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Gekürzte Reparatursätze

31.10.2011 12:02 Uhr
Gekürzte Reparatursätze

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Gekürzte Reparatursätze

Im Oktober-Heft haben wir gezeigt, wie Fuhrparks gegen Kürzungen der Beilackierungskosten vorgehen können. Noch viel eklatanter und kostspieliger wird es, wenn die gegnerische Versicherung auf günstigere Stundenverrechnungssätze und Reparaturwege verweist und Forderungen des Geschädigten kürzt.

Es hat sich inzwischen zu einem regelrechten Wettlauf entwickelt: Sie reichen ein Gutachten ein und möchten die dort kalkulierten Reparaturkosten erstattet bekommen. Doch auch hier die Überraschung: Statt des geltend gemachten Geldbetrages laut Kostenvoranschlag oder Sachverständigengutachten kommt „nur“ ein geringerer Betrag und zeitgleich ein Prüfbericht vom Versicherer.

Der Inhalt lautet meist wie folgt: „Nach Prüfung dieser Angelegenheit anhand der uns vorliegenden Unterlagen rechnen wir – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne damit etwaige Ansprüche unseres Versicherungsnehmers beeinträchtigen zu wollen – wie folgt ab: Reparaturkosten lt. Prüfbericht XY Euro.“

Beigefügt ist ein Prüfbericht, der tabellarisch die kalkulierten Kosten (Ersatzteile, Lohn- und Lackierungskosten) ausweist, einmal laut dem eingereichten Gutachten, einmal „gekürzt“. Oftmals sind hier auch weitere Positionen enthalten (zum Beispiel UPE-Aufschläge), zu denen wir in den weiteren Folgen dieser Serie noch kommen werden.

Auch hier gilt, dass nur solche Kosten bei der fiktiven Abrechnung zu erstatten sind, die zum „erforderlichen“ Aufwand gehören und bei einer Reparatur auch tatsächlich anfallen würden. Der beauftragte Kfz-Sachverständige kalkuliert in seinem Gutachten die voraussichtlich anfallenden Reparaturkosten auf Basis der Stundensätze einer Markenwerkstatt. Der Prüfbericht der Versicherer hingegen beruft sich auf die Lackierkosten und den Arbeitslohn einer freien Werkstatt.

Stundenverrechnungssätze

Grundsätzlich dürfen Geschädigte, die den Ersatz von fiktiven Reparaturkosten begehren, ihrer Schadenberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Dies hat die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) mehrfach entschieden (siehe Übersicht der Urteile am Ende des Beitrags). Der Streit um die Höhe der Reparaturkosten dauert nun schon Jahre an und hat bereits diverse Entscheidungen hervorgebracht.

Wählt der Geschädigte die fiktive Abrechnung seines Schadens, werden oftmals von der Gegenseite die vom Sachverständigen berechneten Stundenverrechnungssätze einer Fachwerkstatt gekürzt. Obwohl grundsätzlich die Rechtsprechung von der Erstattung der Reparaturkosten in voller Höhe ausgeht, kann unter Umständen ein Verweis auf günstigere Werkstätten zulässig sein; wohlgemerkt: bei fiktiver Abrechnung.

Hierzu wird aufgeführt, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne Weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Dies hat zur Folge, dass die Versicherungen immer wieder versuchen, durch den Nachweis preiswerterer Werkstätten niedrigere Stundensätze durchzusetzen.

Grundsätze

Es haben sich durch die Rechtsprechung folgende Grundsätze herauskristallisiert, an denen Sie sich orientieren können:

1. Fahrzeugalter unter drei Jahre: kein Verweis zulässig!

Ist das Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalles (nicht der Abrechnung oder Reparatur!) nicht älter als drei Jahre, darf der Geschädigte die im Haftpflichtgutachten ermittelten Stundenverrechnungssätze einer regionalen markengebundenen Fachwerkstatt ebenfalls zugrunde legen (BGH, Urteil vom 13.07.2010, Az. VI ZR 259/09)

2. Fahrzeug älter als drei Jahre: differenzierte Betrachtung

Ist das Fahrzeug älter als drei Jahre und scheckheftgepflegt oder auch in der Vergangenheit in Markenwerkstätten repariert worden, darf der Geschädigte die im Haftpflichtgutachten ermittelten Stundenverrechnungssätze einer regionalen markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Als Nachweis reichen zum Beispiel vergangene Rechnungen der Markenwerkstatt.

