_ Herr Künne, wie lief es 2016 speziell bei Volkswagen Leasing?
Gerhard Künne: Wie in den letzten Jahren konnten wir die Vorjahreszahlen auch 2016 übertreffen. Zielgruppenübergreifend hatten wir einen Zugang von 590.000 Verträgen. Das sind 6,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei den reinen Flottenkunden mit mehr als 15 Fahrzeugen im Bestand liegen wir beim Leasing mit 220.000 und bei der reinen Finanzierung bei 27.000 neuen Verträgen im Plus. Was uns dabei besonders freut, ist, dass wir unseren Full-Service-Anteil weiter ausbauen konnten. Bei rund 383.000 der insgesamt 590.000 Verträge sind weitere Dienstleistungen inbegriffen, wobei es sich dabei mehrheitlich um Wartungs- und Verschleißkomponenten handelt. Das bedeutet, dass wir uns bei den Serviceverträgen um mehr als 20 Prozent verbessern konnten, wobei das auch ein Sondereffekt ist, der aus entsprechenden Kampagnen der Marken resultiert. Dieses Wachstum werden wir im Jahr 2017 so voraussichtlich also nicht mehr sehen.
_ Auf welchem Niveau bewegen Sie sich, wenn wir den Vertragsbestand betrachten?
G. Künne: Stand 31. Dezember 2016 hatten wir insgesamt 1,28 Millionen Fahrzeuge im Bestand. Das sind 100.000 oder 8,5 Prozent mehr als zum Vergleichsstichtag. Im Flottenbereich sprechen wir von ungefähr 600.000 Autos, von denen 545.000 auf Deutschland entfallen.
_ Wie sind Sie in das Jahr 2017 gestartet?
G. Künne: Insgesamt verläuft die Entwicklung weiter positiv. Zwar spiegeln unsere Zahlen im ersten Quartal die längeren Lieferzeiten bei einigen Modellen wie dem Skoda Superb, dem Seat Ateca oder dem VW Tiguan wider. Der Auftragseingang lag aber 16 Prozent über Vorjahr und bei den Abschlüssen konnten wir um etwa 7,5 Prozent wachsen.
_ Im letzten Jahr haben sich Audi, Seat und Skoda teilweise deutlich besser entwickelt als die Marke VW. Spiegelt sich das in Ihren Zahlen wider?
G. Künne: Ich muss klar sagen, dass sich einzelne Modelle von Seat oder Skoda wie der Leon, der Octavia oder der Superb im Flottenbereich überdurchschnittlich gut entwickelt haben. Gleichzeitig ist es aber so, dass wir, wenn wir von absoluten Zahlen sprechen, unsere Zuwächse hauptsächlich immer noch aus dem Volumengeschäft mit VW-Modellen generieren. Und Rückgänge konnten wir da nicht feststellen.
_ Das heißt, das Absatzminus der Marke VW auch über das Gesamtjahr 2016 war bei Ihnen nicht spürbar?
G. Künne: Nein. Wie gesagt, wir sprechen hier ja über Flotten mit einem Fuhrpark ab 15 Fahrzeugen. Und da sehen wir definitiv keinen Rückgang für die Marke VW. Im gewerblichen Einzelkundenbereich mag das anders sein.
_ Spüren Sie - vor dem Hintergrund des Abgasskandals, aber auch der Diskussionen um Einfahrverbote in Innenstädte - einen Nachfragerückgang beim Diesel?
G. Künne: Bei Gewerbe- und Flottenkunden definitiv nicht. Denn erstens besteht unser Angebot aus Euro-6-Dieseln, die das technisch Beste bieten, was man aus einem Diesel herausholen kann. Und zweitens sind die wirtschaftlichen Vorteile durch den geringeren Verbrauch einfach immer noch so groß, dass die Kunden nicht auf Benzinmotoren umschwenken. Zumal Flottenautos im Schnitt alle drei Jahre ausgetauscht werden und somit die aktuellen Standards erfüllen. Zumindest bei den großen Flotten - im Privatmarkt oder auch mit Blick auf Kleingewerbetreibende, die zum Beispiel ihre Nutzfahrzeuge deutlich länger als drei Jahre fahren, sind die Bedenken natürlich deutlich höher. Letztlich wurden aber auch die Umweltzonen sehr extrem diskutiert. Und auch da gab es am Ende praxistaugliche Lösungen, weshalb sie heute kein Hindernis mehr für die Menschen sind, die in die Städte fahren wollen oder müssen.
