Ionity hat europaweit 700 Ladestandorte am Netz und sieht sich jetzt in der Lage, die Strategie anzupassen. Seit 2017 baut das deutsche Unternehmen Ionity an einem europäischen Ladenetz mit einem markenübergreifenden Ansatz. Im Interview spricht der neue CEO Jeroen van Tilburg über die Unabhängigkeit des Unternehmens, politische Rahmenbedingungen, den Wettbewerb durch Hersteller-Ladenetze und die Zukunft der Ladeinfrastruktur.
Frage: Ionity ist ein Joint Venture der deutschen Automobilhersteller sowie Hyundai/Kia und Ford. Würden Sie dennoch neue Anteilseigner, etwa chinesische Hersteller, in die Eigentümerstruktur aufnehmen?
Jeroen van Tilburg: Wir sind gut finanziert und können unser Wachstum eigenständig vorantreiben. Als markenunabhängiger Ladenetzbetreiber bedienen wir alle Marken gleichermaßen,
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was sich auch darin zeigt, dass z. B. Tesla-Fahrer unsere Stationen nutzen. Gleichzeitig ermutigen wir Fahrer chinesischer Modelle, unser Netzwerk zu verwenden. Aktuell würde ein zusätzlicher Anteilseigner keinen Vorteil bringen. Unsere Stärke liegt in der engen Zusammenarbeit mit unseren bestehenden Anteilseignern, was uns ermöglicht, die komplexe Ladeinfrastruktur optimal auf deren Fahrzeuge abzustimmen. Dennoch bleibt unser Netzwerk für alle Marken offen.
Welche politischen Maßnahmen wünschen Sie sich zur Förderung der Elektromobilität?
J. Tilburg: Die Politik spielt eine entscheidende Rolle bei der Beschleunigung des Wandels. Wichtig sind Anreize für Verbraucher und Betreiber, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur günstiger und einfacher zu machen, sowie der Abbau von Bürokratie. Ebenso zentral ist die Modernisierung des Stromnetzes. Am wichtigsten ist jedoch Verlässlichkeit und Planbarkeit seitens der Regierung. Ein gutes Beispiel für die negativen Folgen mangelnder Planbarkeit war die plötzliche Abschaffung von Anreizen für Elektroautos in Deutschland, die den Markt stark beeinträchtigt hat. Konsistenz und Vorhersehbarkeit sind essenziell, um Unsicherheiten bei Verbrauchern und Unternehmen zu reduzieren.
Wie bewerten Sie den Aufbau eigener Ladenetze durch Automobilhersteller wie Porsche oder Audi?
J. Tilburg: Ich sehe das nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. Diese Initiativen sind oft wie "Flagship Stores" zu verstehen – sie zeigen, was möglich ist, ohne auf Skalierbarkeit ausgelegt zu sein. Audi beispielsweise hat mit seinen Ladeparks ein inspirierendes Konzept geschaffen, das zeigt, wie attraktiv Laden sein kann. Solche Projekte bereichern den Markt und bieten neuen E-Auto-Besitzern eine positive erste Erfahrung. Unser Fokus liegt hingegen auf europaweiter Langstreckenmobilität – das unterscheidet uns.
Der Markt für Ladeinfrastruktur ist stark fragmentiert. Wie sehen Sie die Zukunft?
J. Tilburg: Derzeit gibt es in Europa über 400 Ladennetzbetreiber allein im DC-Bereich und hunderte Mobility Service Provider. Das ist nicht nachhaltig. Ich erwarte eine Konsolidierung hin zu einigen größeren Akteuren. Viele kleinere Anbieter bedienen nur lokale Märkte und können langfristig kaum profitabel arbeiten. Bei Ionity sehen wir uns gut aufgestellt: Unsere Stationen sind wirtschaftlich erfolgreich, und wir bedienen in unseren Kernmärkten im Durchschnitt doppelt so viele Kunden pro Ladepunkt wie andere Anbieter. Trotz aktueller Marktschwankungen blicken wir optimistisch in die Zukunft.
Was sind die nächsten Schritte für Ionity nach dem Aufbau eines paneuropäischen Ladenetzwerks?
J. Tilburg: Wir haben unsere erste Phase erreicht, ein flächendeckendes Netzwerk mit 700 Standorten in Europa aufzubauen. Jetzt konzentrieren wir uns auf die Verdichtung in Ländern mit hoher Nachfrage wie Deutschland, Frankreich oder Schweden sowie auf den Ausbau der Kapazitäten an bestehenden Standorten. Gleichzeitig richten wir unseren Fokus verstärkt auf städtische Gebiete. Hier wollen wir Menschen ohne eigene Lademöglichkeit zu Hause unterstützen und zur Elektrifizierung von Städten mit Null-Emissions-Zonen beitragen. Langfristig bleibt unser Ziel, Elektromobilität für alle zugänglich zu machen – sei es auf Langstrecken oder im urbanen Raum.