3. Ist das Fahrzeug älter als drei Jahre, kann der Haftpflichtversicherer darlegen, dass es in der Region des Geschädigten günstigere, in der Regel sogenannte „freie“ Werkstätten gibt. Er muss aber auch darlegen und beweisen, dass diese gleichwertige Reparaturmöglichkeiten bieten und für den Geschädigten ohne Weiteres zugänglich sind; das heißt, die Werkstatt muss a) günstiger, b) ohne Weiteres zugänglich und c) gleichwertig sein. Diese Voraussetzungen müssen alle kumulativ erfüllt sein.

Exkurs: alternative Reparaturen

Nicht nur bei den Stundenverrechnungssätzen, sondern auch beim Reparaturweg wird oftmals auf Alternativen verwiesen. Doch auch hier dürften die obigen Grundsätze gleichermaßen anzuwenden sein. Es kann keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, ob die günstigere Reparaturmöglichkeit nicht auf unterschiedlichen Stundenverrechnungssätzen zweier Reparaturbetriebe, sondern auf unterschiedlichen Reparaturmethoden basiert. Denn in beiden Fällen will der Schädiger den Geschädigten auf eine Reparaturmöglichkeit verweisen, die im Verhältnis zu der in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführbaren Reparatur günstiger ist (LG Saarbrücken, Urteil vom 24.09.2010, Az. 13 S 216/09).

Fazit: Differenz nachfordern

Sollten bei Ihnen Kürzungen vorgenommen werden, prüfen Sie am besten als Erstes den Zeitraum zwischen Zulassungsdatum des Fahrzeuges und Unfalldatum. Da dies bei den meisten Flottenfahrzeugen unter drei Jahre sind – gerade, wenn es sich um Leasingfahrzeuge handelt, fordern Sie die Differenz nach.

Wir empfehlen Ihnen folgenden Formulierungsvorschlag: „Die von Ihnen aufgrund des Prüfberichtes vorgenommenen Kürzungen werden von uns nicht akzeptiert. Wir als Geschädigte haben einen Anspruch auf den Arbeitslohn einer Fachwerkstätte und die dort angesetzten Stundensätze. Zutreffend hat das Sachverständigenbüro [Name einfügen] die Reparaturkosten in der Region ermittelt. Ein Verweis auf günstigere Reparatur-werkstätten bei Fahrzeugen mit einer Zulassungsdauer unter drei Jahren ist unzulässig. Das Fahrzeug ist vorliegend [Jahre/Monate einfügen] Jahre alt. Wir setzen Zahlungsfrist zur Nachregulierung der in Abzug gebrachten Positionen zum [Datum einfügen].“

Inka Pichler

In dieser neuen Serie geben wir in sechs Teilen eine Rechtsprechungsübersicht über häufig gekürzte Kosten und liefern Ihnen wertvolle Argumente für die Nachforderung.

Streitpunkte bei fiktiver Abrechnung, Teil 2:

In der nächsten Ausgabe nehmen wir die in diesem Teil schon kurz erwähnten UPE-Aufschläge genauer unter die Lupe.

Stundenverrechnungssätze – fortlaufende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes:

Das „Porsche-Urteil“

„Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadenberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag.“

Urteil vom 23.04.2003, Aktenzeichen VI ZR 398/02

Das „VW-Urteil“

„Der Geschädigte darf seiner (fiktiven) Schadenberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Bestätigung des Senatsurteils BGHZ 155, 1 ff.). Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen ‚freien Fachwerkstatt‘ verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.“

Urteil vom 20.10.2009, Aktenzeichen VI ZR 53/09

Das „BMW-Urteil“

„Der Schädiger darf den Geschädigten im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere und vom Qualitätsstandard gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen ‚freien Fachwerkstatt‘ verweisen, wenn der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (Bestätigung des im Jahr zuvor gefällten Senatsurteils vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09).“

Urteil vom 23.02.2010,

Aktenzeichen VI ZR 91/09

Das „Audi-Urteil“

„Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadenbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen ‚freien Fachwerkstatt‘ verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten auf-gezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der marken-gebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.“

Urteil vom 22.06.2010, Aktenzeichen VI ZR 302/08

Das „Mercedes Urteil“

„a) Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

b) Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen ‚freien Fachwerkstatt‘ verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.

c) Unzumutbar ist eine Reparatur in einer ‚freien Fachwerkstatt‘ für den Geschädigten insbesondere dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die marktüblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen.“

Urteil vom 22.06.2010, Aktenzeichen VI ZR 337/09

Das „Eurogarant-Urteil“

„Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen ‚freien Fachwerkstatt‘ verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.

Unzumutbar ist eine Reparatur in einer ,freien Fachwerkstatt‘ für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Aber auch bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer ‚freien Fachwerkstatt‘ für den Geschädigten auch dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-)üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern vertragliche Sonderkonditionen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zugrunde liegen.“

Urteil vom 13.07.2010, Aktenzeichen VI ZR 259/09

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