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"Der Prozess wird sich drehen"

15.12.2017 06:00 Uhr

Matthew Whittal, Vorstandsvorsitzender der Innovation Group, über die Anforderungen an professionelles Schadenmanagement und den Einfluss der Digitalisierung auf die zukünftigen Abwicklungsprozesse.

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_ Herr Whittall, Sie wollen neben Versicherungen künftig verstärkt auch Flottenkunden als direkte Kunden gewinnen. Wie sieht Ihre Kundenstruktur derzeit aus?

Matthew Whittall: Wir haben in Deutschland rund 150 Flotten- und 60 Versicherungskunden. Für 2017 peilen wir etwa 300.000 Schadenabwicklungen an. Davon entfallen etwa 80 Prozent auf Versicherungen und 20 Prozent direkt auf Flottenkunden. Wie Sie bereits andeuten, wollen wir das direkte Geschäft mit den Flottenkunden künftig ausbauen. Eine genaue prozentuale Aufteilung kann ich Ihnen nicht nennen, aber die Flottenkunden werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen deutlich größeren Anteil an unserem Gesamtgeschäft ausmachen.

_ Welche Ersparnis bringt Ihren Kunden die Zusammenarbeit mit Ihnen?

M. Whittall: Im Schnitt liegen wir alles in allem 20 bis 30 Prozent unter den Sätzen, die Kunden bezahlen, wenn sie das Schadenmanagement in Eigenregie betreiben.

_ Was ist aus Ihrer Sicht die Basis für qualifiziertes Schadenmanagement?

M. Whittall: Zunächst einmal ein professionelles Werkstattnetz. Wir arbeiten in Deutschland mit 850 freien und 250 markengebundenen Werkstätten zusammen. Das müssen zwingend qualifizierte Karosserie- und Lackierfachbetriebe sein. Aber es reicht heute nicht mehr, Schäden einfach nur abzuarbeiten. Sie müssen auch andere Dienstleistungen anbieten, um im Flottensegment erfolgreich zu sein. Das tun wir. Zum Beispiel haben wir ein 24-Stunden-Callcenter zur Annahme von Schadenmeldungen. Oder wir sind in der Lage, schnell und unkompliziert einen gleichwertigen Mietwagen zu organisieren. Außerdem sind wir der einzige Schadenmanager, der mit der Firma Wintec eine eigene Autoglasmarke besitzt. Da können wir an mehr als 350 Stationen in Deutschland ebenfalls schnelle Hilfe anbieten.

_ Wie läuft der Prozess des Schadenmanagements bei Ihnen im Ernstfall konkret ab?

M. Whittall: Nehmen wir den Fall, dass eine Flotte unser komplettes Dienstleistungspaket bucht. Der Fahrer meldet seinen Schaden über unsere Hotline oder unsere App. Ruft er an und gibt es weitere Unfallbeteiligte, versuchen wir schon eine erste Einschätzung der Schuldfrage vorzunehmen. Sieht es so aus, dass unser Kunde schuld ist, nehmen wir so schnell wie möglich auch Kontakt zum Unfallgegner auf, um auch dort die Prozesse zu beschleunigen und die Kosten zu optimieren. Sieht es so aus, dass unser Fahrer nicht schuld ist, schaltet sich unverzüglich unsere Regressabteilung ein und nimmt Kontakt zur gegnerischen Versicherung auf. Als nächstes beauftragen wir unseren Kooperationsbetrieb, der sich innerhalb einer Stunde beim Fahrer meldet, die Abholung des Autos koordiniert und das Ersatzfahrzeug bereitstellt.

_ Und dann startet direkt die Reparatur?

M. Whittall: Nein, wir bekommen zunächst einen Kostenvoranschlag. Dafür haben die Kunden bei uns individuelle Freigaberegeln hinterlegt. Vorher entscheidet anhand von Bildern und des Kostenvoranschlags aber noch ein Mitglied unseres Technikerteams, ob ein Sachverständiger hinzugezogen wird. Erst dann erteilen wir die Reparaturfreigabe, und am Schluss schicken wir die Rechnung an den Kunden - aber nicht, bevor wir sie mit dem Kostenvoranschlag verglichen haben.

_ Welche Bedeutung besitzt die Rechnungsprüfung bei der Identifikation von Einsparpotenzialen?

