Von Holger Holzer/SP-X
Die Diskussion um Diesel-Fahrverbote und Abgas-Skandale schlägt immer neue Wellen und Volten. Der Überblick ist nur schwer zu wahren. Als Hilfestellung hier eine kurze Zusammenfassung von Positionen, Interessen und Zielen der Beteiligten. In alphabetischer Reihenfolge.
ADAC: Nach dem eigenen Skandal im Jahr 2014 gibt sich der Automobilclub öffentlich zurückhaltender und sympathischer. In der Diskussion um Fahrverbote bemüht man sich aktuell um Konstruktivität, unter anderem mit dem Test von Nachrüst-Katalysatoren für ältere Diesel. Mit dem so erbrachten Machbarkeitsbeweis schlägt sich der Verein zudem dezidiert auf die Seite seiner Mitglieder, ohne auf direkten Gegenkurs zu Politik und Industrie zu gehen. Wo andere Verkehrsclubs wie etwa der ACE Fahrverbote durchaus begrüßen, positioniert sich der Branchenführer vorsichtiger und spricht sich für alternative Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität aus.
Autohersteller, deutsche: Erstes Ziel scheint weiterhin zu sein, die Zwangsnachrüstungen von Abgasreinigungssystemen bei Diesel-Pkw zu verhindern. Zumindest, wenn die Industrie dafür zur Kasse gebeten würde. Stattdessen sollen Software-Updates und flankierende Maßnahmen wie eine intelligente Verkehrssteuerung die Luft verbessern helfen. Nebenziel: den Ruf des Diesels retten. Auf dem gerade beendeten Genfer Salon sprach etwa VW-Chef Matthias Müller von einer Renaissance der Technik. Die könnten die Hersteller gebrauchen, würde sie doch beim Erreichen der EU-Klimaziele helfen und milliardenteure Strafzahlungen vermeiden. Generelle Fahrverbote für Diesel sähe die Branche aus diesem Grund eher nicht so gern. Andererseits: Sie könnten sich auch als Verkaufsförderprogramm für Neuwagen entpuppen.
Autohersteller, internationale: Die Importeure können sich in Deutschland weitgehend bedeckt halten. Auch wenn ihre Autos in vielen Fällen noch viel dreckiger sind als die der heimischen Marken, richtet sich die Wut der Bevölkerung vor allem gegen VW und Co. Einige Hersteller könnten von der Diesel-Abkehr sogar profitieren: Toyota etwa, die mit dem Hybrid zumindest für den Stadtverkehr eine passende Alternative parat haben. Oder E-Auto-Spezialisten wie Nissan und Renault Insgesamt herrscht aber abwartendes Schweigen. Vom Importeurs-Verband VDIK gab es im laufenden Jahr noch kaum eine offizielle Einlassung zum Thema – ganz im Gegensatz zum deutschen Gegenstück VDA, der sich fast täglich zur Materie äußert.
Autofahrer mit Diesel-Autos: Die privaten Diesel-Halter könnten am Ende die wirklich Gelackmeierten des Diesel-Skandals sein. Größtes Interesse ist aktuell daher, den Wertverlust der Fahrzeuge zu stoppen, was am besten wohl mit einer teuren Hardware-Nachrüstung gelänge. Zahlen soll dafür allerdings nach Möglichkeit jemand anders. In Frage kommen Industrie oder Allgemeinheit. Inwieweit Diesel-Fahrverbote künftig ganz praktisch die individuelle Mobilität einschränken könnten, ist allerdings noch weitgehend unklar. Wer auf dem Land lebt und nicht regelmäßig in Städte wie Stuttgart muss, braucht zunächst keine Einschränkungen zu fürchten.
Bundesregierung: Keine bundesweiten Fahrverbote, keine Blaue Plakette – der neue Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat seine Position direkt nach Amtsantritt deutlich gemacht. Er wolle stattdessen Kommunen und Autobauer an einen Tisch holen, um über Lösungen zu reden, kündigte er an – ein Ansatz, der bereits in der Vorgängerregierung nicht eben von Erfolg gekrönt war. Weniger deutlich positioniert sich die scheidende Kollegin aus dem Umweltressort, Barbara Hendricks, die Fahrverbote möglichst verhindern will, sie als letztes Mittel aber in Kombination mit einer irgendwie gearteten Kennzeichnungspflicht wohl akzeptieren würde.
DUH: Aktuell der Gewinner der Diesel-Skandale. Vor dem Bundesverwaltungsgericht hat der Verein Recht bekommen und damit neue Dynamik in den seit Jahren schwelenden NOx-Streit gebracht. Nun wollen sich die Umweltschützer für eine Hardware-Nachrüstung einsetzen, die die Industrie zu zahlen hat. Was auch immer man von Personal und Auftreten des Vereins hält: Die DUH konnte nur so wirkmächtig werden, weil ihr ein zahnloses Kraftfahrt-Bundesamt und eine industrienahe Politik durch Wegsehen und Nichtstun die Lücke dafür gelassen hat.
Innenstadtbewohner: Theoretisch die Gewinner des Leipziger Urteils – zumindest, wenn sie nicht gleichzeitig in die Gruppe der Autofahrer mit Diesel-Pkw fallen. Wie es praktisch weitergeht, bleibt jedoch abzuwarten. Verbessern Fahrverbote wirklich die Luftqualität? Fließt der Diesel-Verkehr nicht einfach nur um die gesperrten Abschnitte herum und belastet dann dort die Luft? Kommen gar Amazon-Pakete mangels Ausnahmegenehmigungen für den Paketdienst nicht mehr an? Die Antworten sind ungewiss und könnten außerdem in jeder Stadt anders ausfallen.
Ingenieure: Wollen die Diskussion „versachlichen“. Ein gern vorgetragenes Ansinnen, wenn die eigene Mannschaft droht, die Deutungshoheit in einer Diskussion zu verlieren. Zudem schwingt in der Forderung eine wenig Arroganz derjenigen mit, die besser zu wissen meinen, worum es geht, als der hysterisierende Ottonormalbürger. Auch wenn das wohl am Ende der Fall ist: Ein bisschen Demut könnte zumindest auf Verbandsebene nicht schaden. Denn die Antwort auf die Frage, wie sich Diesel-Betrug und Abgas-Schummelei mit der deutschen Ingenieurs-Ehre vertragen, ist noch offen.
Kommunen: Fühlen sich als Verlierer des Leipziger Urteils. Natürlich drängt sich keine Stadt darum, die eigenen Bürger durch Fahrverbote zu verärgern. Die wiederum werden sich wohl nicht alle klaglos fügen. Auch ganz allgemein schreckt der drohende Organisations- und Kontrollaufwand Oberbürgermeister und Verwaltungschefs. Die Hoffnung ruht auf einer bundesweiten Regelung von Verkehrsverboten, gerne mit Blauer Plakette. Allein schon, um die Wut der Dieselfahrer nicht allein abzubekommen.
Kraftfahrzeuggewerbe: Auch der Autohandel zählt zu den Verlierern der Diesel-Krise, stapeln sich auf den Höfen der Autohäuser doch mittlerweile nahezu unverkäufliche Diesel-Gebrauchtwagen. Der Branchenverband ZDK will Fahrverbote ganz klar verhindern und spricht sich daher vehement für staatlich regulierte Hardware-Nachrüstungen beim Diesel aus. Das dürfte auch die Kfz-Werkstätten freuen, die im gleichen Verband organisiert sind und letztlich wohl die Arbeit erledigen müssen. Egal, wer zahlt.