. Für einen vergleichbaren BMW 320d sind rund 3.000 Euro mehr zu versteuern. Nicht dabei sind dann drei Jahre Garantie und Inspektionen (jeweils bis 100.000 Kilometer). Das ist ja irgendwie auch eine sympathische Art von Luxus und ein stimmiges Gesamtkunstwerk zudem.
Jaguar XE S D180 AT8
Preis ab: 36.714 EuroR4/1.999 cm³ | 132 kW/180 PS430 Nm ab 1.750 | 8-Gang-AT228 km/h | 8,1 s | NEFZ 5,0 | 132 g/km4.678 x 1.967 x 1.416 mm410 LiterEffizienz: BHK | VK | TK: 18 | 26 | 24Wartung: 3 Jahre/100.000 km kostenlos, danach alle 2 Jahre oder 34.000 kmGarantie: 3 Jahre/100.000 kmAlle Preise netto zzgl. Umsatzsteuer
Autoflotte-Empfehlung
Jaguar XE S D180 ATTechnikpaket: 1.897 Euro
Adaptiv-Fahrwerk: 1.345 Euro
Navigation Pro Connected: 630 Euro
Verkehrszeichenerkennung: 252 Euro
Metallic-Lack: 748 Euro
Alle Preise netto zzgl. Umsatzsteuer
- Ausgabe 08/2019 Seite 40 (308.3 KB, PDF)