_ Wenn die dampfende Tasse auf dem Display flackert, heißt es: Zeit für den Pausentee. Mit einem Werbespot, in dem der müde Fahrer in Gedanken motorisierte Schäfchen zählt, die seinen Polo passieren, richtet Volkswagen die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Option der Müdigkeitserkennung für das Kleinwagensegment, sondern flankiert auch einen der tückischsten Begleiter auf langen Fahrten: den Sekundenschlaf.
In der Unfallstatistik taucht die ursächliche Übermüdung kaum auf, was den Umgang mit dem richtigen Wechsel aus konzentrierter Fahrt und erholsamen Pausen auf die individuelle Ebene eines jeden Fahrers bringt.
Gefährliche Pillen
Die Basis für eine lange Dienstfahrt ist die körperliche Fitness - und hier vor allem genügend Schlaf. Der eine braucht nur fünf Stunden, um sich fit zu fühlen, ein anderer vielleicht die doppelte Schlafzeit. Allen gleich ist, dass "Anspannung und Stress das Schlafen behindern", wie Hans Günter Weeß, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, betont. Müdigkeit kann aber auch eine andere Ursache haben, nämlich als Nebenwirkung von Medikamenten wie Antihistaminika.
Laut der Kampagne "Vorsicht Sekundenschlaf!", die vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) mit Unterstützung des Verkehrsministeriums und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung initiiert wurde, beeinträchtigen zwischen 15 und 20 Prozent aller zugelassenen Medikamente nach Angaben der Hersteller die Fahrtüchtigkeit. Das heißt, deren Gebrauch kann die kognitive Leistungsfähigkeit einschränken und latente Müdigkeit hervorrufen."Auf der Basis von Expertenmeinungen und vorsichtigen wissenschaftlichen Schätzungen können wir davon ausgehen, dass viele Verkehrsunfälle unter der Beteiligung von Arzneimitteln, insbesondere Psychopharmaka, stattfinden", mahnt Weeß.
Augen zu
Die gefährlichste Form ist dabei der Sekundenschlaf, den man nicht willentlich verhindern kann, der aber immense Risiken im Straßenverkehr birgt. "Schon drei Sekunden Schlaf kommen bei einem Tempo von 100 km/h einem Blindflug von 83 Metern gleich. Das kann tödlich enden", warnt DVR-Präsident Walter Eichendorf.
Was kann also helfen, dass die Augen nicht ungewollt zufallen? Autofahrer sollten laut dem DVR sowohl bei den verschreibungspflichtigen, aber auch bei frei verkäuflichen Arzneimitteln mögliche Einflüsse auf die Fahrtüchtigkeit mit dem Arzt oder Apotheker abklären. "Dies ist insbesondere vor der ersten Anwendung, bei einer Dosissteigerung, bei einer Umstellung oder beim Absetzen von Medikamenten wichtig", erklärt Experte Weeß. Auch entsprechende mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sollten vor dem Start der Tour geklärt sein.
Fitmacher
Ist man dann unterwegs und die Fahrt dauert ungewollt länger oder man fährt bewusst länger als die empfohlenen maximal zweieinhalb Stunden am Stück (siehe Umfrage 1), sodass die Müdigkeit langsam einsetzt, dann raten die Experten zum Zwischenstopp. Sich im Freien bewegen, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen oder doch eine kurze Schlafpause einlegen - die aber nicht länger als 30 Minuten sein sollte. Beliebt, aber nicht wirklich effektiv, sind laut den Verkehrsexperten die Klassiker der Müdigkeitsbekämpfung: Fenster auf, laute Musik und ein Schluck Kaffee oder Energy-Drink (siehe Umfrage 2). Eine Meinung hierzu dürften recht viele Autofahrer haben, denn von den 1.000 Befragten gaben 26 Prozent zu, schon einmal am Steuer weggenickt zu sein. 17 Prozent fahren zudem trotz Müdigkeit. Auch wenn teils große Zustimmung zur Wirkung dieser Mittel herrscht, schieben die Sicherheitsprofis diese in das Reich der Mythen. Also dorthin, wo man auch durchs Zählen von wolligen Vierbeinern langsam ins Schlummerland entschwinden kann.
- Ausgabe 04/2017 Seite 54 (318.2 KB, PDF)