Eigentlich steht es schon seit 2015 schwarz auf weiß im Gesetz: "Für die Benutzung der Bundesfernstraßen ist eine Abgabe zu entrichten." Doch vier Jahre und diverse Kämpfe später ist endgültig klar: Das kommt so nicht. Die Pkw-Maut, Vorzeigeprojekt der CSU in der Bundesregierung, ist mit Totalschaden gescheitert - wie von den zahlreichen Gegnern ersehnt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kippte die Pläne für eine Gebühr, die für alle gilt, aber nur Fahrer aus dem Ausland unterm Strich zusätzlich belasten sollte. Der verhinderte CSU-Mautminister Andreas Scheuer hat nun neue Probleme.
Wieso befasste sich der EuGH überhaupt mit der Maut?
Das Urteil der obersten europäischen Richter hat nicht nur Mautfans überrascht. Denn die EU-Kommission als Wächterin über die Einhaltung von EU-Recht hatte 2016 einem leicht geänderten Modell noch ihren Segen gegeben - nachdem sich der christdemokratische Kommissionschef Jean-Claude Juncker eingeschaltet hatte. Die liberale Verkehrskommissarin Violeta Bulc hatte zunächst selbst eine Klage vor dem EuGH angepeilt. Österreich, das selbst für Autobahn-"Pickerl" kassiert, zog dann aber mit Unterstützung der Niederlande vor Gericht. Auch dort sah es zunächst gut für Berlin aus, als im Februar ein wichtiger EuGH-Gutachter empfahl, die Klage der Regierung in Wien abzuweisen. Die Richter folgen diesem Votum in vielen Fällen - aber eben auch nicht immer, wie sich nun zeigte.
Wie genau haben die Luxemburger Richter geurteilt?
Die Ausführungen des EuGH laufen darauf hinaus, dass die Maut gegen europäisches Recht und grundlegende Prinzipien der EU verstößt. Da ist erstens eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit. Denn eine Kfz-Steuerentlastung sollte nur Autobesitzern in Deutschland zugute kommen - so dass Kosten letztlich allein an Haltern aus dem EU-Ausland hängen bleiben sollten. Zweitens werde der EU-Binnenmarkt mit dem freien Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen behindert. Drittens habe die Bundesregierung nicht glaubhaft erklären können, dass es ihr darum geht, die Straßen künftig stärker über nutzungsabhängige Abgaben statt über Steuern finanzieren zu wollen.
Was bedeutet das Urteil nun konkret?
Der EuGH ist die oberste Instanz der EU-Rechtssprechung, so etwas wie eine Berufung gibt es nicht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machte denn auch gleich klar, dass das Urteil zu akzeptieren sei. Scheuer muss sich nach dem Debakel anders um die Maut kümmern als gedacht. Es geht um Abwicklung statt Aufbau. Denn vielen Warnungen zum Trotz hat das Ministerium bereits Fakten geschaffen, bevor es endgültig Rechtsklarheit gab. Für Gutachten und Beratung flossen schon mehr als 40 Millionen Euro. Vor allem sind Zuschläge für private Betreiber erteilt worden, die sich um Erhebung und Kontrolle der Maut kümmern sollten. Wie hoch Entschädigungsansprüche sind und wie sie geregelt werden - unklar.
Was folgt aus dem Urteil für die Autofahrer?
Für die Besitzer der mehr als 47 Millionen Pkw in Deutschland ändert sich erstmal nichts. Bisher wurden die Mautgesetze nicht umgesetzt, künftig werden sie das auch nicht. Das heißt allerdings auch, dass die Entlastung bei der Kfz-Steuer ausfällt. Für Fahrer aus dem Ausland, die die CSU mit der Maut an der Straßenfinanzierung beteiligen wollte, bleiben die Autobahnen gratis. Gastwirte und Ladenbesitzer in Grenzregionen müssen sich keine Sorgen machen, ob womöglich Kunden abgeschreckt werden. Extraeinnahmen aus der Maut für Verkehrsinvestitionen kommen nun aber auch nicht. Das Ministerium hatte 500 Millionen Euro per anno versprochen, daran gab es aber bis zuletzt Zweifel. Über eine andere Quelle kommt ohnehin deutlich mehr Geld zweckgebunden herein - aus der Lkw-Maut mit gut sieben Milliarden Euro im Jahr.
Ist die Idee einer Maut damit tot?
Nach den jahrelangen erbitterten Maut-Schlachten war spontan erstmal niemandem nach einem neuen Anlauf zumute. "Jetzt stehen rechtliche, finanzielle Fragen im Vordergrund", meinte Scheuer. Jedoch bedeute das Urteil auch "keine Absage an die Nutzerfinanzierung, die in über 20 EU-Staaten gemacht wird". Für die SPD machte Fraktionsvize Sören Bartol klar, dass es unter anderem bei der Bedingung bleibe, dass kein Inländer zusätzlich belastet wird. Umweltschützer und Grüne brachten andere Ansätze ins Gespräch, bei denen es keine pauschale Maut geben solle, sondern je nach gefahrener Strecke. (dpa)