_ Entwickeln sich die Restwerte Ihrer Konzern-Dieselmodelle vor dem Hintergrund des Abgasskandals aus Ihrer Sicht weiter unkritisch?
G. Künne: Die Situation auf dem Gebrauchtwagenmarkt ist stabil. Nicht euphorisch, aber doch stabil. Dazu haben auch verschiedene Kampagnen des Konzerns beigetragen, die auf das Vertrauen der Kunden abzielen. Diese Kampagnen zeigen ihre Wirkung, deshalb müssen wir mit Blick auf die Restwerte keine weiteren Vorkehrungen treffen. Das jahrelange Vertrauen unserer Kunden ist nicht komplett verloren gegangen, und auch unabhängige Organisationen wie DAT oder Schwacke bestätigen ja, dass die Restwerte unserer Diesel-Modelle nicht abstürzen.
_ Volkswagen Leasing setzt verstärkt einen Fokus auf Mobilitätsdienstleistungen. Beginnen wir mit der Charge&Fuel-Card. Kostenlosen Strom wie zur Einführung der Karte gibt es ja nicht mehr, richtig?
G. Künne: Richtig, mittlerweile setzt sich durch, dass auch Elektroautos nicht kostenlos zu laden sind. Das gilt auch für unsere Charge&Fuel-Card. Allerdings punkten wir bei der Abrechnungstransparenz: Der Kunde hat nicht nur ein einziges Abrechnungsmodell, er zahlt bundesweit an allen angeschlossenen Ladesäulen auch einen einheitlichen Preis. Damit haben Sie unter Kontrolle, was Sie für Ihr Geld bekommen. Bei uns gibt es zudem keine Grundgebühr, sondern unser Preis bezieht sich rein auf die Lademenge. Er liegt derzeit etwas oberhalb des Ökostrom-Tarifs. Außerdem: Wir kappen die Abrechnung, wenn der Akku voll ist. Wenn Sie neun Stunden an der Ladesäule stehen, der Akku aber bereits nach drei Stunden geladen ist, berechnen wir eben die Strommenge, die in den drei Stunden fließt. Das machen andere anders, auch mit dem Argument, dass die Ladesäule ja länger blockiert ist.
_ Werden Sie mittelfristig die Zahl der Ladesäulen erhöhen?
G. Künne: Wir sind jetzt deutschlandweit bei etwa 4.000 Ladepunkten. Die Zahl wird sich mittelfristig weiter erhöhen. Denn der Markt wird sich zum einen generisch weiterentwickeln und zum anderen werden wir weitere Kooperationspartner an unser Angebot anschließen. Selbstverständlich setzen wir weiterhin auf qualitative Faktoren wie zum Beispiel die 24-Stunden-Zugänglichkeit. Was wir außerdem tun werden: Wir rollen unser Angebot noch 2017 auf europäischer Ebene aus. Anders als in Deutschland werden wir dazu allerdings mit einem externen Partner, der Firma Hubject, zusammenarbeiten.
_ Mit der App Travipay sind jetzt auch im Bereich der Parkabrechnung aktiv. Was haben Sie sich da vorgenommen?
G. Künne: Gerade in Großstädten fragt man sich doch häufig: Wo und wie kann ich mein Parkticket bezahlen? Und wenn ich bezahle, schaffe ich es oft nicht mehr rechtzeitig zurück zum Auto und habe ein Knöllchen am Scheibenwischer. Genau da setzen wir jetzt mit unserer App an. Mit Travipay können Sie auf allen angeschlossenen Parkplätzen und in allen angeschlossenen Parkhäusern über die App bezahlen. In den Parkhäusern scannen Sie derzeit einfach den Barcode auf der Rückseite des Parktickets mit der App oder geben den sechs- bis achtstelligen Ticketcode ein. Dadurch wird die Bezahlung per Kreditkarte oder Mobilfunkrechnung ausgelöst und Sie können das Parkhaus verlassen, ohne am Automaten mit Kleingeld bezahlen zu müssen. Derzeit arbeiten wir aber auch an einer noch kundenfreundlicheren Lösung, die wir zum vierten Quartal dieses Jahres vorstellen werden. Mittels eines RFID-Chips in Kombination mit Travipay können Kunden dann in einer signifikanten Anzahl von Parkhäusern automatisch die Schranke öffnen und die Bezahlung auslösen. Und wenn sie in der Stadt unterwegs sind, können sie die Parkzeit über die App auch verlängern. Zu gleichen Preisen wie am Parkautomaten, denn es handelt sich ja um öffentlichen Parkraum. Hinzu kommt eine Servicegebühr pro Transaktion für die Nutzung der App, die von Standort zu Standort unterschiedlich ist.