M. Whittall: Da schlummert ein enormes Potenzial. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Ersatzteile enorm verteuert, wenn man instand setzt anstatt auszutauschen, kann man also oft eine Menge sparen. Das zum Beispiel prüfen die Kfz-Meister, die für uns die Rechnungen checken. Aber letztlich geht es natürlich immer darum, den fairen und gerechtfertigten Preis zu bezahlen. Wenn wir zu stark und ungerechtfertigt kürzen, müssen wir mit deutlichen und auch berechtigten Gegenreaktionen der Werkstätten rechnen. Kurz gesagt bezahlen wir gerne notwendige Arbeiten, aber eben auch nicht mehr.

_ Welchen Einfluss werden E-Call und Telematik auf Ihr Geschäft ausüben?

M. Whittall: Einen sehr großen Einfluss. Derzeit ist es ja so, dass der Fahrer den Schadenmanagement-Prozess aktiv anstößt - durch einen Anruf oder über seine App. Unsere Aufgabe ist es dann, die Unfall- und Schadendetails abzufragen. Gerade wenn der Fahrer den Schaden vielleicht etwas zeitverzögert meldet, ist eine verlässliche Rekonstruktion der Geschehnisse aber oftmals schwierig. In Zukunft, mit E-Call, wird sich dieser Prozess aber komplett drehen. Wir wissen dann sofort, was wann wo unter welchen Umständen passiert ist.

_ Wie wird sich die Digitalisierung darüber hinaus auf Ihre Prozesse auswirken?

M. Whittall: Ich glaube, dass wir mittels E-Call zum Beispiel auch die Plausibilitätsprüfung deutlich beschleunigen können. Meldet das System beispielsweise einen Frontschaden in Höhe von 2.500 Euro, die Werkstatt aber einen Heckschaden in Höhe von 5.000 Euro, können wir unverzüglich einen Sachverständigen rausschicken.

_ Mit Ihrem System Gateway wollen Sie Ihre Prozesse in Zukunft auch direkt vor Kunde digitalisieren. Was hat es damit auf sich?

M. Whittall: Wir haben schon vor einigen Jahren entschieden, dass wir die gesamte Kommunikation nicht nur zwischen uns und den Werkstätten, sondern zwischen allen Beteiligten vereinfachen und über eine einzige Plattform abwickeln wollen. Seit Anfang Mai läuft dieses System namens Gateway bereits in Großbritannien mit einem großen Kunden als Pilotprojekt. Unser Plan ist, im zweiten Quartal 2018 auch in Deutschland zu starten, im Frühjahr 2019 wollen wir dann die Migration aller Kunden auf das System abgeschlossen haben.

_ Was sind die besonderen Eigenschaften von Gateway?

M. Whittall: Eine Besonderheit ist, wie gesagt, dass es sich um eine einzige digitale Kommunikationsplattform für alle Kunden handelt. Und zwar eine Plattform, die alle unsere Prozessschritte abbildet. Von der Schadenmeldung und -aufnahme bis hin zur abschließenden Rechnungsstellung erfolgen alle Schritte über Gateway. Außerdem hat der Kunde jederzeit die Möglichkeit, online den Status seiner Schadenbearbeitung einzusehen - inklusive des jeweiligen Kommunikationsstatus auch mit Dritten.

_ Wie weit sind Sie denn mit der Adaption auf den deutschen Markt?

M. Whittall: Wir sind damit recht weit. Unser nächster großer Schritt ist es jetzt, Endkunden Zugang zu Gateway zu geben. An der Kommunikation mit den anderen Beteiligten wie den Werkstätten arbeiten wir schon viel länger, ungefähr seit drei Jahren.

_ Welchen konkreten Vorteil sehen Sie für die Kunden?

M. Whittall: Mit Gateway wollen wir ungefähr die Hälfte unserer jetzt 13 verschiedenen Software-Anwendungen ersetzen. Der Vorteil für die Kunden sind schlicht und ergreifend einfachere und schnellere Prozesse. Und auch unsere Partner profitieren, zum Beispiel durch wegfallende Kommunikationsgebühren.

_ Herr Whittall, herzlichen Dank für das Gespräch.

Interview: Christian Frederik Merten

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