_ Wie profitieren Fuhrparkmanager davon?
G. Künne: Für alle Flotten- und Businesskunden haben wir erst vor kurzem das Produkt Travipay Business entwickelt. Flottenmanager können damit die Kennzeichen ihrer Flotte mit entsprechenden Telefonnummern verknüpfen und bekommen dann einmal im Monat eine gebündelte Rechnung mit allen über Travipay abgewickelten Parktransaktionen.
_ Welche weiteren Services können Sie sich für diese App vorstellen?
G. Künne: Schlussendlich geht es natürlich um die Parkplatznavigation. In absehbarer Zeit werden wir freie Parkplätze in der App anzeigen, die die Kunden eine gewisse Zeit im Voraus buchen können.
_ Wie lässt sich Parkraum auf öffentlichen Parkplätzen reservieren?
G. Künne: Das wird nur so funktionieren, dass andere Autofahrer nicht nachbuchen können. Denn natürlich können wir öffentlichen Parkraum nicht beschranken, wir können dann nur intelligent digital steuern. Letztlich nutzt das auch den Städten, denn es verringert notwendigen Parkraum genauso wie Parkplatzsuchverkehr.
_ Sind langfristig Premiumkunden denkbar, deren Reservierungen Priorität besitzen?
G. Künne: Nein, das glaube ich nicht. Es geht bei der Vorbuchung auch nicht darum zu sagen, ich buche drei Stunden im Voraus einen Parkplatz. Vielmehr denke ich da an Minutenabschnitte, an die Zeit, in der ich den Parkplatz anfahre.
_ In wie vielen Städten können Autofahrer bereits mit Travipay bezahlen?
G. Künne: Deutschlandweit haben wir mittlerweile 90 Städte angeschlossen. Parallel dazu bieten wir ein ähnliches System in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, den USA, Kanada und Australien über unsere Tochter Paybyphone. Insgesamt haben wir 2016 so über 63 Millionen Parktransaktionen abgewickelt.
_ Wie ist die Resonanz auf Ihren Service Ersatzwagen Plus?
G. Künne: Mit Ersatzwagen Plus zahlt der Kunde einen monatlichen Beitrag dafür, dass er bei Bedarf einen Werkstattersatzwagen seiner eigenen Fahrzeugklasse erhält. Es ist ein positives Signal an die Kunden, und als solches wird es wahrgenommen. Derzeit haben rund 2.000 Leasingverträge die Ersatzwagen-Plus-Ergänzung. Damit bewegen wir uns, gemessen an unseren 220.000 Großkunden-Neuverträgen im letzten Jahr, natürlich auf niedrigem Niveau. Aber uns geht es hier gar nicht so sehr um absolute Stückzahlen. Vielmehr ist das Angebot eine Dienstleistung, die den Kunden im Gesamtkontext zufriedenstellen und an unser Haus binden soll.
_ Planen Sie den Ersatzwagen-Plus-Service auch für andere Modelle als den Passat?
G. Künne: Wir werden den Service jetzt auch für den Golf anbieten. Da wir ein Ersatzfahrzeug derselben Klasse garantieren, müssen wir auch eine entsprechende Logistik dafür vorhalten. Deshalb werden wir das Angebot mittelfristig auch auf diese beiden Modellreihen beschränken.
_ Herr Künne, herzlichen Dank für das Gespräch.
Interview: Christian Frederik Merten
- Ausgabe 07/2017 Seite 54 (117.1 KB, PDF)